Ein neues, emotionales und doch cooles Lugano hat die Bühne unseres Hockeys betreten und wird heute seinen achten Titel holen.
Wäre Lugano immer noch das Lugano, das unseren lieb gewordenen Vorurteilen entspricht, mit den gekreuzten Palmen statt gekreuzten Stöcken als Logo, dann wäre es heute Abend chancenlos. Aber wir erleben in diesen Tagen ein «neues» Lugano. Präsidentin Vicky Mantegazza betont immer wieder, wie wichtig für sie Loyalität und Leidenschaft für ihren Klub sind. Als ehemalige Spielerin kennt sie die ungeschriebenen Gesetze des Teamsports. Obwohl sie ein Milliardenvermögen verwaltet, weiss sie, dass der Erfolg nicht käuflich ist und nicht die besten Einzelspieler eine Meisterschaft gewinnen, sondern die Mannschaft.
Und so ist es ihr gelungen, Geld mit einer neuen Leistungskultur zu kombinieren. Geist und Geld – der Klassiker. Item, Luganos «Version 2018» ist bei weitem nicht so talentiert wie die Meistermannschaft 2006. Aber Lugano ist in den letzten Wochen im besten, im romantischen Sinne zu einer Mannschaft zusammengewachsen, die alles gewinnen kann. Befeuert von Leidenschaft und der Aussicht auf den finalen Triumph, mental robust und physisch «unzerstörbar», emotional und doch cool. Härte und Provokationen können Lugano nichts mehr anhaben. Und vor allem: Zum ersten Mal überhaupt hat Lugano den charismatischsten Torhüter in seinen Reihen: Elvis Merzlikins. Alle sieben Titel verdankten die Tessiner in erster Linie überlegenen spielerischen Mitteln, kombiniert mit schlauer Taktik. Aber nie war der Torhüter die zentrale Figur. Nun hat Lugano zum ersten Mal in seiner Geschichte den besten Torhüter der Liga als Rückhalt. In einem siebten Spiel macht immer der bessere «letzte Mann» die Differenz.
Das Lugano, wie es unseren lieb gewordenen Vorurteilen entspricht, würde den Titel auf eigenem Eis verspielen. Wie schon so oft. Wie 1989, 1991 und 2004 gegen den SCB. Wie 2001 gegen die ZSC Lions. Aber in den letzten Wochen hat ein neues Lugano die Bühne betreten. Dieses neue Lugano wird nach 1986, 1987, 1988, 1990, 1999, 2003 und 2006 zum achten Mal Meister.
Der ZSC ist immer dann besonders stark, wenn niemand allzu viel erwartet. Das ist jetzt, beim entscheidenden Finalspiel, wieder so.
Der ZSC gemahnt in dieser Saison an ein Chamäleon. Immer wieder ändert er sein Erscheinungsbild. Es ist irgendwie erschreckend und faszinierend gleichzeitig. Die Qualifikation war zum Vergessen. Doch dann, in den Playoffs, als niemand mehr an die Zürcher glaubte, entstand plötzlich eine verschworene Einheit, die so sehr über ihre Gegner hinwegfegte, als würde sie um ihr Leben kämpfen.
Im Final ist aus dem Aussenseiter ZSC der Favorit ZSC geworden. Der Meisterpokal schien bereit, die Maschine schien ins Rollen gekommen – und nicht mehr zu stoppen. Doch weit gefehlt. Prompt mischten sich wieder Ängstlichkeit, Fehler und manchmal Lethargie in die Auftritte. Die 3:1-Führung ist glücklich zustande gekommen. Der Ausgleich zum 3:3 nicht wirklich überraschend. Warum also sollte der ZSC nun den Titel doch noch gewinnen? Jetzt, wo alles für Lugano spricht. Zumal die Tessiner vor dem euphorisierten Heimpublikum antreten können.
Zunächst einmal die Kraft der Erinnerungen. Lugano hat sämtliche Finalissimas seiner Geschichte verloren (1989, 2001, 2004). Der ZSC beide gewonnen (2001, 2012). Das Direktduell 2001 war eine der legendärsten Serien überhaupt.
Die Erwartungen an den ZSC sind jetzt wieder überschaubar – genau die Ausgangslage, die dieses Team offenbar braucht. Nun werden sich die Luganesi mit dem Gedanken beschäftigen, dass ihnen die Trophäe nicht mehr aus den Händen gleiten darf. Zudem wird die Energie der forcierten Schlüsselspieler immer knapper.
Beim ZSC ist Topskorer Fredrik Pettersson nach seinem Check gegen den Kopf von Maxim Lapierre gesperrt – doch das ist wohl sogar ein Vorteil. Der Schwede blieb im Final blass, seine Linie kassierte viele Tore. Seine Kollegen werden dafür sorgen, dass die Verteidiger Mathias Seger und Kevin Klein noch einmal einen Höhepunkt erleben dürfen, bevor sie zurücktreten.