Sport
Eismeister Zaugg

«Unablässige Arbeit besiegt alles» – wie ein altrömisches Prinzip dem SCB den Titel beschert

Und am Ende jubeln mal wieder die Berner.
Und am Ende jubeln mal wieder die Berner.
Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

«Unablässige Arbeit besiegt alles» – wie ein altrömisches Prinzip dem SCB den Titel beschert

Der SCB gewinnt 2:1 und braucht nur noch einen Sieg zum Titel. Weil Lugano eine grosse Chance leichtfertig vergeben hat.
10.04.2016, 10:2210.04.2016, 14:38

Diese vierte Playoff-Final-Partie hätte Lugano gewinnen können. Gewinnen müssen. Der SCB dominiert zwar optisch (42:29 Torschüsse). Aber es ist keine zwingende Überlegenheit wie im zweiten (1:0) und im dritten Spiel (3:2 n.V.). Die Intensität lässt nach. Luganos Verteidiger beherrschen ihre Zone. Zum dritten Mal in Serie offeriert Torhüter Elvis Merzlikins seinen Vorderleuten mit einer grandiosen Leistung den Sieg auf dem Silbertablett. Zum dritten Mal sind sie nicht dazu in der Lage, das Spiel zu gewinnen. Elvis Merzlikins ist drauf und dran, zum tragischsten Helden unserer Playoff-Geschichte zu werden.

Warum ist Lugano erneut gescheitert? Weil die grosse Hockeymaschine SC Bern alles verschlingt. Die ZSC Lions, den Titelverteidiger (Davos) und im Finale nun bereits zum dritten Mal den HC Lugano. Diese Hockeymaschine ist nach einem einfachen Prinzip programmiert, das bereits der römische Dichter Vergil kreiert hat: «Labor omnia vincint improbus». («Unablässige Arbeit besiegt alles.») Auf kein anderes dieser Finalspiele trifft dieses altrömische Rezept so sehr zu wie auf die vierte Partie.

«Weiter, immer weiter!» Was schon Oliver Kahn gesagt hat, gilt auch für die Berner.
«Weiter, immer weiter!» Was schon Oliver Kahn gesagt hat, gilt auch für die Berner.
Bild: KEYSTONE

Lugano ist schon lange auf dem Weg zum Sieg. Es läuft wie nach dem Drehbuch für einen billigen Hollywood-Film. Trainer Doug Shedden hat in einer letzten, verzweifelten Massnahme umgestellt. Der Schwede Fredrik Pettersson muss auf die Tribune und wird durch den Amerikaner Tim Stapleton ersetzt. Und genau dieser Tim Stapleton erzielt das 1:0 (17.). In einem normalen Spiel gegen einen gewöhnlichen Gegner wäre dies bereits der Siegestreffer gewesen.

Angriffswelle um Angriffswelle brandet gegen das Tor von Luganos Goalie Elvis Merzlikins. Aber er und seine Vorderleute halten stand. «Es gibt eigentlich nichts, das bei uns nicht funktioniert», wird Verteidiger Philippe Furrer hinterher sagen. Er hat recht. Zumindest was seine Abteilung (die Abwehr) betrifft. Und er hat recht, wenn er sagt: «Das 2:0 wäre die Entscheidung gewesen. Aber dieser zweite Treffer ist uns einfach nicht gelungen.»

Lugano-Keeper Merzlikins hält fast alles und wird doch nicht belohnt.
Lugano-Keeper Merzlikins hält fast alles und wird doch nicht belohnt.
Bild: KEYSTONE

Den Bernern fehlt in dieser vierten Partie eine Prise «Biss» und Frische – was sich in Konzentrationsfehlern, geringerer Intensität und weniger Durchschlagskraft vor dem Tor zeigt. Der Faktor Müdigkeit gilt zwar auch für Lugano. Aber die Tessiner haben mehr Talent.

Wenn der Anteil «Spiel» höher wird als der Anteil «Arbeit», dann haben die Tessiner Vorteile. Der Anteil «Spiel» ist erstmals wieder so hoch wie in der ersten Finalpartie (5:4 für Lugano). Lugano hat in dieser vierten Partie, anders als im zweiten und dritten Spiel, wieder genug Sauerstoff zum Atmen, zum Spielen – und zum Sieg?

Luganos leichtfertig vergebene Chance

Nein. Denn die grosse SCB-Maschine läuft auch nach diesem Gegentreffer weiter, immer weiter und sie läuft auch noch in der Schlussphase, als eigentlich gar niemand mehr an den Ausgleich oder gar die Wende glaubt. Mit jeder Minute, die verrinnt, entweicht dem Selbstvertrauen der Berner ein bisschen Luft. Aber eben: die Maschine läuft weiter. «Labor omnia vincint improbus.» «Unablässige Arbeit besiegt alles.»

Der kräftige Brecher Simon Moser überwindet schliesslich Elvis Merzlikins zum 1:1 (56.) – es geht in die Verlängerung und in der Verlängerung (oder im Penaltyschiessen) haben die Berner in diesen Playoffs noch nie verloren. Aber fünfmal gewonnen. Und sie gewinnen auch diesmal. Weil eben ihre Maschine unerbittlich weiterläuft und das Ende ist bitter für Lugano: Gregory Hofmann trifft 4:50 Minuten vor Schluss Tristan Scherwey mit dem Stock im Gesicht: Vier Strafminuten. Und diesen Ausschluss nützen die Berner durch Cory Conacher zum 2:1 (77.).

Der 1:1-Ausgleich von Simon Moser kurz vor Ende der regulären Spielzeit.
streamable
Cory Conacher mit dem goldenen Tor in der Verlängerung.
streamable

Das Selbstvertrauen der Berner jenseits der 60. Minute ist bemerkenswert, ja unverwundbar, wasserdicht und kugelfest. In der Qualifikation hatten sie nur fünf von 14 Verlängerungen und Penaltyschiessen gewonnen. Trainer Lars Leuenberger hat dafür eine einfache Erklärung. «Wir haben das erste Viertelfinalspiel in Zürich im Penaltyschiessen gewonnen. Da hat es bei uns «klick» gemacht.»

Für Lugano ist diese dritte Niederlage die bisher bitterste. Weil es die vermeidbarste ist. Ein Tor fehlte (zum 2:0) zum Sieg und vielleicht werden wir hinterher sehen, dass nur ein Tor zum Titel gefehlt hat. Denn ein Sieg in Bern hätte alles verändert und Lugano die Chance gegeben, mit zwei Heimsiegen Meister zu werden. Ja, Lugano hat leichtfertig eine grosse Chance vergeben.

Schiris haben richtig entschieden

Bitter ist diese dritte Niederlage auch, weil es keine Ausreden gibt. Die Schiedsrichterleistung war sehr gut und von einer leichten Benachteiligung Luganos durch grosszügige Regelauslegung, die dem rauen, rustikalen Spiel der Berner entgegenkommt (wie im zweiten und dritten Finalspiel) kann diesmal nicht die Rede sein.

Der Zusammenstoss zwischen Damien Brunner und Simon Bodenmann war kein Foul, sondern tatsächlich ein unglücklicher Zusammenprall. Die Aussage von Luganos Trainer Doug Shedden, in der NHL würde es dafür 20 Spielsperren geben, ist absurd und der Abendunterhaltung zuzuordnen. Und der Vier-Minuten-Ausschluss gegen Gregory Hofmann in der Schlussphase der Verlängerung war zwingend: der Stockschlag ins Gesicht von Tristan Scherwey war zu offensichtlich und es spielt keine Rolle, ob es Absicht oder Unachtsamkeit war.

Die fragliche Szene mit Bodenmann und Brunner.
streamable

Jetzt brauchen die Berner noch einen einzigen Sieg zum Titel. Sie haben drei Matchpucks. Am Dienstag in Lugano, am Donnerstag in Bern und, wenn nötig, am nächsten Samstag in Lugano. SCB-Manager Marc Lüthi ist vorsichtig. «Ich erinnere mich noch zu gut an das Finale von 2012». Damals hatte der SCB auch mit 3:1 geführt – und sogar mit der Möglichkeit, zwei der restlichen Partien zu Hause zu spielen.

Doch die ZSC Lions gewannen den Titel im 7. Spiel in Bern durch einen Treffer von Steve McCarthy zweieinhalb Sekunden vor Schluss (2:1). Lugano ist spielerisch so gut wie damals die ZSC Lions. Aber eben: wie soll Lugano diese SCB-Maschine stoppen? Wenn es nicht einmal in dieser vierten Partie gelungen ist? In einer Partie, in welcher der Puck so lange Zeit den Weg der Tessiner gegangen ist? «Labor omnia vincint improbus.» «Unablässige Arbeit besiegt alles.» Es kann das SCB-Meisterrezept sein.

Der Schweizer Eishockey-Meisterpokal im Wandel der Zeit

Unvergessene Eishockey-Geschichten
Bobby Orr entscheidet mit dem «Flying Goal» den Stanley-Cup-Final
Bobby Orr entscheidet mit dem «Flying Goal» den Stanley-Cup-Final
von Ralf Meile
Ralph Krueger schreibt das wichtigste SMS der Schweizer Hockey-Geschichte 
8
Ralph Krueger schreibt das wichtigste SMS der Schweizer Hockey-Geschichte 
von Klaus Zaugg
Deutschland verpasst die grosse Sensation, weil der Puck auf der Linie kleben bleibt
Deutschland verpasst die grosse Sensation, weil der Puck auf der Linie kleben bleibt
von Ralf Meile
NHL-Star Darryl Sittler stellt einen Rekord für die Ewigkeit auf
1
NHL-Star Darryl Sittler stellt einen Rekord für die Ewigkeit auf
von Adrian Bürgler
04.01.1987: Als nach der grössten Prügelei aller Zeiten die Lichter ausgingen und ein Spiel die Eishockey-Welt veränderte
04.01.1987: Als nach der grössten Prügelei aller Zeiten die Lichter ausgingen und ein Spiel die Eishockey-Welt veränderte
von Klaus Zaugg
16.01.1905: Nach 23 Tagen Anreise werden die Dawson City Nuggets im Stanley-Cup-Final mit 2:23 vermöbelt
1
16.01.1905: Nach 23 Tagen Anreise werden die Dawson City Nuggets im Stanley-Cup-Final mit 2:23 vermöbelt
von Ralf Meile
19.10.1996: Del Curto klärt seine Spieler auf: «Zum Schiri nüma ‹Fuck you› sägä, äs git zwei Minuta, hä!»
2
19.10.1996: Del Curto klärt seine Spieler auf: «Zum Schiri nüma ‹Fuck you› sägä, äs git zwei Minuta, hä!»
von Reto Fehr
24.02.2006: Neunmal das F-Wort in einer Minute – Greg Holst macht sich mit legendärem Ausraster-Interview unsterblich
24.02.2006: Neunmal das F-Wort in einer Minute – Greg Holst macht sich mit legendärem Ausraster-Interview unsterblich
von Syl Battistuzzi
14.05.2008: Philippe Furrer schiesst das kurioseste Eigentor der Schweizer Hockey-Geschichte
14.05.2008: Philippe Furrer schiesst das kurioseste Eigentor der Schweizer Hockey-Geschichte
von Klaus Zaugg
10.10.1979: Ein gewisser Wayne Gretzky bestreitet sein erstes Spiel in der NHL – er wird sämtliche Rekorde pulverisieren
3
10.10.1979: Ein gewisser Wayne Gretzky bestreitet sein erstes Spiel in der NHL – er wird sämtliche Rekorde pulverisieren
von Ralf Meile
18.02.2006: Die «Eisgenossen» spielen kanadischer als die Kanadier und rächen sich für eine uralte Schmach
2
18.02.2006: Die «Eisgenossen» spielen kanadischer als die Kanadier und rächen sich für eine uralte Schmach
von klaus zaugg
11.03.1979: NHL-Haudegen Randy Holt prügelt sich zu einem bis heute gültigen Rekord – 67 Strafminuten in einem einzigen Spiel
11.03.1979: NHL-Haudegen Randy Holt prügelt sich zu einem bis heute gültigen Rekord – 67 Strafminuten in einem einzigen Spiel
von Ralf Meile
08.04.1980: Sie wissen nicht, was sie tun, als sich zwei Schweden als erste Hockeyspieler einen Playoff-Bart wachsen lassen
08.04.1980: Sie wissen nicht, was sie tun, als sich zwei Schweden als erste Hockeyspieler einen Playoff-Bart wachsen lassen
von Ralf Meile
28.01.2009: Die Zürcher Löwen krönen sich zu Europas Eishockey-Königen
8
28.01.2009: Die Zürcher Löwen krönen sich zu Europas Eishockey-Königen
von Klaus Zaugg
24.03.1936: Im längsten Hockey-Spiel aller Zeiten fällt das goldene Tor erst im 9. Drittel – um 2.35 Uhr nachts
24.03.1936: Im längsten Hockey-Spiel aller Zeiten fällt das goldene Tor erst im 9. Drittel – um 2.35 Uhr nachts
von Klaus Zaugg
28.12.1999: «La Montanara» erklingt in Berlin – Ambri krönt sich zum europäischen Champion
28.12.1999: «La Montanara» erklingt in Berlin – Ambri krönt sich zum europäischen Champion
von Reto Fehr
31.03.2009: Nie haben wir uns mehr über ein Tor gegen die Schweizer Nati gefreut als bei Omarks Penalty-Trick
3
31.03.2009: Nie haben wir uns mehr über ein Tor gegen die Schweizer Nati gefreut als bei Omarks Penalty-Trick
von Ralf Meile
22.09.2012: Rick Nash meldet sich mit einem Blitz-Hattrick in der Schweiz zurück
22.09.2012: Rick Nash meldet sich mit einem Blitz-Hattrick in der Schweiz zurück
von Sandro Zappella
30.12.1981: Wayne Gretzky schafft den verrücktesten seiner Rekorde: 50 Tore in 39 NHL-Spielen
30.12.1981: Wayne Gretzky schafft den verrücktesten seiner Rekorde: 50 Tore in 39 NHL-Spielen
von Klaus Zaugg
26.12.1993: Dank Chomutow und Bykow träumt Aufsteiger Davos vom ersten Spengler-Cup-Titel seit 35 Jahren
26.12.1993: Dank Chomutow und Bykow träumt Aufsteiger Davos vom ersten Spengler-Cup-Titel seit 35 Jahren
von Philipp Reich
Amerikas College-Boys erlegen den russischen Bären
Amerikas College-Boys erlegen den russischen Bären
von peter blunschi

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
14 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Tikkanen
10.04.2016 10:42registriert November 2014
Sehr guter Artikel, Chlöisu👍 Wille obsiegt Talent, die ewige Weisheit. Der HCL konnte Bern nicht mal gestern stoppen, auch wenn die Berner Dynamik nicht mehr über die ganze Spieldistanz aufrechterhalten werden konnte. Jetzt wird am Di. der Sack zugetan😳 Ich freue mich auf Boccalino's, die Wut der unsäglichen Lugano Modefans nach Spielende und die anschliessende Freinacht. Für die liebe Vicky ist's schade, sie hätte sich die Pokalübergabe anders vorgestellt😭 Weiter würde ich mich ab Mitte nächster Woche über eine Zauggsche Einschätzung der NHL PO freuen. Hopp Bärn und dann Let's go Rangers..
00
Melden
Zum Kommentar
14
Die Hoppers deklassieren den FCZ im Derby: «Wir wollen der beste Klub der Stadt sein»
Die Grasshoppers setzen sich im 291. Zürcher Derby gegen den FC Zürich 3:0 durch. Jonathan Asp Jensen überragt im Letzigrund.
Der Name weckt Erwartungen. Seit drei Jahren ist Jonathan Asp Jensen in der Organisation von Bayern München aktiv. Erst in Nachwuchsteams, dann in der zweiten Mannschaft des deutschen Rekordmeisters. Für das Fanionteam hat der Däne Mitte Mai 2024 immerhin eine Minute Luft geschnuppert in der Bundesliga.
Zur Story