Nie war der Gegensatz zwischen Vorgänger und Nachfolger grösser. Luca Gianinazzi (32) reichte es als Verteidiger nicht einmal für hundert Partien in der zweithöchsten Liga. Als Trainer hatte er vor seiner Beförderung zum Chef bei Lugano nur mit Junioren gearbeitet. Nun übernimmt mit Uwe Krupp (59) einer der Grossen des Welteishockeys das Traineramt: Mehr als 800 Partien in der NHL und Stanley-Cup-Sieger 1996 mit Colorado (er erzielte im Final das alles entscheidende Tor). Der kräftige Titan (198 cm/108 kg) ist in der NHL als «King Kong Krupp» verehrt worden. Als Coach hat er über 20 Jahre Erfahrung als Cheftrainer der Deutschen Nationalmannschaft, in Tschechien und in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).
avalanche @ panthers SCF G4 06/10/1996
— random avs goal every day (@avsgoaleveryday) September 7, 2023
Uwe Krupp (4th of playoffs)
(6th playoff goal of career)#GoavsGo pic.twitter.com/FThvEOWfDF
Mit dieser hochkarätigen Besetzung in der Hauptrolle garantiert Luganos «Opera buffa» Spektakel. Er ist der perfekte «Feuerwehrmann». Ein charismatischer, freundlicher Kommunikator, der den Klub perfekt repräsentieren wird. Ganz im Sinne eines «Grande Lugano». Und in der Kabine hat er die natürliche Autorität, um den Larifari-Betrieb zu beenden und wieder eine Leistungskultur zu installieren: Lugano darf auf einen ähnlichen Effekt hoffen wie Gottéron nach der Absetzung von Patrick Emond und der Verpflichtung von Lars Leuenberger. Substanz hat die Mannschaft ja genug, um aus dem Tabellenkeller herauszukommen. Kurzfristig wird Uwe Krupp in Lugano nicht scheitern. Weil allein der Wechsel von einem freundlichen Spielerversteher («Clown» wäre eine respektlose Bezeichnung) mit antiautoritärem Führungsstil, den niemand mehr ernst genommen hat, zu einer charismatischen Persönlichkeit des Welteishockeys eine stimulierende Wirkung haben wird. Aber mittel- und langfristig ist auch Uwe Krupps Scheitern unvermeidlich.
Uwe Krupp war als Trainer nie Meister und im letzten Frühjahr ist er in Köln nach dem Scheitern in den Pre-Playoffs gefeuert worden. Die notorische Erfolgslosigkeit als Klubtrainer ist noch kein Problem: Vorerst genügt ein bisschen Rock and Roll in der Kabine. Alle werden froh sein, wenn es wenigstens gelingt, besser zu sein als Ambri (aktuell ein Verlustpunkt Rückstand auf den Kantonsrivalen) und vom schmählichen zweitletzten Platz wegzukommen.
Die Stärke des neuen Trainers ist sein eloquentes Auftreten und sein gewinnendes Wesen auch im Umgang mit den Spielern. Seine natürliche Autorität ist unbestritten und sein Wort in der Kabine wird Gospel (Evangelium) sein. Bei der Arbeit auf dem Eis – beim Einfuchsen eines Spielsystems und der gezielten Förderung der Spieler – ist er auf kompetente Assistenten angewiesen. Es passt zum sportlichen Larifari-Management, dass vorerst noch keine Assistenten bestimmt sind. Obwohl seit Monaten allen klar ist, dass noch vor Saisonende nebst einem neuen Cheftrainer auch neue Assistenten gebraucht werden. Und es passt auch, dass die wichtigste sportliche Führungsposition – die des Sportdirektors – nach der Verabschiedung von Hnat Domenichelli nach wie vor nicht besetzt ist.
Eine Strategie für die mittel- und langfristige Entwicklung gibt es in Lugano sowieso nicht. Wichtig ist jetzt erst mal der Rest der Qualifikation (16 Spiele) und Uwe Krupp ist kurzfristig die bestmögliche Lösung: Endlich ein Cheftrainer, der von aussen kommt und ohne Rücksicht auf Freundschaften seine Vorstellungen umsetzen kann. Deshalb ist Uwe Krupp in jedem Fall die bessere Lösung als ein arbeitsloser Coach aus der Liga (Hedlund, Cadieux, Dubé). Die nächste sportliche Krise wird so oder so nicht zu vermeiden sein. Aber ein Krisenspektakel wird mit ihm im Quadrat unterhaltsamer sein als mit Luca Gianinazzi. Eine «Opera buffa» («komische Oper») hat ja den Zweck, das Publikum zu unterhalten.
Das Lugano der letzten zehn Jahre war, ist und bleibt eine «Opera buffa». Die Verpflichtung von Uwe Krupp ist immerhin ein Zeichen für eine Rückkehr in die Wirklichkeit des Spitzenhockeys und ein Bekenntnis zum «Grande Lugano». Wenn schon die Resultate Lugano nicht mehr «grande» machen können, so ist wenigstens der Name des Trainers «grande». Ein krachendes Scheitern eines Hockey-Weltstars wie Uwe Krupp würde im Falle eines Falles viel besser zur wahren Identität eines «Grande Lugano» passen als die monatelangen stillen Leiden eines Luca Gianinazzi.
Welches Eishockey dürfen wir erwarten? In den letzten Monaten mahnte das Spielsystem an ein Schnittmuster aus der legendären Modezeitschrift «Meyers Modeblatt». Für einen des Strickens und Nähens unkundigen Betrachter chaotisch und für die Spieler wahrscheinlich auch. Uwe Krupp gilt als defensiver Schablonist. Schluss also mit spielerischen Schneckentänzen und eine Rückkehr zum einfachen, soliden, unspektakulären defensiven Handwerk. Zur Stabilisierung einer taktisch völlig verwahrlosten Mannschaft perfekt.
PS: Luganos letzter Meistertrainer Harold Kreis (heute Deutscher Nationaltrainer) hat auch einen deutschen Pass.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Der Mann wurde gefragt, hat es gemacht, hat nicht so funktioniert aber er hatte den Mut dazu. Kein Grund ihn herunterzumachen. Wir werden sehen was dagegen der Krupp im Tessin zustande kriegt.