Sport
Eismeister Zaugg

Die Schweiz reist mit einer «Pausenplatz-Nati» an die Eishockey-WM

Bald gilt's ernst: Natitrainer Fischer gibt Anweisungen.
Bald gilt's ernst: Natitrainer Fischer gibt Anweisungen.
Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

Kommt das gut? Die Schweiz reist mit einer «Pausenplatz-Nati» an die WM in Moskau

Nationaltrainer Patrick Fischer (40) hat seine WM-Equipe nominiert. Auch ohne Lichtgestalt Roman Josi, der noch in den NHL-Playoffs engagiert ist, werden die Lichter nicht ausgehen.
02.05.2016, 11:0002.05.2016, 11:31
Mehr «Sport»

«Pausenplatz-Nati»? Das mag auf den ersten Blick despektierlich klingen. Ist es aber nicht. Vielmehr erklärt dieser Begriff die Stärken und die Schwächen dieser Schweizer Mannschaft recht gut.

Wir haben zuletzt gegen Lettland im positiven Sinne «Pausenplatz- Schweizer» gesehen: Spieler, die mit Freude, Leidenschaft und Feuereifer bei der Sache sind und oft mehr spontan als organisiert spielen – eben wie auf dem Pausenplatz. Der negative «Pausenplatz-Effekt» zeigte sich in einer gewissen Unordnung, fehlender Konstanz und zu vielen Undiszipliniertheiten im taktischen Bereich und im Zweikampfverhalten.

Auf Goalie Berra wird in Moskau Verlass sein.
Auf Goalie Berra wird in Moskau Verlass sein.
Bild: KEYSTONE

Der Formaufbau stimmt

Die Leistungen in den beiden Lettland-Spielen (2:1 n.V. und 4:3) machen also durchaus Hoffnung auf eine WM-Viertelfinal-Qualifikation, auf das Erreichen des Minimalziels. Zumal die Besetzung auf der Torhüterposition erstklassig ist: Sowohl Robert Mayer als auch Reto Berra hexen auf internationalem Niveau. Die WM-Absage von Leonardo Genoni spielt keine Rolle.

Der Formaufbau des gesamten Teams passt: In den bisherigen sieben Vorbereitungsspielen war auf einen Sieg immer eine Niederlage gefolgt. Nun haben die Schweizer zuletzt gegen Lettland erstmals zweimal hintereinander gewonnen – gegen einen Gegner, den wir bei der WM in Moskau im vierten Spiel wiedersehen werden.

Die Schweizer feiern den Siegestreffer gegen Lettland.
Die Schweizer feiern den Siegestreffer gegen Lettland.
Bild: KEYSTONE

«Swissness» ist angesagt

Grundsätzlich hat sich gegenüber den letzten Jahren nur sehr wenig verändert. Die Ausrufung von «Swissness», diese Besinnung auf die Werte der helvetischen Hockeykultur als Programm und der Berufung der einheimischen Troika Patrick Fischer, Felix Hollenstein und Reto von Arx nach 19 Jahren ausländischer Führung des Nationalteams hatte noch kaum Wirkung auf das Spielervolk.

Wie alle Jahre gibt es auch jetzt Spieler, die nicht zur WM fahren wollen oder können. Diesmal sind es unter anderem Mark Streit, Sven Bärtschi, Tobias Stephan, Jonas Hiller, Philippe Furrer, Kevin Romy, Leonardo Genoni, Severin Blindenbacher und Martin Plüss, der nicht von seinem bereits vor der Saison verkündeten Nati-Rücktritt zurücktreten mochte. So war es unter Sean Simpson und unter Glen Hanlon und so bleibt es unter Nationaltrainer Patrick Fischer und so wird es dereinst auch unter seinen Nachfolgern sein.

Keinerlei Polemik während der Kaderfindung

Es gibt auch keine Entdeckungen aus den Nationalmannschaftsterminen während der Saison, keine neue taktische Ausrichtung wie damals unter Ralph Krueger und auch keine Abschaffung der Taktik wie zuletzt unter Glen Hanlon. Echte Überraschungen bei der Nomination des WM-Teams sind ausgeblieben. Wenn die Fans das WM-Team per Internet hätten zusammenstellen können, dann wäre ungefähr die aktuelle WM-Mannschaft herausgekommen. Der Verzicht auf Kultverteidiger Mathias Seger (38) ist dem Alter und dem Leistungsabbau geschuldet und hat nicht einmal für Rascheln im Medienwald gesorgt. Die frühe Nichtnomination von Timo Helbling und dem WM-Silberhelden Simon Bodenmann ist im Trubel der SCB-Meisterfeier untergegangen.

Es hat im Laufe der Kaderfindung keinerlei Polemik gegeben. Patrick Fischer hat die Konfrontation nicht gesucht, alles ist bisher hockeypolitisch korrekt gelaufen. Die Revolution findet nicht statt. Höchstens eine sanfte Evolution. Sportlich ist daher «Swissness» nur Schall und Rauch. Oder positiv formuliert: Patrick Fischer beherrscht die Kunst des Machbaren. Er ist kein Selbstdarsteller, der um der Revolution willen eine Revolution anzettelt, wo gar keine Revolution notwendig ist.

Nicht mehr dabei: Der langjährige Captain Seger.
Nicht mehr dabei: Der langjährige Captain Seger.
Bild: Darko Bandic/AP/KEYSTONE

Ruhe erleichtert die Konzentration

Was bedeutet das alles für die WM? Die Lichtgestalt Roman Josi fehlt zum WM-Auftakt, der beste Schweizer Spieler spielt vorerst die NHL-Playoffs. Aber deshalb müssen die Lichter nicht ausgehen – diese Mannschaft ist auch ohne Roman Josi bei Weitem gut genug für die Viertelfinals.

Sie hat viel silbrigen Glanz. Zehn Silberhelden von 2013 sind wieder dabei. Zudem war ja Patrick Fischer 2013 neben Colin Muller der zweite Assistent von Sean Simpson. Die Normalität auf allen Ebenen, die Banalität des «Swissness-Programms» – es ist halt nur eine Marketing-Idee – kann auch ein Vorteil sein. Diese verhältnismässige Ruhe rund um die Nationalmannschaft erleichtert die Konzentration auf das Wesentliche.

Josi ist noch in den NHL-Playoffs engagiert, liegt mit Nashville gegen San Jose 0:2 zurück.
Josi ist noch in den NHL-Playoffs engagiert, liegt mit Nashville gegen San Jose 0:2 zurück.
Bild: ap

Es wäre Fischers Scheitern – aber auch Fischers Triumph

Diese Normalität bedeutet aber auch: Die sportliche Gestaltungskraft des Nationaltrainers ist gross und wohlfeile Ausreden gibt es keine. Eine Besonderheit des Spielplans will es, dass wir in den fünf ersten WM-Tagen nacheinander gegen die vier Gegner antreten, die wir für eine Viertelfinalqualifikation hinter uns lassen müssen: Kasachstan (Samstag), Norwegen (Sonntag), Dänemark (Dienstag) und Lettland (Mittwoch). Es sind Mannschaften, die nominell schwächer oder knapp auf Augenhöhe mit uns stehen. Da werden die Taktik und schlaues Coaching wichtig sein.

Von Patrick Fischer darf erwartet werden, dass er in diesen vier ersten WM-Partien an der Bande hin und wieder für die Differenz sorgt. Oder noch anders gesagt: Das Verpassen der Viertelfinals wird sein Scheitern sein. Das Erreichen der Viertelfinals aber auch sein Triumph. Und es war ja wirklich an der Zeit, dass endlich wieder ein Schweizer diese Verantwortung übernommen hat.

Packt Fischer ein Motivations-Trickli im Stile von Christoph Daum aus? Eisbaden in Russland

1 / 7
Eisbaden in Russland
Eisbaden hat in Russland Tradition.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Unvergessene Eishockey-Geschichten

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Almos Talented
02.05.2016 14:45registriert Oktober 2015
Ich frag mich, wann wird sich die iihf endlich mit der NHL arrangieren um eine richtige WM durchzuführen?
Eine die nur alle 2-4 jahre stattfindet und die auch in nordamerika geschaut wird.

Der von der NHL organisierte World Cup of Hockey ist allerdings das dämlichste, was ich in meiner Lebenszeit gesehen habe 😂
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
sisco
02.05.2016 13:10registriert März 2015
...es kommt, wie es kommen muss... :)
egal was passiert, Schlüsse ziehen und Erfahrungen
sammeln, bestätigt werden oder nicht, reflektieren und
weiterentwickeln, usw.

Es braucht doch einfach mal einen Anfang um darauf aufzubauen!

von daher:
BONNE CHANCE
VIEL GLÜCK
IN BOCCA AL LUPO
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
BeatBox
02.05.2016 11:56registriert Januar 2014
Ich bin ein wenig skeptisch, ob man wirklich die in den Playoffs früher ausgeschiedenen Spieler in der Auswahl (ganze Vorbereitung mitgemacht) bevorzugen sollte und die erfolgreichen Zuhause lassen (Untersander, Scherwey, Rüfenacht, Bodenmann).
00
Melden
Zum Kommentar
28
Krach in der Ski-Welt: FIS-Präsident Eliasch macht Stars happige Vorwürfe
In zwei Brandbriefen gehen Ski-Stars wie Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin den Weltverband FIS und Präsident Johan Eliasch an. Dieser kontert nun – mit deutlichen Vorwürfen an die Athleten.

Im heftigen Streit um einen möglichen Investoreneinstieg hat Ski-Weltverbandschef Johan Eliasch den Athleten vorgeworfen, sich sportpolitisch instrumentalisieren zu lassen. Nach zwei veröffentlichten Protestschreiben der Fahrerinnen und Fahrer sagte Eliasch: «Ich glaube nicht, dass diese Briefe von Athleten geschrieben wurden, sondern von jemand anderem, dessen Interessen nicht ihren Interessen oder jenen der FIS entsprechen.» Der Funktionär meinte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: «Diese Briefe sind einfach nicht ernstzunehmen.»

Zur Story