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«Pausenplatz-Nati»? Das mag auf den ersten Blick despektierlich klingen. Ist es aber nicht. Vielmehr erklärt dieser Begriff die Stärken und die Schwächen dieser Schweizer Mannschaft recht gut.
Wir haben zuletzt gegen Lettland im positiven Sinne «Pausenplatz- Schweizer» gesehen: Spieler, die mit Freude, Leidenschaft und Feuereifer bei der Sache sind und oft mehr spontan als organisiert spielen – eben wie auf dem Pausenplatz. Der negative «Pausenplatz-Effekt» zeigte sich in einer gewissen Unordnung, fehlender Konstanz und zu vielen Undiszipliniertheiten im taktischen Bereich und im Zweikampfverhalten.
Die Leistungen in den beiden Lettland-Spielen (2:1 n.V. und 4:3) machen also durchaus Hoffnung auf eine WM-Viertelfinal-Qualifikation, auf das Erreichen des Minimalziels. Zumal die Besetzung auf der Torhüterposition erstklassig ist: Sowohl Robert Mayer als auch Reto Berra hexen auf internationalem Niveau. Die WM-Absage von Leonardo Genoni spielt keine Rolle.
Der Formaufbau des gesamten Teams passt: In den bisherigen sieben Vorbereitungsspielen war auf einen Sieg immer eine Niederlage gefolgt. Nun haben die Schweizer zuletzt gegen Lettland erstmals zweimal hintereinander gewonnen – gegen einen Gegner, den wir bei der WM in Moskau im vierten Spiel wiedersehen werden.
Grundsätzlich hat sich gegenüber den letzten Jahren nur sehr wenig verändert. Die Ausrufung von «Swissness», diese Besinnung auf die Werte der helvetischen Hockeykultur als Programm und der Berufung der einheimischen Troika Patrick Fischer, Felix Hollenstein und Reto von Arx nach 19 Jahren ausländischer Führung des Nationalteams hatte noch kaum Wirkung auf das Spielervolk.
Wie alle Jahre gibt es auch jetzt Spieler, die nicht zur WM fahren wollen oder können. Diesmal sind es unter anderem Mark Streit, Sven Bärtschi, Tobias Stephan, Jonas Hiller, Philippe Furrer, Kevin Romy, Leonardo Genoni, Severin Blindenbacher und Martin Plüss, der nicht von seinem bereits vor der Saison verkündeten Nati-Rücktritt zurücktreten mochte. So war es unter Sean Simpson und unter Glen Hanlon und so bleibt es unter Nationaltrainer Patrick Fischer und so wird es dereinst auch unter seinen Nachfolgern sein.
Es gibt auch keine Entdeckungen aus den Nationalmannschaftsterminen während der Saison, keine neue taktische Ausrichtung wie damals unter Ralph Krueger und auch keine Abschaffung der Taktik wie zuletzt unter Glen Hanlon. Echte Überraschungen bei der Nomination des WM-Teams sind ausgeblieben. Wenn die Fans das WM-Team per Internet hätten zusammenstellen können, dann wäre ungefähr die aktuelle WM-Mannschaft herausgekommen. Der Verzicht auf Kultverteidiger Mathias Seger (38) ist dem Alter und dem Leistungsabbau geschuldet und hat nicht einmal für Rascheln im Medienwald gesorgt. Die frühe Nichtnomination von Timo Helbling und dem WM-Silberhelden Simon Bodenmann ist im Trubel der SCB-Meisterfeier untergegangen.
Es hat im Laufe der Kaderfindung keinerlei Polemik gegeben. Patrick Fischer hat die Konfrontation nicht gesucht, alles ist bisher hockeypolitisch korrekt gelaufen. Die Revolution findet nicht statt. Höchstens eine sanfte Evolution. Sportlich ist daher «Swissness» nur Schall und Rauch. Oder positiv formuliert: Patrick Fischer beherrscht die Kunst des Machbaren. Er ist kein Selbstdarsteller, der um der Revolution willen eine Revolution anzettelt, wo gar keine Revolution notwendig ist.
Was bedeutet das alles für die WM? Die Lichtgestalt Roman Josi fehlt zum WM-Auftakt, der beste Schweizer Spieler spielt vorerst die NHL-Playoffs. Aber deshalb müssen die Lichter nicht ausgehen – diese Mannschaft ist auch ohne Roman Josi bei Weitem gut genug für die Viertelfinals.
Sie hat viel silbrigen Glanz. Zehn Silberhelden von 2013 sind wieder dabei. Zudem war ja Patrick Fischer 2013 neben Colin Muller der zweite Assistent von Sean Simpson. Die Normalität auf allen Ebenen, die Banalität des «Swissness-Programms» – es ist halt nur eine Marketing-Idee – kann auch ein Vorteil sein. Diese verhältnismässige Ruhe rund um die Nationalmannschaft erleichtert die Konzentration auf das Wesentliche.
Diese Normalität bedeutet aber auch: Die sportliche Gestaltungskraft des Nationaltrainers ist gross und wohlfeile Ausreden gibt es keine. Eine Besonderheit des Spielplans will es, dass wir in den fünf ersten WM-Tagen nacheinander gegen die vier Gegner antreten, die wir für eine Viertelfinalqualifikation hinter uns lassen müssen: Kasachstan (Samstag), Norwegen (Sonntag), Dänemark (Dienstag) und Lettland (Mittwoch). Es sind Mannschaften, die nominell schwächer oder knapp auf Augenhöhe mit uns stehen. Da werden die Taktik und schlaues Coaching wichtig sein.
Von Patrick Fischer darf erwartet werden, dass er in diesen vier ersten WM-Partien an der Bande hin und wieder für die Differenz sorgt. Oder noch anders gesagt: Das Verpassen der Viertelfinals wird sein Scheitern sein. Das Erreichen der Viertelfinals aber auch sein Triumph. Und es war ja wirklich an der Zeit, dass endlich wieder ein Schweizer diese Verantwortung übernommen hat.