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Es gibt viele gute Gründe für Finnlands mühseligen WM-Start, die nichts mit dem Coach zu tun haben. Vom letztjährigen Finalteam (0:2 gegen Kanada verloren) sind nur noch neun Spieler dabei und aus der NHL kamen mehr Absagen als Zusagen (5). Im Team stehen sieben WM-Neulinge, darunter die Torhüter Nummer 1 und 2.
Aber der Zorn der Medien richtet sich in erster Linie gegen Kari Jalonens Nachfolger Lauri Marjamäki (39). TV-Kultkommentator Juhani Tamminen bringt es rücksichtslos auf den Punkt: «Keine Leader an der Bande, keine Leader in der Kabine, keine Leader auf dem Eis.» Und untermalt seine Ausführungen mit ein paar Kraftwörtern. Die Statistik ist auf seiner Seite. Kari Jalonen holte pro Spiel 1,40 Punkte. Lauri Marjamäki bis zur WM 0,80.
SCB-General Marc Lüthi hat viel Einfluss im nationalen Hockey. Dass er auch das Welteishockey mitgestaltet und sein Einfluss bis Paris reicht, ist hingegen recht ungewöhnlich und neu. Aber er ist einer der Verursacher der finnischen Hockey-Depression von Paris 2017.
Weil er Finnlands Nationaltrainer Kari Jalonen nach Bern geholt hat. Marc Lüthi machte das Angebot, das der grosse finnische Bandengeneral einfach nicht ausschlagen konnte. Nur deshalb ist Lauri Markamäki jetzt finnischer neuer Nationaltrainer.
Das Wappentier des finnischen Eishockeys ist der Löwe. Da ist der böse Spruch «Löwen, geführt von Eseln» in Paris nicht weit. Einst kreiert, um die bitteren Niederlagen der tapferen österreichischen Krieger in den Zeiten Napoléons zu erklären und in der Neuzeit von boshaften Chronisten übernommen, um tüchtige Coaches zu schmähen. Aber ist Lauri Marjamäki tatsächlich Finnlands Esel von Paris?
Er gilt als moderner Trainer. Gespielt hat er nie. Seit dem 17 Lebensjahr ist er Coach. Über Eishockey weiss er alles und mahnt ein wenig an Ueli Schwarz. Er tobt nicht wie Hannu Jortikka und ist weniger autoritär als Kari Jalonen. Der Pragmatiker hört zu und überzeugt mit Argumenten, nicht durch Befehlston.
Und er sieht ein bisschen aus wie ein Zwillingsbruder des britischen Popstars Rick Astley. Einer seiner Hits passt wunderbar zur Situation der Finnen: «Cry For Help». Und er sang, als sei es auf Lauri Marjamäki in Paris gemünzt:
Nun ist er also als Nationaltrainer auf der Suche nach Sinn und Erfolg. Als Klubtrainer war er erfolgreich, gewann 2014 und 2015 die nationale Meisterschaft und war 2015 Coach des Jahres. Aber als Nationaltrainer ist Lauri Marjamäki ohne Fortune. Leise in der Art und schwach in der Tat. Beim World Cup im letzten Herbst verlor er alle drei Spiele, die Finnen erzielten nur ein einziges Tor.
Wie kann das sein? Als Klubtrainer konnte sich Lauri Marjamäki auf eine Gruppe Spieler verlassen, die er wie eine Prätorianer-Garde um sich scharte und die für ihn das Team führten. Diese Vertrauten hat er im Nationalteam nicht mehr. Er ist umso einsamer, weil Kari Jalonen auch seinen charismatischen Assistenten Ville Peltonen nach Bern mitgenommen und damit die finnische Nationalmannschaft führungslos zurückgelassen hat.
Und so ist diese WM bisher für die Finnen gelaufen, als habe Ari Kaurismäki, der melancholische finnische Kult-Filmregisseur das Drehbuch geschrieben. Er dreht verstörend-komische Filme über finnische Verlierer-Schicksale. Ein mühseliges 3:2 gegen Weissrussland, 3:4 nach Penaltys (nach 3:0 Führung) gegen Tschechien, 1:5 gegen Frankreich (die erste WM-Niederlage der Geschichte gegen diesen Gegner), wenigstens ein 6:2 gegen Slowenien und am Samstag kam es erstmals seit 2008 zu einem Punktverlust gegen Norwegen.
Die Finnen kassierten 29 Sekunden vor Schluss das 2:2 und gewannen erst in der Verlängerung 3:2. Der Assist zum Siegestreffer kam vom künftigen SCB-Star Mika Pyörälä.
Der so typische dynamische finnische Hockey-Stil («Crash! Boom! Bang!») ist verloren gegangen. Die Finnen zelebrierten bisher ein seltsam kraftloses, seelenloses, ja langsames Hockeyschach. Eine Niederlage gegen die Schweiz kann am Sonntag die Viertelfinals kosten (20.15 Uhr, Liveticker).
Letztmals klassierte sich Finnland 1955 (9.) nicht unter den ersten Acht. Und bei Titelturnieren sind in der Neuzeit nur zwei Partien gegen die Schweiz verloren gegangen. 1972 in Prag (2:3) und 1988 das Startspiel zum olympischen Turnier von Calgary (1:2).
Juhani Tamminen, l'ancien coach de l'équipe de Suisse avec une veste qui en jette. @IIHFHockey pic.twitter.com/2uQYprjaW2
— Serge Henneberg (@SergeHenneberg) 7. Mai 2017
Verlieren gegen die Schweiz? Durchaus möglich. Ja, nach dem Sieg über Kanada sind die Schweizer gar «gefühlte Favoriten.» Das dynamische Vorwärtsspiel der Schweizer behagt den verunsicherten Finnen ganz und gar nicht.
Juhani Tamminen war einst unser Nationaltrainer (1992 nach dem olympischen Turnier gefeuert) und glaubt die helvetische Mentalität zu kennen und traut den Schweizern immer noch nicht über den Weg und sieht eine Siegeschance von 60:40. «Wenn es wirklich drauf ankommt, haben die Schweizer die Hosen voll.» Das sagte er allerdings am Nachmittag vor unserem Sieg gegen Kanada.
Was der charismatische TV-Experte vergisst: die Mentalität hat sich seit seiner Zeit an unseren Banden ein wenig geändert. Die heutige helvetische Mentalität kennt er nur noch vom Golfplatz. Als er mit Sierre in die NLA aufstieg (es war der letzte Aufstieg für den Klub) bekam er eine lebenslängliche Mitgliedschaft im noblen Golfclub Crans-sur-Sierre. Dort verbringt er seither jedes Jahr mindestens zwei Wochen Golfferien.