Verloren – na und? Die tapferen Langnauer haben gestern mit Damiano Ciaccio im Tor beim EV Zug dramatisch und knapp verloren (2:3). Aber es spielt keine Rolle. Sie sind inzwischen nämlich so gut, dass sie trotzdem aus eigener Kraft eines der grossen Sportwunder des Jahres 2018 schaffen können. Die Playoffs.
Die Ausgangslage ist einfach: Gewinnen die SCL Tigers nach der olympischen Pause mit drei Punkten daheim gegen Servette und die beiden letzten Spiele gegen Kloten, dann sind sie auf jeden Fall, was auch immer kommen mag, zum zweiten Mal nach 2011 in den Playoffs. Noch drei Siege bis «Buffalo». Vielleicht reichen sogar zwei.
Eigentlich müssten die Emmentaler nach den gängigen Lehren des Hockeys Schlusslicht sein. Gestern stand in Zug kein Feldspieler im Einsatz, der bei der Konkurrenz einen Platz in den ersten zwei Formationen hätte. Es ist das extremste «Brockenstuben-Team» der Neuzeit und kostet mit weniger als sechs Millionen Lohnsumme etwa halb so viel wie Zug. Captain Pascal Berger ist mit 280'000 Franken brutto der teuerste Spieler
Nationaltrainer Patrick Fischer hat diese Saison von allen Klubs Spieler aufgeboten – ausser von Langnau. Schlusslicht Kloten hat mit Denis Hollenstein und Vincent Praplan gar zwei olympische Helden. Die zwei einzigen Stürmer oder Verteidiger mit Schweizer Pass, die an einem guten Abend in einem bedeutungslosen Spiel bei der Konkurrenz in der zweiten Linie eingesetzt würden, verlassen Langnau. Verteidiger Miro Zryd und Stürmer Yannick-Lennart Albrecht wechseln zum EV Zug.
Die SCL Tigers stehen als Beispiel, wie viel ein guter Trainer und gute Torhüter ausmachen. Nach dem Abstieg der Rapperswil-Jona Lakers im Frühjahr 2015 beauftragte Ivars Punnenovs seinen Agenten Sandro Bertaggia, einen Platz in einem NLA-Team zu suchen. «Es war mir egal wo. Aber in der NLA musste es sein.» So einfach ist Langnaus Sportchef Jörg Reber für weniger als 200'000 Franken zu seiner Rolex vom Transferwühltisch gekommen.
Der Lette mit Schweizer Lizenz dürfte inzwischen der meistunterschätzte und meistunterbezahlte Spieler der Liga sein. Er hat im Schnitt weniger Gegentreffer zugelassen als Jonas Hiller, Elvis Merzlikins, Luca Boltshauser und beide HCD-Goalies. Zuletzt hat er Langnau die Siege gegen Gottéron (2:1) und Davos (2:1) ermöglicht und sich als Nummer 1 durchgesetzt.
Aber Aufstiegsgoalie Damiano Ciaccio ist so gut, dass auch er Triumphe herauszuhexen vermag. Zuletzt in Lausanne (1:0 n. P.), in Ambri (3:2) und gegen Lugano (4:0). Brockenstuben-Feldspieler, aber zwei Premium-Torhüter: das ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Überraschungsmannschaft der Saison.
Ein Faktor ist Damiano Ciacco (28) auf dem Transfermarkt nicht mehr. Ivars Punnenovs (23) hingegen schon. Ende der nächsten Saison laufen in Langnau die Verträge beider Torhüter aus und schon jetzt ist klar: Sollte Leonardo Genoni im Frühjahr 2019 in Bern nicht verlängern, Elvis Merzlikins in die NHL wechseln oder Arno Del Curto sein Experiment mit Gilles Senn und Joren van Pottelbergeh beenden – dann schlägt Ivars Punnenovs' grosse Stunde.
Das heisseste Gerücht ist aber sein Wechsel 2019 zum EV Zug. Dort läuft 2019 der Vertrag von Tobias Stephan (34) aus. Zugs Sportchef Reto Kläy sagt sibyllinisch: «Einmal kommt die Zeit der Wachablösung und man muss sich frühzeitig Gedanken machen ...» Bei einer günstigen Konstellation wird Ivars Punnenovs sein Salär verfünffachen können.
Von solchen Spekulationen hält er gar nichts. 2019 zu einem der Titanen der Liga? Er sagt: «Das wäre noch zu früh. Ich muss noch besser werden.» Er schätzt es, dass er in Langnau täglich intensiv mit Torhütertrainer Dusan Sidor arbeiten darf.
Der Slowake hat den lettischen Nationalgoalie zu einem modernen Butterfly-Stilisten geformt. Mit Tobias Stephan und Ivars Punnenovs hätten die Zuger also dann einen etwas altmodischen und einen neumodischen Butterfly-Goalie.