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Der Sieg in Davos (4:3) hat für den SCB ein Nachspiel. Gegen Timo Helbling, Tristan Scherwey und Justin Krueger sind Verfahren eröffnet worden.
Der interessanteste Fall ist jener von Timo Helbling. Er ist beim Einlaufen mit HCD-Stürmer Alexandre Piccard aneinandergeraten. Prügeln VOR dem Spiel ist bei uns selten. Wir haben eigentlich noch keine Kultur der «Pre-game-brawls». Der letzte Fall liegt mehr als 30 Jahre zurück.
Am 13. Februar 1982 zetteln die Copains von Fribourg-Gottéron eine bis auf den heutigen Tag einzigartige Schlägerei an. Und zwar schon VOR dem Anpfiff. Während des Warmlaufens knöpft sich Gottérons kanadisches Raubein Jeff Bandura, wie vorher angekündigt, HCD-Verteidiger This Fergg vor. Fergg hatte ihn drei Wochen vorher mit dem Stock am Auge verletzt. Fribourgs Spieler bilden einen Ring um die Streithähne damit Fergg niemand zu Hilfe eilen kann und der Davoser wird spitalreif geprügelt.
Mit Schürfungen, Prellungen und Schwindelanfällen muss er zur Kontrolle ins Spital gebracht werden. Schliesslich gelingt es, die Streithähne in die Garderoben zurückzuschicken. Die Schiedsrichter verhängen schon VOR dem Spiel gegen Jeff Bandura eine Matchstrafe. Doch die pfiffigen Gottéron-Generäle ändern hurtig das Matchblatt ab und tragen für Bandura den vorher verletzt gemeldeten Kanadier Jean Gagnon auf der Ausländerposition ein. Dagegen erhebt Davos sogleich Protest und weigert sich, zum Spiel anzutreten.
Schliesslich müssten 4500 Fans nach Hause geschickt werden. Das Resultat dieser wilden Schlägerei: This Fergg benommen im Spital, Gottéron verliert die Partie, die nie stattgefunden hat, mit 0:5, muss tausend Franken Busse bezahlen, Jeff Bandura wird bis Saisonende gesperrt und fristlos gefeuert und Coach Gaston Pelletier bekommt von der Liga einen allerstrengsten Verweis.
So schlimm war es am Samstag in Davos bei weitem nicht. HCD-Stürmer Alexandre Piccard löst einen «Grenzzwischenfall» aus: er dringt verbotenerweise beim Einlaufen über die rote Mittellinie in die SCB-Platzhälfte ein und wird von SCB-Verteidiger Timo Helbling zur Rechenschaft gezogen. Aber eine echte Prügelei wie damals in Fribourg wird daraus nicht und keiner lässt die Handschuhe fallen.
Am ehesten ähnelt die Szene jenen «Zurechtweisungen», die es immer wieder vor dem Tor gibt, wenn gegnerische Stürmer den Goalie zu arg bedrängen. Wäre der Zwischenfall im Laufe des Spiels unter der Hoheit der Schiedsrichter passiert, wäre Timo Helbling möglicherweise mit zwei Zweiminutenstrafen davongekommen – oder er hätte eine Fünfminutenstrafe kassiert. Die Schiedsrichter haben den Vorfall nicht gesehen. Sie bereiteten sich zu diesem Zeitpunkt in der Kabine aufs Spiel vor. Sie können vor Spielbeginn sowieso keine Strafen aussprechen.
Das Reglement erlaubt jedoch eine Bestrafung dieser Aktion durch den Einzelrichter, sagt aber nicht, wie die Strafe auszusehen hat. Da der letzte Zwischenfall mehr als 30 Jahre zurückliegt und in Zeiten passierte, als es die Playoffs noch nicht gab (der eingangs geschilderte «Fall Fribourg»), kann sich Einzelrichter Reto Steinmann auch nicht auf die bisherige Rechtsprechung stützen. Er muss sozusagen nach freiem Ermessen urteilen.
Dabei gibt es zwei Betrachtungsweisen. Einerseits nach dem Motto «wehret den Anfängen». Um solche Provokationen gar nicht erst einreissen zu lassen, wäre ein hartes Urteil vor allem gegen den Provokateur (Alexandre Picard) das richtige Zeichen. Hat es doch auch in der Serie Servette gegen Lugano beim Einlaufen schon geknistert und geköchelt. Andererseits ist Gnade in Zeiten der Playoffs in solchen Fällen ein Zeichen von juristischer Weisheit. Sperren haben einen direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Mannschaft. Es ist ein hartes Urteil, einen der wichtigsten Einzelspieler eines Teams (in diesem Falle Timo Helbling) für ein Finalspiel «aus dem Verkehr zu ziehen».
Eine Busse gegen Timo Helbling wäre wohl ein salomonisches Urteil. Ein salomonisches Urteil gilt als ein ganz besonders weises Urteil und geht auf König Salomons Rechtsprechung zurück. Im Buch der Bücher heisst es dazu: «Ganz Israel hörte von dem Urteil, das der König gefällt hatte, und sie schauten mit Ehrfurcht zu ihm auf; denn sie erkannten, dass die Weisheit Gottes in ihm war, wenn er Recht sprach.»
Reto Steinmann hat noch in zwei weiteren Fällen Recht zu sprechen. Die Angeklagten sind von den Schiedsrichtern im Spiel nicht bestraft worden. Es geht um den Zusammenprall von SCB-Stürmer Tristan Scherwey mit HCD-Verteidiger Fabian Heldner und den Check zwischen SCB-Verteidiger Justin Krueger und HCD-Stürmer Marcus Paulsson.
Wenn wir die TV-Bilder betrachten, dann ist für den Laien im «Fall Scherwey» eigentlich keine Regelwidrigkeit zu erkennen korrekt und Salomon würde ihn freisprechen. Schwieriger ist der «Fall Krueger». Justin Krueger trifft Marcus Paulsson mit der Schulter am Kopf. Checks gegen den Kopf können Sperren nach sich ziehen – und zwar sagt das Reglement ausdrücklich, dass ein Check gegen den Kopf auch dann strafbar ist, wenn er – wie in diesem Fall – wohl eher zufälligerweise erfolgt.
Der Einzelrichter hat in allen drei Fällen ordentliche Verfahren eröffnet. Will heissen: beide Parteien können eine Stellungnahme abgeben. Das Urteil wird am Dienstagnachmittag oder im Laufe des Mittwochs erwartet. SCB-Sportchef Alex Chatelain hat in allen drei Fällen auf Freispruch plädiert. Wenn er damit durchkommt, dann hat er so weise argumentiert wie König Salomon. Der SCB kann ungeschoren davonkommen, muss aber im schlechtesten Fall bei Timo Helbling und Justin Krueger mit einer Sperre von einem oder zwei Spielen rechnen.