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Ein Tag, viel zu schön, um an Eishockey oder gar an eine Eishockeykrise zu denken. Aber es ist, wie es ist. Die SCL Tigers haben am Dienstagabend gegen Vitkovice die sechste Niederlage im sechsten Vorbereitungsspiel in Serie kassiert. Der schlimmste Hockey-August der Neuzeit. Ausgerechnet jetzt, nach dem besten Saisonabonnement-Verkauf aller Zeiten. Gut 4600 sind verkauft worden. Die Erwartungen sind hoch.
Sechs Vorbereitungsspiele. Sechs Pleiten. Gegen Rouen (2:3), ZSKA-Moskau (0:1), Nitra (2:3 n.V.), Biel (0:2), Bern (0:2) und nun Vitkovice (3:4). Sportchef Jörg Reber gibt sich trotzig-gelassen. «Mit dem Auftritt der Mannschaft in einigen Spielen bin ich zufrieden, Aber mit den Resultaten natürlich nicht.» Und sagt, was er sagen muss: «Wir wissen schon, wann es dann wirklich zählt. Ich bin nicht beunruhigt.»
Sein Trainer Heinz Ehlers ist nicht ganz so diplomatisch. Aber es ist offensichtlich, dass er nicht offen ausbreitet, was ihn bewegt. «Hagel-Heinz» sagt lediglich: «Ich mache mir Sorgen. Sechs Niederlagen in einer Saisonvorbereitung habe ich noch nie erlebt.»
Er mahnt kurz nach der schlimmen Vorstellung gegen Vitkovice im Kabinengang im Ilfis-Tempel an einen Emmentaler Bauern, der sieht, wie draussen ein Hagelsturm die ersten Bäume entwurzelt, aber den schwerhörigen Grossvater auf dem Ofenbänkli beruhigt: «Nein, nein, kein Problem. Es kommt nur ein bisschen Wind auf.»
Es «wärchet» in Heinz Ehlers nach dieser sechsten Pleite. Er möchte eigentlich dem Chronisten offenbaren, was er denkt. Aber er nimmt sich zusammen und analysiert sachlich: «Wir haben eine bessere Mannschaft als vor einem Jahr und das System ist das gleiche wie letzte Saison. Aber wir machen unglaublich viele Fehler.» Er habe keine Erklärung. Das Sommertraining sei gut gewesen. Die Spieler seien fit und in besserer physischer Verfassung als im letzten Herbst. Eine Reaktion in den zwei verbleibenden Vorbereitungspartien gegen Kloten und Düsseldorf sei nun unbedingt nötig. «Sonst verlieren wir unser Selbstvertrauen.»
Noch gibt es keinen Grund zur Panik. Bis zum Saisonstart gegen die ZSC Lions am 8. September bleiben mehr als zwei Wochen Zeit. Aber ein Team wie Langnau muss sofort punkten und im Herbst das Fundament für eine Playoff-Qualifikation legen. Sonst wird es eine bittere, lange Saison ohne Hoffnung. Und die ausländischen Spieler haben in einem Team wie Langnau, anders als in einer Spitzenmannschaft, nicht wochenlang Zeit, um sich in Form zu bringen. Sie werden von der ersten Minute an in guter Form gebraucht.
Zurzeit sind die SCL Tigers in einer schlimmeren Verfassung als vor einem Jahr unter Scott Beattie. Der kanadische Coach ist im letzten Herbst nach den ersten zehn Qualifikationsspielen (neun Niederlagen) gefeuert und durch Heinz Ehlers ersetzt worden.
Es gibt ein Problem, das Heinz Ehlers trotz allerhöchstem Ansehen im Emmental und Vertrag bis 2019 den Job kosten kann. Die miserable Form seiner ausländischen Prätorianer-Garde mit Eero Elo, Ville Koistinen (bisher), Antti Erkinjuntti und Aaron Gagnon (neu). Die vier Ausländer müssen das Team führen, prägen und tragen und ihre helvetischen Teamkameraden mitreissen.
Heinz Ehlers mag keine Einzelkritik machen. Er begnügt sich mit einer launigen Bemerkung, gedacht als Scherz, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. «Wenn die Ausländer nicht besser spielen, gibt es bald einen neuen Trainer …»
Nun, was als Scherz gemeint ist, trifft fadengerade den wunden Punkt. Die SCL Tigers befinden sich in einer besorgniserregenden Verfassung. Weil die ausländischen Schlüsselspieler völlig ausser Form sind, ist die Mannschaft ein führungsloser Haufen. In ihrem Spiel fehlen Dynamik, Zug aufs Tor, Struktur, Disziplin, Emotionen und Aggressivität.
Die Form der Ausländer spottet selbst bei wohlwollender Beurteilung jeder Beschreibung. Aaron Gagnon, letzte Saison als Ersatzausländer ein Mitläufer beim meisterlichen SCB, ist in Langnau noch kein Leitwolf. Er hat nach sechs Spielen null Tore und null Assists. Obwohl er von Heinz Ehlers ständig forciert wird, auch im Powerplay.
Die beiden finnischen Stürmer Eero Elo und Antti Erkinjuntti haben nach sechs Partien je ein Tor auf dem Konto. Offensiv-Verteidiger Ville Koistinen bloss zwei Assists. Was bei Koistinen schlimmer ist als die fehlende Produktivität: Er leistet sich Fehler um Fehler, Aussetzer um Aussetzer. Er mahnt an einen Sänger, der zwar das gleiche Lied singt wie sein Chor. Aber eine andere Strophe. Langnaus Ausländer fallen nur durch Fehler auf. Nicht durch gute Aktionen. Ein charismatischer, bisweilen wilder Leitwolf wie es im letzten Herbst Chris DiDomenico war, wird schmerzlich vermisst.
Schon gibt es eine böse Versuchung. Mit Eric Himelfarb hat Langnau eigentlich einen fünften Ausländer. Aber der kanadische Stürmer, letzte Saison in der NLB bei Thurgau, ist eigentlich für die höchste Liga nicht mehr gut genug. Die Emmentaler leisten sich den Luxus dieses fünften und überzähligen Ausländers nur, weil es berechtigte Hoffnungen gibt, dass der Kanadier Ende Jahr den Schweizer Pass bekommt – und als Schweizer ist er dann durchaus ein brauchbarer Center für die dritte Linie.
Noch widersteht Heinz Ehlers der Versuchung, auf Eric Himelfarb statt Aaron Gagnon zu setzen. Wohl wissend, dass so ein Schritt der offizielle Auftakt zu einem kernigen Krisenspektakel wäre.
Heinz Ehlers Schicksal hängt nun an der «finnischen Mafia». Dieses nordische Trio kann die Langnauer in die Playoffs tragen – oder in den Abgrund reissen. Diplomatie beim Umgang mit diesen eigenwilligen nordischen Paradiesvögel ist gefragt. Bekommt er nur mit einem Krach, riskiert er, die ganze Troika gegen sich aufzubringen – und das wäre das Ende seiner Amtszeit in Langnau. Langnaus Cheftrainer muss, zumindest vorerst, viel Kreide fressen.
Immerhin ist allerbeste Unterhaltung garantiert. Und kein Schelm, wer im Sinne dieser Unterhaltung den Saisonauftakt gegen die ZSC Lions bereits als ersten «Krisengipfel» deklariert.