Da stehe ich nun also vor diesem Flugzeug und bin mir nicht mehr ganz sicher, ob ich da wirklich einsteigen will. Es sieht eigentlich ziemlich unspektakulär aus. Ein Propeller vorne, zwei Sitze, Flügel halt, Seiten- und Höhenruder. Doch was da vor mir steht, ist kein normales Flugzeug für Touristen-Rundflüge, sondern eine Extra 330 LX. Ein Hochleistungsflugzeug für Wettbewerbskunstflüge mit 305 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 424 km/h.
Mit solchen Maschinen fliegen die Challenger-Piloten an den Red Bull Air Race Series, der «Formel 1 der Lüfte». In engen Kurven können bis zu 10 g, also das Zehnfache des eigenen Körpergewichts, auf den Piloten wirken – und natürlich auch auf den Co-Piloten. Bei meinem Flug sind allerdings «nur» maximal 6 g vorgesehen.
Jetzt gibt es kein Entrinnen mehr, mein G-Force-Flight steht unmittelbar bevor. Schon kurz nach der Zusage habe ich meine Entscheidung ein erstes Mal leicht bereut. Sofort schickten mir meine Arbeitskollegen nämlich die Videos von Stefan Raab und Joko & Klaas, die einst ebenfalls einen G-Force-Flight wagten und dabei ordentlich durchgeschüttelt wurden.
«Hoffentlich muss ich nicht kotzen. Hoffentlich werde ich nicht bewusstlos», dachte ich nur noch, während sich die Arbeitskollegen neben mir vor Lachen krümmten. Denn ich werde bei diesem Flug ja gefilmt. Wie peinlich wäre das denn ...
Eigentlich fahre ich gerne Achterbahn und schlecht ist mir dabei auch noch nie geworden. Auch mit schaukelnden Booten hatte ich noch nie Probleme. Aber so ein G-Force-Flight scheint doch noch einmal eine Stufe extremer zu sein.
Das nächste Mal frage ich mich, was zum Teufel ich da überhaupt mache, als mir im Taxi auf der kurvigen Strecke in Richtung des kleinen Flugplatzes ausserhalb der portugiesischen Hafenstadt Porto leicht schlecht wird. Dabei hatte ich doch beim «Zmorge» wie empfohlen nur ganz wenig gegessen. Mein Flug ist für 9.30 Uhr angesetzt und ich bin nun wirklich kein Morgenmensch.
So richtig mulmig wird es mir aber erst, als ich – leicht nervös am Flugplatz angekommen – die Sicherheitsbestimmungen für den G-Force-Flight durchlese. Denn da steht geschrieben, dass ...
Ein Entrinnen gibt es jetzt aber nicht mehr. Pilot Antanas Marciukaitis begrüsst mich freundlich und erklärt mir nochmals, was auf mich zukommt. Ein Erinnerungsfoto später geht's los: Ich steige in die Extra 300 LX ein und werde fest geschnallt.
Jetzt wird mir auch klar, warum man nicht über 1,90 Meter messen und über 105 Kilogramm wiegen darf. Das Cockpit ist ziemlich eng und es fühlt sich fast ein wenig an, wie wenn man in einer Badewanne sitzt. Ausser, dass es da einen Steuerknüppel zwischen den Beinen und zwei Pedale vor den Füssen hat, die man tunlichst nicht berühren soll.
Mit dem Piloten bin ich über Funk verbunden. «Ich werde dir jeweils sagen, was für ein Manöver wir machen, wohin du schauen und was du tun sollst», sagt mir Marciukaitis als Erstes, dann fährt er uns auf die Startbahn und wir heben ab. Es folgen zehn Minuten, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Zunächst gewinnen wir ziemlich schnell an Höhe, die Aussicht auf Portos Hinterland ist bei perfektem Wetter einfach nur herrlich. Doch geniessen kann ich sie nicht, denn schon geht's los mit dem ersten Manöver. Mit 350 km/h rasen wir durch ein Tor aus zwei 25 Meter hohen Pylonen, wie es die Profis einen Tag später im Red Bull Air Race in der Innenstadt über dem Douro auch machen werden.
Noch ist der Flugradius ziemlich weit, die G-Kräfte zwar spürbar, aber es ist mir alles andere als unwohl dabei. Wir wiederholen das Prozedere, dann folgt der erste Looping. Mit 4 g beginnt es mich ab dem unteren Scheitelpunkt in den Sitz zu drücken.
Ich versuche zu lächeln, doch lächeln geht nicht mehr. Mein Gesicht scheint gegen unten zu fliessen. Ich stelle mir vor, dass ich jetzt etwa so aussehe wie Rocky Balboa nach dem Rückkampf gegen Apollo Creed in «Rocky 2».
Das Blut schiesst mir in die Beine, der Kopf wirkt leer. Leider kann ich meine Gesichtsfarbe nicht sehen. Nach drei Sekunden ist erstmal alles vorbei. Die g-Kräfte lassen nach. Meinem Magen geht es zum Glück bestens, ohnmächtig bin ich auch nicht geworden. Eine erste Erleichterung macht sich breit.
Doch allzu lange kann ich mich nicht freuen. Der zweite Looping folgt sogleich: Diesmal ist der Radius enger, wir sind bei 6 g. Doch anders fühlt sich das nicht an. Das Schlimmste ist jetzt überstanden. Wir fliegen noch ein paar weitere Manöver, beispielsweise einen längeren Überkopfflug, ein paar Aileron Rolls und Immelmanns. Einmal geht's senkrecht nach oben und dann ebenso runter. Alles kein Problem, zumindest vorerst ...
Als ich wieder festen Boden unter den Füssen habe, bin ich zwar noch etwas wackelig auf den Beinen, ziemlich verschwitzt und etwas bleich um die Nase. Aber alles in allem fühle ich mich eigentlich ganz okay: Ich musste nicht kotzen, hatte keine Sehstörungen und wurde auch nicht bewusstlos.
Noch mit viel Adrenalin im Blut bedanke ich mich beim Piloten, der mir anerkennend auf die Schulter klopft und sich mit einem «Strong Guy» von mir verabschiedet. Ich kehre in den Hangar zurück, wo ich den Kollegen wie im Rausch von den Erlebnissen in der Luft berichte.
Erst als ich im Hotelzimmer das Video meines Flugs anschaue, merke ich, dass ich keine einzige Anweisung des Piloten befolgt habe. Ja, ich kann mich nicht einmal richtig erinnern, mit ihm kommuniziert zu haben. So überwältigend müssen die Eindrücke da oben gewesen sein, so wenig Blut muss in meinem Gehirn gewesen sein.
Wir waren nur rund zehn Minuten in der Luft, doch die Zeit verging wortwörtlich wie im Flug. Und am Ende will ich nur noch eins: Noch einmal hinauf in die Lüfte. Daran ändert auch nichts, dass ich auch Stunden nach meinem Flug noch wie belämmert durch die Gegend laufe und ich mich fühle, wie mit einem leichten Kater. Das Gehirn wirkt ziemlich matschig, die Wahrnehmung scheint etwas getrübt. Aber zu einem Rausch – auch wenn es nur ein Temporausch ist – gehört das wohl einfach dazu.
Die Reise nach Porto erfolgte auf Einladung von Red Bull.