Im April 2021 kündigten zwölf Klubs aus europäischen Top-Fussballligen die Gründung einer neuen Liga an, «The Super League» genannt. Heftigste Fan-Proteste führten kurz nach der Vorstellung des Projekts zu dessen Beerdigung, nur noch Real Madrid, der FC Barcelona und Juventus Turin sind dabei.
Die Klubs verklagten den europäischen Fussballverband UEFA, weil dieser ihnen und ihren Spielern mit Konsequenzen drohte für den Fall einer eigenen Super League. Für die Klubs ist damit die Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt, die UEFA und der Weltverband FIFA würden ihre dominante Marktstellung missbrauchen. Das verstosse gegen EU-Recht.
Der EuGH muss also darüber entscheiden, ob UEFA und FIFA Fussballer von ihren Wettbewerben ausschliessen dürfen, wenn sie in einer von anderen Verbänden ausgerichteten Konkurrenzliga spielen.
Involviert in den Prozess ist Jean-Louis Dupont. Der Anwalt vertrat 1995 den Fussballer Jean-Marc Bosman in einem Prozess, dessen Urteil die Fussballwelt von Grund auf veränderte. Über den aktuellen Fall sagte Dupont zu «Zeit Online»: «Das Urteil hat das Potenzial, Bosman hoch zehn zu sein.» Denn dieses Mal gehe es nicht um die Regulierung des Arbeitsmarktes, sondern um die grundsätzlichen Bedingungen, unter welchen Wettbewerbe stattfinden dürfen.
Gibt der EuGH den Klägern Recht, dürfte es nicht mehr lange gehen, bis das nächste Projekt einer Super League kommt. Topklubs sehen darin grössere Planungssicherheit und die Chance, mehr Geld zu verdienen. Und deren Spieler müssten nicht mehr befürchten, im Falle einer Teilnahme an der Super League von einer WM oder EM ausgeschlossen zu werden.
Es gibt die These, dass der Sport nicht normalen Wettbewerbsregeln unterstehe, sondern ein Sonderfall sei. Gemäss der UEFA sieht das europäische Sportmodell vor, dass nur ein Verband für eine Sportart zuständig ist. Für internationale Wettbewerbe wäre das dann eben sie.
Für die ARD spricht die Ausgangslage für die UEFA. Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht dem Antrag des Generalanwalts folgt. Er interpretiert die Gesetze so, dass es den Klubs jederzeit erlaubt ist, eine eigene Liga zu gründen. Allerdings stehe der UEFA das Recht zu, diese Klubs dann von ihren Wettbewerben auszuschliessen – auch aus den nationalen Meisterschaften, da die Landesverbände hierarchisch eine Ebene unter dem europäischen Verband angesiedelt sind.
Wie die NZZ berichtet, entscheidet das Gericht in etwa 80 Prozent aller Fälle so, wie es der Generalanwalt empfiehlt.
Die Sitzung des Gerichts beginnt am Donnerstag um 9.30 Uhr. Angeblich soll das Urteil noch am Vormittag bekannt sein.
Ein interessanter Nebenaspekt: Die englischen Fussballklubs, also jene aus der reichsten Liga der Welt, werden vom Urteil nicht betroffen sein, weil Grossbritannien seit dem Brexit nicht mehr Teil der EU ist.
Alleine die laute Ankündigung der Topklubs sorgt regelmässig dafür, dass die UEFA reagiert. Sie änderte in der Vergangenheit schon mehrmals die Teilnehmerzahl und den Modus der Champions League, der «Königsklasse» des Klubfussballs.
Ab der nächsten Saison werden in der Champions League 36 statt 32 Teams dabei sein. Die bisherigen Gruppen werden durch ein Liga-System ersetzt, wobei jede Mannschaft anstatt bislang jeweils drei neu vier Heim- und Auswärtsspiele bestreitet.
Kommt die Klage durch, steht eine neue Super League im Raum. Die Promotoren des Projekts von 2021 haben dieses nach den Fan-Protesten verändert. Es soll keine geschlossene Liga mit zwölf Teams mehr geben. Nun sollen zwischen 60 und 80 Klubs auf drei Ligen verteilt werden, und es soll innerhalb dieser Ligen zu Auf- und Abstiegen kommen. Und all den anderen Fussballklubs, die es nicht in diese europäische Super League schaffen, werden jährliche Solidaritätsbeiträge von 400 Millionen Euro in Aussicht gestellt.