Die Frage stellt sich, unweigerlich, aber Cédric Brunner wirkt überhaupt nicht so, als würde ihn das Thema belasten. Es geht darum, die Zukunft ab Sommer zu regeln, weil der Vertrag bei Arminia Bielefeld nach vier Jahren ausläuft. «Alles ist offen», meldet der bald 28-Jährige aus Ostwestfalen und schliesst eigentlich nur eines aus: eine Rückkehr in die Schweiz. Denn: Er ist auf den Geschmack gekommen, ihm gefällt es im Ausland - und wieso soll es nicht in einer grossen Liga weitergehen?
Brunner steht nicht im Ruf, ein Lautsprecher zu sein und forsche Ankündigungen zu machen. Aber in Deutschland hat er Selbstzweifel, die ihn in früheren Jahren begleiteten, abgelegt. Er sagt: «Ich fühle mich heute viel sicherer als bei meinem Schritt zu Bielefeld.»
Damals, 2018, verlässt er den FC Zürich, seinen Club, bei dem er zwölf Jahre verbracht hat. Er wechselt in die 2. Bundesliga, sein Transfer wirft in der Schweiz keine Wellen. Brunner zu Arminia - das reicht in manchem Medium als Nachricht.
Für den Spieler ist es ein Abenteuer, das ihn fordert. Erstmals ist er weg, 700 Kilometer trennen ihn von seinem Elternhaus, und bald tauchen sie auf, diese mühsamen Gedanken:
Seine alten Kollegen betreten mit dem FCZ die europäische Bühne nach dem Cupsieg, und er, Brunner, muss sich zuerst einmal in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden.
Aber die Unsicherheit verfliegt zusehends, und weg ist sie, als er im Februar 2019 beim 3:0 in Regensburg erstmals trifft und ein Tor vorbereitet. «Das hat mir wahnsinnig viel Selbstvertrauen gegeben», sagt er. Die Akzeptanz im Verein und im Umfeld wächst mit beeindruckend konstanten Leistungen. Brunner ist fester Teil der Mannschaft, ob der Trainer nun Jeff Saibene, Uwe Neuhaus oder Frank Kramer heisst. Und er leistet seinen Beitrag dazu, dass die Arminia 2020 aufsteigt und sich auf einmal im illustren Kreis der 18 Bundesligisten wiederfindet. Bielefeld verteidigt seinen Platz in der Liga und kämpft in der zweiten Saison erneut um den direkten Klassenerhalt.
Es ist ein steter Kampf, den die Arminia führt, aber Brunner hat gleichwohl Spass. Das hat auch damit zu tun, dass er sich das Leben nicht komplizierter macht als nötig. Bielefeld mit seinen 340'000 Einwohnern mag kein Touristenmagnet sein, manche spotten gar: «Ist ja gar keine Stadt!» Aber das stört ihn nicht. Er lebt immer noch zentral in derselben Wohnung wie zu Beginn und sagt sich: «Man kann es sich überall schön einrichten. Es muss nicht zwingend Zürich sein, um zufrieden zu sein.»
Langeweile, gar Einsamkeit, das kommt nicht auf. Cédric Brunner weiss sich seit je zu beschäftigen, sei es mit Englisch-Unterricht, Yoga oder dem Bücherlesen, «da kann ich herrlich entspannen». Wenn es ihn in die Stadt zieht, besucht er oft sein Stammrestaurant. Es gehört einem Griechen, mit dem er inzwischen befreundet ist.
Und da ist, vor allem das, sein Status im Verein. Unlängst hat er seinen 100. Match für die Bielefelder absolviert und bei jenem 2:0-Sieg in Leipzig gar seine Kollegen als Captain auf den Platz geführt. Brunner ist auf der rechten Abwehrseite ein unverzichtbarer Wert.
Er fühlt sich wohl in seiner Welt und staunt manchmal selber darüber, wie sich alles ergeben hat. «Als ich von Zürich wegging, dachte ich nicht daran, dass ich zwei Jahre später einen Stammplatz bei einem Bundesligisten haben würde», sagt er. In der 2. Bundesliga ging es ziemlich zur Sache, und Brunner dachte nach dem Aufstieg, die Herausforderungen in physischer Hinsicht würden ähnlich sein. «Aber das ist noch einmal eine ganz andere Dimension, es ist alles noch physischer, schneller, dynamischer, du musst auch im Kopf parat sein.»
Der Zürcher hat als Verteidiger von Bielefeld reichlich Arbeit und begegnet regelmässig unberechenbaren, dribbelstarken Gegnern. Oder wie er sie nennt: «Raketen.» Alphonso Davies und Kingsley Coman vom FC Bayern ist ein Duo, das ihm Eindruck gemacht hat, Filip Kostic von Eintracht Frankfurt macht ebenfalls gehörig Dampf.
Der Fussball bestimmt seinen Rhythmus, aber daneben bleibt Raum für die Ausbildung, mit der sich Brunner auf das Leben nach der Karriere vorbereitet. Der Sohn eines Arztes studiert Psychologie und steht kurz vor dem Bachelor. Danach plant er den Masterstudiengang und kann sich vorstellen, eines Tages als Sport- oder auch Wirtschaftspsychologe tätig zu sein.
Wann dieser Tag kommt, ist undefiniert. Und eine grosse Hoffnung hat er: dass Nationaltrainer Murat Yakin ihn einmal anruft. Bislang flog er unter dem Radar, aber den Traum, einmal das Schweizer Dress zu tragen, vielleicht sogar zum WM-Kader zu gehören, hat er nicht aufgegeben. Die Geschichte des Fussballprofis Cédric Brunner ist noch längst nicht zu Ende geschrieben. (aargauerzeitung.ch)