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Welche Begebenheiten aus der soeben beendeten Fussballsaison werden uns jahrelang in Erinnerung bleiben? Der Titelgewinn des FC Basel? Sicher nicht. Das erneute YB-Scheitern? Ach was, das ist noch langweiliger als Basels Dominanz.
Aber den Abstiegskampf des FC Zürich werden wir nicht so schnell vergessen. Dieses Drama hat mehr Schlagzeilen provoziert und mehr Sendezeit beansprucht, stärkere Emotionen geweckt und mehr Menschen aufgewühlt als die Meisterschaft des FC Basel. Das «FCZ-Drama» ist das stärkste Argument für den Auf- und Abstieg.
Die Schicksalshaftigkeit des Lebens ist uns, anders als noch vor hundert Jahren, zu oft nicht mehr richtig bewusst. Und Juristen sorgen in bald allen Lebenslagen dazu, dass Unterlassungen oder Fehler oder Versäumnisse keine Folgen haben. Gegen alles Mögliche sichern wir uns ab («Vollkasko- Mentalität»).
Aber in einem Bereich ist Scheitern für alle sichtbar. Lassen sich Fehler und Versäumnisse weder mit Anwälten noch viel Geld korrigieren. Erahnen wir die Schicksalshaftigkeit des Lebens. Im Sport. Genauer, im Auf-/Abstieg zwischen den Ligen.
Die Manager und Macher im Fussball und vor allem im Eishockey thematisieren ab und an die Idee einer «geschlossene Liga». Mit dem Verweis aufs nordamerikanische Sportbusiness, das den Auf- und Abstieg nicht kennt und mit der Klage, ein Abstieg schade dem Geschäft und sei ruinös.
Der FC Zürich hat uns wieder einmal vor Augen geführt, dass wir den Auf- und Abstieg niemals abschaffen dürfen. Was wäre diese Fussballsaison ohne dieses Drama! Zudem haben solche Dramen etwas Tröstliches: Sie liefern den Beweis, dass es immer weitergeht, dass es immer eine nächste Chance gibt, dass selbst in der heftigsten Krise ein strahlender Neubeginn innewohnt. Alle grossen Sportunternehmen der Gegenwart sind erst nach Abstiegen, nach dem «Phönix-Prinzip», das geworden, was sie heute sind. Zur Erklärung kurz einen Ausflug in die Mythologie.
Bereits die alten Ägypter erzählten sich an den Lagerfeuern am Fusse der Pyramiden die Geschichte eines wundersamen Vogels, der im Abstand von mehreren hundert Jahren erscheint, sich selbst verbrennt und aus seiner eigenen Asche strahlend wieder aufersteht. Die alten Griechen haben diesem Federvieh, ein riesiger Adler mit Flügeln in Regenbogenfarben und roten Klauen, den heute gebräuchlichen Namen gegeben: Phönix.
Sie haben auch das Leben dieses längst ausgestorbenen Tieres genauer erforscht: Der Phönix ernährte sich nur von Luft und Tau (man sah ihn nie beim Fressen), wurde rund 500 Jahre alt und flog am Ende seines Lebens von Indien nach Phönizien (dem heutigen Libanon). Beim Überliegen der Arabischen Halbinsel sammelte er mit dem Schnabel Zimt, Myrrhe und andere wundersame Gewürze. Aus diesen Spezereien baute er ein Nest und setzte es (und sich selbst) in Flammen, indem er mit seinem Schnabel an einem Feuerstein Funken schlug. Nach Erlöschen der Flammen blieb ein Ei zurück, aus dem nach kurzer Zeit ein neuer Phönix schlüpfte und der neugeborene Vogel war schon nach drei Tagen erwachsen.
Der FCZ-Flug durch die Saison ähnelt ja schon ein wenig dem letzten Flug des Phönix – auf seiner Reise in die zweite Liga wurden zwar nicht wundersame Gewürze gesammelt. Aber wunderbare Geschichten über Irrungen und Wirrungen und daraus ist das finale Drama des Abstieges geworden. Es ist eine selbstverschuldete Relegation, die etwas von einer sportlichen Selbstverbrennung im Sinne des Vogel Phönix hat.
Ja, dieser Untergang des Titanen FCZ gegen die Zwerge Vaduz und Lugano ist einer der dümmsten und unnötigsten Abstiege aller Zeiten, Länder und Ligen. Und hat Präsident Ancillo Canepa in seinem fussballerischen Wesen und Wirken nicht auch etwas von einem Adler mit Flügeln in den Regenbogenfarben, dessen Fussballkompetenz von Luft und Tau genährt wird?
Aber wie der Vogel Phönix kann aus der Asche ein neuer, besserer FC Zürich entstehen. Die Auferstehung ist natürlich nicht, wie beim Vogel Phönix, in drei Tagen möglich. Aber die Geschichte lehrt uns, dass die Auferstehung sehr wahrscheinlich ist. So bedeutende Sportunternehmen wie der SC Bern, Davos, Lugano, Ambri, die ZSC Lions, Lausanne, Servette oder Zug im Eishockey, der FC Basel, der FC Sion, Luzern, YB, GC oder St.Gallen sind nach dem «Phönix-Prinzip» durch Wiederaufstieg aus der Abstiegs-Asche auferstanden. Der FCZ findet eine Bestätigung dieses Prinzips sogar in seiner Geschichte. Auch die Zürcher sind mehrmals abgestiegen und wieder zurückgekehrt – und sie hatten ihre besten Jahre nach einem Abstieg!
FCZ-Präsident Edi Naegelis Vorwort zur «FCZ-Story» kann für Ancillo Canepa die Blaupause für die «Operation Wiederaufstieg» sein. Edi Naegeli war von 1957 bis 1979 FCZ- Boss.
«Es war am Ausgang des Sportplatzes Hardturm, nach dem gegen die Young Fellows verlorenen Entscheidungsspiel um den Verbleib in der Nationalliga A am Ende der Saison 1956/57. Ich war erst drei Monate im Amt. Nach dem Champagner im Fond meines Wagens, für den Sieg unserer Mannschaft reserviert, dürstete niemand mehr. Alles um mir schien vermeintlich zusammenzubrechen.
Aber schon am folgenden Tag fasste ich den Entschluss, dass ein Verein mit dem Namen der schönen Stadt Zürich unter allen Umständen wieder einen Platz an der Sonne erobern müsse. Unter dem Motto: ‹Jetzt erst recht› fand sich die Familie des FCZ drei Wochen später an einem herrlichen Sommerabend auf dem Steg des Bürkliplatzes, um mit der ‹Lindt› die schöne Halbinsel Au anzusteuern. Vom Schiffsteg Au bis hinauf zum Restaurant wiesen über hundert Fackeln den Weg in einer sternenklaren Nacht – vor allem in die Zukunft!
Als Höhepunkt unserer ‹Landsgemeinde› sangen wir im Kantus: ‹Ja, der FCZ, der geht nie unter› und wir gelobten an diesem Abend, fester den je zusammenzuhalten und alles zu tun, um dem FCZ im Schweizer Fussball jene Stellung zu verschaffen, die ihm als Stadtklub der grössten Schweizer Stadt gebührt. Getragen von dieser Überzeugung und mit einer beispielhaften Begeisterung wurde die Saison in der Nationalliga B in Angriff genommen. Der Wiederaufstieg konnte sogleich vollzogen werden. Und nun begannen jene Jahre, die die grössten Erfolge in der FCZ- Klubgeschichte brachten.»
Mit dem Abstieg von 1957 begannen 20 goldene Jahre mit den Titeln von 1963, 1966, 1968, 1974, 1975 und 1976 und den Cupsiegen von 1966, 1970, 1972, 1973 und 1976. Wiederholt sich die Geschichte, wird der FCZ 2022, 2025, 2027, 2033, 2034 und 2035 Meister und 2025, 2030, 2031, 2032 und 2035 Cupsieger.
Wie romantisch diese goldenen Jahre waren, zeigen uns auch die Berufe der Stars Ende der 1960er Jahre. Keiner war Profi. Jeder arbeitete:
Karl Grob, Maurer. Hubert Münch, Elektro-Laborant. Jürgen Neumann, Maschinen-Bautechniker. Werner Leimgruber, Sanitär-Installateur. Xaver Stierli, Konditor. Konrad Kyburz, Offset-Drucker. Pirmin Stierli, Hochbauzeichner. Köbi Kuhn, Tiefdruck-Ätzer. René Quentin, Zeichner. Rosario Martinelli, Dress-Men bei Zweidler. Ernst Meyer, Gemüse- und Früchtehandel en gros. Christian Winiger, Hochbauzeichner. Fritz Künzli, Kaufmann.
Vielleicht sollte es der FCZ nach einer Schifffahrt zur Halbinsel Au erneut mit einer verschworenen Gemeinschaft aus Offset- Druckern, Dress-Men, Bauzeichnern, Gemüse- und Früchtehändlern, Sanitär-Installateuren und Maurern versuchen.