Als Fussballer spielte Jurij Wernydub in den 1980er- und 1990er-Jahren in der Abwehr. Nun verteidigt der Trainer sein Heimatland.
«Mein Sohn rief mich am Donnerstag vor einer Woche um 4.30 Uhr an und sagte mir, dass die Russen angreifen», schilderte Wernydub gegenüber der BBC. «Ich wusste sofort, dass ich in die Ukraine zurückkehre, um zu kämpfen.»
Der 56-Jährige ist Trainer bei Sheriff Tiraspol. Er führte den Klub im Sommer als ersten moldawischen Verein in die Champions League. Und er führte Sheriff zu einem Sieg fürs Geschichtsbuch: Der 2:1-Erfolg auswärts im legendären Estadio Santiago Bernabéu war eine der grössten Überraschungen in der Geschichte der «Königsklasse».
Wobei Sheriff nur deshalb Moldawien repräsentiert, weil das abtrünnige Transnistrien international nicht anerkannt ist. Denn dort liegt Tiraspol, in einer Republik, die stark unter dem Einfluss Russlands steht. Wahrscheinlich kein Ort, an dem man sich derzeit als Ukrainer besonders wohl fühlt.
Wobei Jurij Wernydub wohl auch von anderswo in die Ukraine zurückgekehrt wäre, um sich dort um die Verwandtschaft zu kümmern. «Als ich nach Hause kam, sah ich im Gegenzug viele starke Männer das Land verlassen. Wenn sie zurückkommen, werde ich glücklich sein», so Wernydub. Auch aus seiner Gegend seien viele Männer weggegangen. «In diesem Moment habe ich verstanden, dass ich nicht dasselbe tun kann.» Er kam am Samstag zuhause an und schrieb sich am Sonntag für die Armee ein.
Sheriff Tiraspol manager Yuriy Vernydub is primed and ready!
— Zorya Londonsk (@ZoryaLondonsk) February 28, 2022
He defeated Real Madrid in the autumn
Now he’s joined the territorial defence effort too 🇺🇦🇺🇦🇺🇦 pic.twitter.com/8OsY7kOHST
Das Engagement kommt nicht nur gut an. Seine Gattin habe ebenso versucht, ihn davon abzuhalten, wie die Kinder und Enkel. «Ich war stark, und ich danke meiner Frau, dass sie mich nun unterstützt. Sie kennt meinen Charakter. Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, werde ich sie nicht mehr ändern.» Während es für den Rest der Familie nach wie vor eine Option sei, in ein anderes Land zu flüchten, würden seine Frau und er mit Sicherheit in der Ukraine bleiben.
Er habe keine Angst und auch schon ein Gewehr in den Händen gehalten. «Als ich jung war, war ich bei der Armee – zwei Jahre lang war es Pflicht. Aber das war in einer Einheit für Sportler. Zwei Monate lang wurden wir in der Theorie unterrichtet und danach lernten wir, wie man mit einer Waffe umgeht. Aber das ist schon so lange her. Ich kann nicht sagen, dass ich Probleme mit Feuerwaffen habe, ich weiss, wie man sie benutzt.»
Über seine Rolle in der Armee dürfe er nicht sprechen. Derzeit würden er und andere Soldaten instruiert. «In jeder Minute sind wir bereit, dorthin zu gehen, wo sie es uns sagen», so der Fussballtrainer bei BBC. «Ich habe meine Waffe noch nicht benutzt. Aber ich bin bereit. Immer. Zu jeder Zeit.»
Wernydub ist davon überzeugt, am Ende auf der Siegerseite zu stehen. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen wird. Ich kann mir nichts anderes vorstellen, dessen bin ich mir sicher.» Er habe gesehen, dass diese Tragödie die Nation geeint habe.
«Es wird wohl nur dann Frieden geben, wenn wir gewinnen», mutmasst der 56-Jährige, der die russischen Forderungen für unerreichbar hält. Gleichzeitig betont er, dass es den Dialog und Verhandlungen brauche. «Ich hoffe, dass sie genug Verstand haben, um diesen Krieg zu beenden. Vor allem hoffe ich, dass keine Kinder und Frauen mehr sterben. Das ist das Wichtigste.»
Der Fussball, der ein Leben lang die Hauptrolle im Leben des Jurij Wernydub spielte, ist derzeit zweitrangig. Obwohl der Ukrainer zugibt, die ganze Zeit an Fussball zu denken. «Er ist mein Leben.» Er werde zurückkommen: «Ich hoffe, dass der Krieg nicht lange andauert. Wir werden gewinnen und ich werde zu meiner geliebten Arbeit zurückkehren.»
Während andere abhauen geht er freiwillig an die front, das ist ein echter kämpfer
Möge er mit seiner Prognose recht haben!