Während die europäischen Verbände im Streit um die «One Love»-Binde einen Rückzieher machten, setzte Irans Nationalteam vor der 2:6-Niederlage gegen England ein mutiges Zeichen. Während der Hymne schwiegen die Spieler, anstatt mitzusingen. Dies wurde als Protest gegen das iranische Regime und Unterstützung für die landesweiten Proteste verstanden. Das iranische Staatsfernsehen unterbrach die Live-Übertragung während der Hymne. Nun drohen den Spielern Strafen.
Wie ARD-Korrespondentin Karin Senz im Interview mit SRF sagt, hätte ein iranischer Kleriker bereits in der letzten Woche gefordert, jene Spieler aus der Mannschaft zu werfen, die bei der Hymne nicht mitsingen. Dann bliebe aber kein Spieler übrig, um die verbleibenden Partien zu bestreiten. «Beobachter gehen darum davon aus, dass den Spielern schwere Konsequenzen drohen, wenn sie in den Iran zurückkehren», berichtet Senz. Das Singen der Nationalhymne ist im Iran Pflicht.
Sie singen nicht. Keiner von ihnen. Schaut in ihre Gesichter. Sie wissen, dass in diesen Minuten vielleicht schon ihre Familien dafür zahlen müssen und bald sie selbst. Sie wurden unter immensen Druck gesetzt, genau das nicht zu machen. Sie machen es trotzdem, für die Revolution. pic.twitter.com/30aOn15KJo
— Gilda Sahebi (@GildaSahebi) November 21, 2022
Dass es die Regierung nicht gerne sieht, wenn die Fussballer dies nicht tun, liege auch daran, dass diese «Nationalhelden» seien – «und in normalen Zeiten ein Propagandainstrument». Deshalb könnten die Spieler unter Druck gesetzt werden. Beispielsweise könnte das Karriereende im Iran drohen, aber auch «Bussen oder schlimmere strafrechtliche Folgen» seien möglich.
Dies dürfte vor allem für die Nationalspieler, die in der heimischen Liga unter Vertrag stehen, ein Problem sein. Gegen England standen acht Söldner in der Startformation, einzig Goalie Alireza Beiranvand sowie die Verteidiger Roozbeh Cheshmi und Morteza Pouraliganji spielen in der heimischen Persian Gulf Pro League. Doch auch die anderen Akteure und ihre Familien müssten Konsequenzen fürchten. «Wir haben immer wieder erlebt, dass in ähnlichen Fällen ziemlich harte Mittel angewendet wurden. Leute verschwanden tagelang und mussten sich danach entschuldigen», sagt die deutsche Journalistin. So zum Beispiel die Kletterin, die einen Wettkampf ohne Kopftuch absolvierte.
Nach dem Spiel solidarisierte sich Irans Kapitän Ehsan Hajsafi mit dem iranischen Volk: «Die Bedingungen in unserem Land sind momentan nicht richtig und unsere Leute sind nicht glücklich. Sie sollen wissen, dass wir hinter ihnen stehen und sie unterstützen.»
Bei der iranischen Bevölkerung kam die Geste aber gut an, wie Senz erzählt. «Die Menschen feierten die Protest-Geste auf den Strassen fast so, wie wenn die Mannschaft das Spiel gegen England gewonnen hätte.» (nih)