Das Turnier in Katar geht nicht nur als politischste Weltmeisterschaft aller Zeiten in die Geschichte ein, auch sportlich sorgten die WM-Partien schon für die eine oder andere historische Überraschung. Und so stehen an diesem Wochenende mehrere grosse Teams unter grossem Druck. Kleinere Fussball-Nationen träumen dafür von historischem Erfolg. Wir behandeln die wichtigsten Brennpunkte des WM-Wochenendes.
Für das deutsche Team war die 1:2-Niederlage gegen Japan ein Schock zum WM-Start. Nun steht es im Favoritenduell am Sonntagabend gegen Spanien bereits mit dem Rücken zur Wand. Siegt Deutschland nicht, ist das Ausscheiden praktisch Tatsache. Von einer Niederlage Spaniens gegen Japan kann ebenso wenig ausgegangen werden, wie von einem Sieg Costa Ricas gegen Japan.
Füllte vor der Startpartie die Debatte rund um die «One-Love»-Captainbinde und den stummen Protest beim Teamfoto die deutschen Newsportale, ist die Negativität in Richtung des deutschen Teams übergeschwappt. Stürmer Kai Havertz sagt:
Wenig spricht für Deutschland gegen das spanische Team, das zum Start Costa Rica völlig zerzaust und mit einer 7:0-Packung abgefertigt hatte. Und auch das letzte Duell mit Deutschland endete mit einem Kantersieg: Vor zwei Jahren besiegte Spanien Deutschland gleich mit 6:0. Den Optimismus verliert der Deutsche Julian Brandt dennoch nicht. Er sagt: «Ich würde gerne davon weggehen zu sagen, dass wir in einer schlimmen Situation sind. Es ist doch auch eine Chance, die Stimmung zu drehen.» Klappt es Deutschland nicht die Stimmung zu drehen, ist für den Mitfavoriten das Aus schon nach zwei Partien Tatsache.
Was war das für eine Sensation! Die Argentinier haben ihr erstes WM-Spiel gegen Saudi-Arabien mit 1:2 verloren. Die Südamerikaner, angereist als einer der absoluten Top-Favoriten mit der Hoffnung, dass ihr Superstar Lionel Messi an seiner fünften und letzten WM doch noch den Titel erringen kann, sind nach der sensationellen Niederlage geschockt. Davor hatte Argentinien seit Sommer 2019 keine Niederlage einstecken müssen und auf dem Weg dahin auch die Copa América 2021 gewonnen.
Im Latino-Duell mit Mexiko stehen Messi & Co. am Samstagabend nun schon unter riesigem Druck. Die Mexikaner haben ihre erste Partie gegen Polen 0:0-Unentschieden gespielt, wodurch die Ausgangslage in dieser Gruppe völlig offen erscheint. Klar ist jedoch: Eine weitere Niederlage kann sich Argentinien nicht erlauben. Superstar Messi sagt: «Es ist lange her, dass wir in einer solchen Situation waren. Wir müssen mehr denn je zusammenhalten, um da rauszukommen.» Sein Teamkollege Lautaro Martínez ergänzt: «Jetzt haben wir noch zwei Endspiele.»
Der Sieg war historisch: Das 2:1 von Saudi-Arabien gegen Argentinien löste im Land eine riesige Euphorie aus. Der Tag nach der Sensation wurde vom König Mohammed bin Salman kurzerhand zum Feiertag erklärt.
Nach dem dank der kämpferischen Spielweise nicht unverdienten Erfolg, träumt Saudi-Arabien natürlich sogar vom Weiterkommen. Gegen Polen und ihren Superstar Robert Lewandowski sind die Saudis, deren Spieler alle in der heimischen Liga kicken, nach ihrem starken Auftritt kein haushoher Aussenseiter mehr. Stattdessen winkt die erste Achtelfinalteilnahme seit 1994. Seither waren die Saudis viermal in der Vorrunde ausgeschieden und zweimal in der Qualifikation hängen geblieben. Jetzt aber träumen sie von mehr. Nach dem wundersamen Sieg gegen WM-Favorit Argentinien wollen sie zeigen, dass sie weit mehr als nur eine Eintagsfliege sind.
Es ist eine der schönsten Geschichten dieser Weltmeisterschaft: Christian Eriksen spielt mit Dänemark wieder an einer grossen Endrunde mit. Die Bilder seines Herzstillstandes gegen Finnland an der Europameisterschaft im Sommer 2021 gingen um die Welt. Ohne den Starspieler kamen die Dänen dennoch bis in den Halbfinal.
Und so zählten sie zu den Geheimfavoriten für die WM. Doch beim Startspiel blieben Eriksen und seine Kollegen beim 0:0-Remis gegen Tunesien blass. Nun ist eine Reaktion gefordert - ausgerechnet gegen den Weltmeister. Frankreich hat gegen Australien mit dem 4:1-Sieg geglänzt und Ansprüche angemeldet. Doch die Statistik spricht für die Skandinavier: In den letzten Direktduellen haben die Dänen nicht verloren. An der WM 2018 gab es ein 0:0, in der Nations League besiegte Dänemark in diesem Jahr gleich zweimal Frankreich.
Das spielerisch grösste Überraschungsteam des ersten Spieltages heisst Kanada. In der ersten Partie gegen Belgien überzeugten die Nordamerikaner mit hohem Pressing, intensiv geführten Zweikämpfen und schön herauskombinierten Angriffen. Kanada trat gegen den Mitfavoriten Belgien selbst wie ein Spitzenteam auf und kam schliesslich auf ein Torschussverhältnis von 21:9. Siegreich war dennoch die Weltnummer zwei mit 1:0, weil Bayern-Star Alphonso Davies vom Penaltypunkt scheiterte und auch seine Teamkollegen die vielen Möglichkeiten verstreichen liessen.
Erst einmal, 1986, war Kanada bisher an einer Fussball-WM vertreten, damals schieden die Nordamerikaner mit null erzielten Toren aus. Gegen Kroatien steht für die Ahornblätter also in erster Linie dieses verflixte erste Tor im Fokus - und vielleicht gleich auch noch der erste Sieg an einer Fussball-WM. (aargauerzeitung.ch)