Improvisationstalent ist bei der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft aktuell sehr gefragt. Oder wie es Nati-Coach Murat Yakin nennt: Kreativität. Bereits bei der Kader-Nomination für die beiden Nations-League-Spiele gegen Serbien und Spanien musste Yakin auf Spieler zurückgreifen, die schon lange nicht mehr oder noch gar nie im Kreis der A-Nati waren.
Und je länger dieser Zusammenzug der Schweizer, der letzte in diesem Jahr, dauert, umso mehr muss improvisiert werden. Da waren erst die vier Absagen am Tag des Eintreffens in Zürich vor einer Woche. Da war der Ausfall von Filip Ugrinic für die Partie gegen Serbien vom Freitag. Und da waren weitere vier Mutationen im Team am Tag nach dem 1:1, welches den Abstieg aus der Nations League A besiegelte: Aurèle Amenda hat sich gegen Serbien eine Knieprellung zugezogen, Ardon Jashari ist grippekrank und Breel Embolo gesperrt, weshalb das Trio die Reise nach Teneriffa gar nicht erst angetreten hat. Dafür ist Cédric Zesiger nachnominiert worden und soll die immer grösser werdende Personalnot in der Abwehr lösen.
Doch damit nicht genug der Ausfälle. Am Tag vor dem Spiel erwischt es auch noch Murat Yakin selbst. Der Coach plagt sich mit Grippesymptomen herum, hat starke Halsschmerzen sowie leichtes Fieber. Dem Abschlusstraining wohnte er zwar bei, ob er für das Spiel am Montagabend (20.45 Uhr) fit sein wird, wird sich weisen.
Wie die weiteren personellen Wechsel sich auf die Startelf niederschlagen werden, erklärt anstelle von Yakin am Sonntagnachmittag Co-Trainer Giorgio Contini. Und er macht schnell klar: Die Situation kann auch eine Chance sein.
Eine Chance für jene Spieler, die zuletzt wenig bis gar nicht zum Einsatz gekommen sind bei der Nati. Spieler wie Eray Cömert beispielsweise. «Ich will zeigen, dass ich in der nahen Zukunft eine Option sein kann», so der Spanien-Legionär, der seit diesem Sommer bei Valladolid unter Vertrag steht.
«Wir wollen uns ein Bild von jenen Spielern machen, die noch nicht so viele Nati-Minuten gesammelt haben. Da werden wir dem einen oder anderen die Option dazu geben», sagt Contini.
Gut möglich, dass sich insbesondere die Fraktion der Spieler aus der Super League gegen den Europameister zeigen kann. So könnte neben Cömert mit Albian Hajdari einer sein Debüt feiern, der in Lugano zum Stammpersonal gehört. Dereck Kutesa (Servette), den Yakin im Nachgang seiner Einwechslung am Freitag gelobt hat, dürfte erneut Minuten sammeln. Auch Joel Monteiro oder der wieder genesene Filip Ugrinic (beide YB) dürfen sich wohl berechtigte Hoffnungen auf einen Einsatz machen.
Eine komplett neue Elf jedoch wollen Yakin und sein Trainerteam nicht auf das Feld schicken. Zwar böte sich ob der sportlichen Bedeutungslosigkeit die Option dazu. Weil der Gegner aber immer noch Spanien heisst und die Nati das Fussballjahr nicht unter dem Eindruck einer Packung beschliessen will, sucht man die richtige Balance.
«Wir werden die Basis der Mannschaft erhalten, denn wir wollen eine Mannschaft, die stabil ist. Da können wir nicht alle austauschen. Wenn man Wechsel macht, dann ist es immer entscheidend, dass gewisse Spieler weiterhin für Stabilität sorgen. Alle elf Spieler auszutauschen, würde wahrscheinlich nicht funktionieren», erläutert Contini die Überlegungen des Staffs.
Wer diese Spieler sind, die für Stabilität sorgen sollen, wäge man derzeit noch ab. Gregor Kobel dürfte einer sein, dort zeichnet sich laut Contini kein Wechsel ab. Und mit Granit Xhaka dürfte ein weiterer Akteur gesetzt sein, will der Captain doch jedes Spiel absolvieren. Überlegungen, wer tendenziell ob des dichten Spielkalenders eine Pause benötigen könnte, schwingen nicht mit. Contini: «Wir wollen ein hungriges Team, welches sich gegen einen starken Gegner wehren kann.»
Was bei all diesen erzwungenen Wechseln gleich bleiben soll, ist die Formation der Defensive: «Wir haben die letzten Spiele mit einer Viererkette bestritten und ich denke, dass wir in diesem Schema bleiben werden», so Contini.
Der Co-Trainer blickt dem Spiel gegen Spanien trotz Bedeutungslosigkeit positiv entgegen. Weil es eine erste Möglichkeit sei, zu zeigen, dass man an sich und am dazugehörigen Mindset arbeiten werde. Die finale Partie des Jahres ist somit nicht nur eine Chance für gewisse Spieler, um sich aufzudrängen, sondern auch für das Trainerteam, um die Weichen für das Jahr 2025 und die dort beginnende WM-Qualifikation zu stellen.