Als Jan Kläui vor rund einem Jahr las, dass man in der vierten Saudi-Arabischen Liga, also der zweitschlechtesten des Landes, als Ausländer bis zu 200'000 Euro pro Jahr verdienen könne, beschloss er, selbst herauszufinden, was an diesen Gerüchten dran ist.
Das erste Hindernis begegnete dem 29-Jährigen gleich zu Beginn seines Abenteuers. Die meisten Viertliga-Vereine in Saudi-Arabien haben nämlich weder eine eigene Website noch ein Instagram-Profil. Die Kontaktaufnahme gestaltete sich dementsprechend schwierig. Fündig wurde Kläui schliesslich bei einem Drittligaverein. Via Instagram nahm er Kontakt auf, schickte ein Video von sich am Ball und erhielt prompt die Zusage für ein Probetraining in der nächsten Saison.
Das zweite Hindernis: Kläui hatte seine Fussballschuhe nach seiner Juniorenzeit im Nachwuchs mit 17 eigentlich bereits an den Nagel gehängt. Um sich beim Probetraining und in seinen Videos, die er regelmässig auf YouTube teilt, von seiner besten Seite zu zeigen, machte sich Kläui also ans Trainieren. Dafür reiste er unter anderem nach Spanien.
Kurz vor seiner geplanten Abreise nach Saudi-Arabien dann der erste Schock: Beim Training zog sich Kläui eine Verletzung an der Oberschenkelmuskulatur zu. Und auch der Verein, der ihm ein Probetraining in Aussicht gestellt hatte, meldete sich nicht mehr. Den Grund für das plötzliche Schweigen sieht der 29-Jährige bei sich selbst. Die Follower-Anzahl des betreffenden Vereins sei nach seinem YouTube-Video, in dem er von seinem bevorstehenden Abenteuer erzählte, massiv gestiegen. Das Video landete nämlich in den Trends. «Ich kann mir gut vorstellen, dass sich daraufhin auch Fussballer beim Verein gemeldet haben, die massiv talentierter sind als ich», meint er.
Trotzdem reiste Kläui im Mai nach Saudi-Arabien, wo seine Odyssee ihren Lauf nahm. Seine Kontaktversuche mit Leuten vor Ort, die ihm von Bekannten vermittelt wurden, verliefen im Sand. So machte er sich alleine auf zum Stadion des Erstliga-Vereins Al Shabab, wo er auf zwei Spieler der U-17-Mannschaft traf.
«Ich ging nicht zum Al-Shabab-Stadion mit dem Ziel, ein Probetraining zu erhalten, für die Saudi Pro League ist mein Niveau definitiv zu bescheiden. Ich wollte nur einige Aufnahmen für ein Video machen», meint Kläui rückblickend. Die beiden Junioren erwiesen sich dann aber als Schlüssel zu einem speziellen Erlebnis, das er nun mit seinen Instagram-Followern teilt. Sie nahmen Kläui mit zu ihrem Trainer, der den Zürcher wiederum mit einem Klubverantwortlichen bekannt machte.
«Er zeigte mir das ganze Stadion und sprach mit mir über den saudischen Fussball», erklärt Kläui. Während der Stadionführung trafen die beiden auch auf den Volleyballtrainer des Vereins, der dem Schweizer kurzerhand einen Profivertrag anbot. «Ich dachte, das sei ein Witz. Aber er hakte so lange nach, dass ich plötzlich das Gefühl hatte, dass er es ernst meint. Vermutlich nur deshalb, weil ich so gross bin», erzählt Kläui lachend. «Er sagte mir, ich sei ein perfekter Spieler für die Zone 4, was auch immer das ist.»
Kläui war aber wegen des Fussballs gekommen und so fragte er beim Klubverantwortlichen nach, ob er bei der ersten Mannschaft mittrainieren und das Ganze filmisch festhalten dürfe. Jan Kläui durfte. Das Training kam aufgrund von versicherungstechnischen Bedenken dann zwar nicht zustande, die Videoaufnahmen sind aber im Kasten. Beim Training mit Al-Shabab konnte Kläui sogar Schweizerdeutsch sprechen, traf er doch auf den Basler Ex-Barcelona- und Sevilla-Profi Ivan Rakitic.
Jan Kläuis ungewöhnliche Reise in eine der umstrittensten Fussballligen der Welt endete zwar nicht im erhofften Vertrag, war aber trotzdem die Mühe wert, findet der Zürcher: «Zum Glück durfte ich filmen, sonst hätte mir niemand geglaubt, dass ich mit Rakitic auf dem Platz stand.» Über Themen wie Menschenrechtsverletzungen, die immer wieder aufkommen, wenn es um Fussball in Saudi-Arabien geht, hat sich Kläui keine grossen Gedanken gemacht: «Als Ausländer habe ich davon natürlich nichts mitbekommen. Politik interessiert mich aber relativ wenig und ich musste es einfach mal versuchen.»
Nichts erreicht, spannende Ferien erlebt. So what?