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EM 2024: Der etwas zu perfekte Auftakt für Deutschland

14.06.2024 - Fu�ball, Europameisterschaft 2024 in Deutschland, Feature Deutschland - Schottland: Deutsche Fans jubeln nach dem 3:0 von Kai Havertz beim Public Viewing in der Fanzone am Olympiapark in  ...
Auf den deutschen Fanmeilen war der Jubel selbstverständlich gross.Bild: www.imago-images.de

Der perfekte EM-Auftakt für Deutschland – vielleicht fast zu perfekt

Der 5:1-Erfolg im Eröffnungsspiel hat in Deutschland eine Euphoriewelle losgetreten. In der darf der EM-Gastgeber nun aber nicht ertrinken – zumal Gegner Schottland «eine Katastrophe» war.
15.06.2024, 07:2515.06.2024, 12:49
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Ein schnelles Tor wünschte sich ZDF-Experte und Ex-Nationalspieler Per Mertesacker vor dem EM-Eröffnungsspiel in München. So wie bei der WM 2006 beim Auftaktsieg gegen Costa Rica, als Philipp Lahm Gastgeber Deutschland in der sechsten Minute vom linken Strafraumrand per Traumtor in Führung schoss. Das würde direkt etwas vom bei einem Heimturnier grossen Druck nehmen, so Mertesacker, der damals beim 4:2 gegen die Lateinamerikaner ebenfalls auf dem Platz gestanden hatte.

Und so dürfte sich auch etwas Aufatmen unter den Jubel von Mertesacker und vielen anderen Deutschen gemischt haben, als Florian Wirtz in der zehnten Minute aus der Distanz zum 1:0 gegen Schottland traf. Der 21-jährige Star von Leverkusen ist damit sogar noch ein Jahr jünger als vor 18 Jahren Philipp Lahm, der sich damals noch ziemlich am Anfang einer langen und erfolgreichen Karriere im Nationalteam befand.

Als dann neun Minuten nach dem Jüngsten im deutschen Team auch noch der Zweitjüngste traf, schien der Ausgang der Partie schon klar. Zumal dem Treffer von Jamal Musiala ein hervorragendes Zusammenspiel ausgehend von Ilkay Gündogan über Kai Havertz zum jungen Bayern-Star vorangegangen war. Die beiden Vorbereiter standen dann kurz vor der Pause noch einmal im Rampenlicht, als Stürmer Havertz den Penalty nach einem rüden Foul an Gündogan sicher zum 3:0 verwandelte.

Es war die perfekte erste Halbzeit für Deutschland an dieser EM. Schliesslich hielt sich die Vorfreude bei den Fans und möglicherweise selbst im Nationalteam aufgrund der dürftigen Leistungen in den letzten Jahren lange in Grenzen. Noch im letzten November verlor das Team unter Julian Nagelsmann, der erst wenige Monate zuvor von Hansi Flick übernommen hatte, gegen Österreich (0:2) und die Türkei (2:3). Mit den Siegen gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) im März kam zwar die gute Stimmung zurück, doch wurde diese in den letzten beiden Testspielen gegen die Ukraine (0:0) und Griechenland (2:1) wieder etwas gedämpft.

Umso wichtiger war dann eben diese Gala in der ersten Halbzeit. Schottland kam nicht einmal in die Nähe des Tors von Manuel Neuer, dessen zuletzt viel diskutierte Form somit völlig egal war. Auch nach der Pause kontrollierte Deutschland das Spiel und erhöhte durch den eingewechselten Niclas Füllkrug gar noch auf 4:0. Nur sein Abwehrchef Antonio Rüdiger bezwang Goalie Neuer. Trotz des Eigentors kann sich die Verteidigung auf die Kappe schreiben, in über 90 Minuten ganze 0,01 Expected Goals zugelassen zu haben. Auch dank Emre Can, der den Vier-Tore-Vorsprung mit dem Schlusspfiff wieder herstellte, war es ein offensiv wie defensiv perfekter Auftakt in die Heim-EM.

Dieser Auftritt birgt auch Gefahr. Wenn auch die Deutschen als ältestes Team der EM genügend Erfahrung mitbringen, ist die Erwartungshaltung nach diesen 90 Minuten exorbitant gestiegen. Ein Grossteil der 83,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner im fussballbegeisterten Deutschland dürfte von der Euphoriewelle erfasst werden. In den sozialen Medien träumen viele schon vom Europameistertitel – manch einer mit Ironie, andere sehen Deutschland nun als Anwärter Nummer eins.

Alles andere als mindestens ein Halbfinal-Einzug wäre für diese Fans schon fast eine Enttäuschung. Diesen Druck vom ganzen Land werden die deutschen Nationalspieler in den nächsten Tagen auf ihren Schultern verspüren. Es ist also klug, dass das Team nach dem Spiel fordert, nun nicht zu überschwänglich zu sein. So befand Emre Can nach dem Spiel: «Es war ein guter erster Schritt, aber mehr nicht.» Jamal Musiala blies ins selbe Horn, als er sagte: «Wir lassen uns das jetzt nicht zu Kopf steigen.»

Die Highlights der Partie.Video: YouTube/SRF Sport

Denn eins ist auch klar: Schottland ist einer der schwächeren Gegner, mit dem es Deutschland an diesem Turnier zu tun bekommen wird. Christoph Kramer, auch er wie Lahm und Mertesacker Weltmeister von 2014, sagt nach der Partie beim ZDF: «Das, was Schottland heute gezeigt hat, war eine Katastrophe. Sie haben es uns viel zu leicht gemacht.» Ob dieses Spiels sollte nicht vergessen werden, dass die Vorbereitung trotz der Siege gegen zwei Top-Teams im März nicht ohne Schwächen verlief.

Der deutsche Auftritt beim 5:1-Sieg war zwar souverän und zeitweise brillant – aber im Endeffekt war es nicht mehr als ein Pflichtsieg. Am Mittwoch trifft der Gastgeber dann auf Ungarn (18 Uhr), den Schweizer Gegner vom heutigen Samstag (15 Uhr). Die Magyaren dürften ein deutlich unangenehmerer Gegner sein als die Schotten, die heute zudem eine Halbzeit lang mit einem Mann weniger gespielt haben. Wenn die Deutschen nicht aufpassen, wird das Team um Liverpool-Star Dominik Szoboszlai zum Wellenbrecher der Euphorie.

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