Es war die meistdiskutierte Szene des Wochenendes. In der 74. Minute des Spiels zwischen Arsenal und Brentford glich Ivan Toney per Kopf zum 1:1 aus. Doch der Treffer des englischen Stürmers hätte nicht zählen dürfen, Vorlagengeber Christian Norgaard stand im Abseits. Nur überprüfte der VAR diese Szene nicht – ein «menschlicher Fehler», wie der englische Schiedsrichterverband PGMOL später mitteilte. Ein Fehler, der Arsenal zwei Punkte kostete.
Dementsprechend gross war der Unmut auf Seiten der «Gunners». Vor allem Trainer Mikel Arteta äusserte sich bereits nach der Partie kritisch über die Entscheidung: «Es ist einfach nur frustrierend.» Auch nach der Entschuldigung seitens des PGMOL war der Spanier am Dienstag ausser sich: «Das war kein ‹menschlicher Fehler›. Der Video-Assistent hat seinen Job nicht verstanden. Das ist nicht akzeptabel.» Er wäre erst zufrieden, wenn Arsenal die zwei Punkte doch noch bekommen würde, «aber das wird nicht passieren».
Der ohnehin bittere Fehlentscheid kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nur einen Punkt holte Arsenal aus den letzten beiden Spielen, nachdem der Klub aus Nordlondon 16 der ersten 19 Partien gewinnen konnte. Dadurch ist der Abstand auf den grössten Konkurrenten im Titelkampf, Manchester City, auf drei Punkte geschrumpft. Nun steht das Direktduell an, es ist für beide Teams wohl das wichtigste Spiel der Saison.
Gewinnt Arsenal, wächst der Vorsprung auf sechs Punkte an und mit einem Sieg in der weiteren ausstehenden Partie könnte dieser gar auf neun Zähler ausgebaut werden. Gewinnt City, beginnt es in den Köpfen des aktuellen Leaders erst recht zu rattern. Denn obwohl Arsenal noch ein Spiel weniger absolviert hat als die «Skyblues», ist das Team von Pep Guardiola in solchen Situationen deutlich erfahrener. So kürte sich Manchester City 2018/19 und 2021/22 jeweils mit nur einem Punkt vor Liverpool zum Meister.
So kommt es Arsenal vielleicht gerade gelegen, dass auch der Gegner mit Nebenschauplätzen zu kämpfen hat. Manchester City wird von der Liga vorgeworfen, zwischen 2009 und 2018 über 100 Verstösse gegen die finanziellen Regularien der Premier League begangen zu haben. Als mögliche Strafe könnten Manchester City gar die Titel aus jenem Zeitraum aberkannt werden. Darauf angesprochen, antwortete Guardiola: «Die Titel gehören uneingeschränkt uns. Egal, wie das Urteil ausfällt.» Dann ergänzte der Katalane: «War es unser Fehler, dass Steven Gerrard ausgerutscht ist?»
Damit sprach er auf eine entscheidende Szene in der Saison 2013/14 an. Am drittletzten Spieltag rutschte der damalige Mittelfeldspieler von Liverpool in der eigenen Hälfte aus und verlor so den Ball, Chelseas Demba Ba konnte dadurch alleine aufs Tor ziehen und den 1:0-Führungstreffer erzielen. So verlor Liverpool gegenüber Verfolger Manchester City wichtige Punkte und musste sich im Titelkampf schlussendlich mit zwei Zählern Rückstand geschlagen geben. Guardiola kam zwar erst zur Saison 2016/17 zu Manchester City, sprach aber dennoch davon, dass «uns diese Momente niemand nehmen kann. Sie gehören uns.»
Später bereute der 52-Jährige seine Aussagen jedoch. Am Dienstag vor dem Spitzenduell entschuldigte sich Guardiola öffentlich bei Gerrard: «Ich schäme mich für das, was ich gesagt habe, denn das hat er nicht verdient.» Die Kommentare seien «unnötig und dumm» gewesen. Dennoch ist er weiterhin davon überzeugt, dass seine Aussagen über die Titel des Klubs richtig gewesen seien.
Die Partie zwischen Arsenal und Manchester City ist aber nicht nur aufgrund der Ausgangslage eine besondere Partie. Für Arteta ist es das Duell mit seinem Mentor und Idol. Der 40-Jährige begann seine Trainerkarriere als Assistent von Guardiola bei City, wo er arbeitete, bis er im Dezember 2019 den Posten als Cheftrainer bei Arsenal übernahm. «Ich habe immer gehofft, dass wir uns einmal um Titel duellieren», erzählte Arteta vor dem FA-Cup-Duell im Januar, welches Manchester City knapp für sich entschied. «Der Titelkampf wird aber nichts an unserer Freundschaft oder daran, wie wichtig er in meinem Leben und meinem Beruf ist, ändern.»
Der Einfluss Guardiolas ist in der Spielweise von Arsenal klar zu erkennen. Beide spielen meist mit der Formation 4-3-3, wobei im Mittelfeld ein Spieler (Thomas Partey bzw. Rodri) eine defensivere Rolle übernimmt und einer (Martin Ödegaard bzw. Kevin De Bruyne) offensiver agiert. Dazu setzen Arteta und Guardiola auf die ebenfalls passstarken Granit Xhaka und Ilkay Gündogan. So versuchen die beiden spanischen Trainer den Ball zu kontrollieren und mit direkten Pässen in die Spitze für Torgefahr zu sorgen.
Kein anderes Team spielt gemäss fbref.com so häufig in die Tiefe wie Manchester City und Arsenal. Auch bei den geschossenen Toren und den «Expected Goals» steht City vor dem Londoner Klub an der Spitze. Ausserdem setzen beide Teams auf hohes Pressing und versuchen, den Gegner früh unter Druck zu setzen. So ist in der Partie am Mittwochabend (20.30 Uhr) auch taktisch ein hochstehendes Duell zu erwarten, da sich die Trainer sehr gut kennen. Bisher behielt Guardiola jedoch meist die Oberhand – sieben von acht Direktduellen, seit Arteta Arsenal übernommen hat, gewann Manchester City.
Mittendrin werden in den Überlegungen von Arteta und Guardiola auch zwei Schweizer sein. Manuel Akanji hat sich seit seinem Wechsel im Sommer als fester Bestandteil der City-Defensive etabliert. Der 27-Jährige spielt mit die meisten Pässe bei den «Skyblues», verfügt über die höchste Passquote aller Spieler und hervorragende Zweikampfwerte. Dadurch dürfte er es auch mit Granit Xhaka zu tun bekommen.
Der Captain des Schweizer Nationalteams spielt die beste Saison seiner Karriere und taucht auch immer wieder im und um den gegnerischen Strafraum auf. Es ist also wahrscheinlich, dass ein Schweizer am Ende der Saison entscheidend am Titelgewinn seines Klubs beteiligt sein wird. Ob auch Haaland am Mittwochabend zum Einsatz kommen kann, ist nach der frühen Auswechslung im Spiel vom Sonntag noch unbekannt.