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Manchester United: Die Chronologie des Absturzes nach Sir Alex Ferguson

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Neidisch blickt Bruno Fernandes auf jubelnde Galatasaray-Spieler.Bild: keystone

Ein Absturz und kein Ende in Sicht – Manchester United kommt einfach nicht auf die Beine

Manchester United war der grösste Fussballklub der Welt. Dann beendete der erfolgreichste Trainer der Geschichte seine Karriere – und die «Red Devils» wurden zu einem Chaos-Klub, der seither nie mehr Meister wurde und den neben dem Rasen viel Unruhe begleitet.
04.10.2023, 18:2004.10.2023, 20:20
Ralf Meile
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Das jüngste Spiel endete im Desaster – wieder einmal. Hatten Klub und Fans auf eine Trendwende gehofft, steht nun wieder einmal der Trainer im Fokus, Erik ten Hag. Manchester United verlor in der Champions League auch sein zweites Gruppenspiel, nach dem 3:4 bei Bayern München unterlagen die Engländer zuhause Galatasaray 2:3.

«Theatre of Dreams» nennen sie nicht ganz unbescheiden ihr Stadion, das Old Trafford. Während vieler Jahre hielt dieser Spitzname, was er verspricht: Trainer Alex Ferguson formte aus Manchester United das beste Team der Welt, das die Träume seiner Millionen von Anhängern erfüllte.

Nach Ferguson ging es bergab

2013 trat der Schotte zurück, nach fast 27 Jahren im Klub. Unter Ferguson gewann Manchester United 13 Meistertitel, zwei Mal die Champions League und insgesamt 38 Trophäen.

Zehn Saisons ist dieser Einschnitt nun her – zehn Saisons, in denen ManUnited nie mehr Meister wurde. Und bei den beiden zweiten Plätzen, die der Klub 2018 und 2021 erreichte, fehlte jeweils eine halbe Galaxie zum Champion Manchester City, einmal waren es 19 Punkte, das andere Mal 8.

Trainer kamen, Trainer gingen. David Moyes, der direkte Nachfolger Fergusons, konnte fast nicht anders, als zu scheitern. Er überlebte nicht einmal eine Saison. Es folgten Louis van Gaal (Cupsieger 2016), José Mourinho (Europa-League-Sieger und Ligacup-Sieger 2017), dann die frühere United-Spieler-Legende Ole Gunnar Solskjaer. Im Dezember 2021 übernahm überraschend Ralf Rangnick, und seit Sommer 2022 ist der Niederländer Erik ten Hag im Amt.

180 Millionen Franken für drei Neue

Rang 3 in der Premier League, Finalist im FA-Cup und Gewinner des Ligacups – auf dem Papier liest sich die Bilanz von ten Hags erster Saison gut. Faktisch fehlten zum Meistertitel 14 Punkte und ist der Ligacup nicht mehr als ein Trostpreis. Doch auf der ersten Saison liess sich aufbauen. Also kamen im Sommer mehrere Neue, die das Team noch besser machen sollten. Für Goalie André Onana, Mittelfeldspieler Mason Mount und Stürmer Rasmus Höjlund gab United über 180 Millionen Franken aus.

Manchester United's goalkeeper Andre Onana reacts with his teammate Rasmus Hojlund during the Champions League group A soccer match between Manchester United and Galatasaray at the Old Trafford s ...
Viel Grund zum Feiern hatten Onana und Höjlund noch nicht.Bild: keystone

Onana wirkt oft verunsichert, und er kassierte in zehn Spielen 18 Gegentore, was weder für ihn noch für seine Abwehr spricht. Mount war in seinen bisherigen Einsätzen noch kaum ein Faktor und dazu zwischenzeitlich verletzt. Höjlund deutete mit drei Toren in zwei Champions-League-Spielen seine Klasse an, in der Liga ist er allerdings noch ohne Tor.

Wieder kein Meistertitel

Überhaupt, die Liga. Schon jetzt, nach bloss sieben Runden, geht man keine gewagte Wette ein, wenn man behauptet, Manchester United werde auch im Sommer 2024 bei der Vergabe des Meistertitels keine Rolle spielen. Drei Siegen stehen vier Niederlagen gegenüber. Mit dieser Bilanz findet man den Rekordmeister erst auf den zweistelligen Tabellenplätzen.

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Erik ten Hag ist nicht zu beneiden.Bild: keystone

Es ist ein Treten an Ort, Manchester United kommt seit der Ferguson-Ära einfach nicht mehr richtig vom Fleck. «Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Phase, aber wir kommen gemeinsam heraus. Wir kämpfen zusammen und halten zusammen.» Durchhalte-Parolen, die von jedem der erwähnten Trainer stammen könnten. Sie sind von Erik ten Hag.

Probleme mit Spielern und Besitzern

Der Niederländer hat das Pech, dass viele Spieler derzeit verletzt sind. So fehlt Linksverteidiger Luka Shaw, der als Ersatz für ihn verpflichtete Sergio Reguilon fällt auch aus. Sofyan Amrabat muss deshalb hinten aushelfen, obwohl er im Mittelfeld benötigt würde. Innenverteidiger Lisandro Martinez hat sich den Fuss gebrochen und die Offensivspieler Antony und Mason Greenwood wurden wegen privater Verfehlungen intern suspendiert. Greenwood wurde deshalb an Getafe ausgeliehen. Und mit Jadon Sancho hat sich Erik ten Hag so sehr zerstritten, dass er aussortiert wurde und den Klub im Winter verlässt. Es kommt wirklich einiges zusammen im Old Trafford.

Der sportliche Sinkflug ist das eine. Das andere, nach Ansicht vieler Beobachter das grössere Problem, sind die Besitzer. Der Amerikaner Malcolm Glazer beteiligte sich ab 2003 am Klub, zwei Jahre später übernahm er ihn – und sorgte mit einem Kniff für Wirbel. Das Darlehen, das Glazer für den Kauf aufnahm, überschrieb er anschliessend auf den Klub. So hatte Manchester United, das lange gesund wirtschaftete, hohe Schulden, die es abstottern musste.

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Zwei der Besitzer: die Brüder Joel (links) und Avram Glazer.Bild: www.imago-images.de

«Wir hatten eine Reihe von renommierten Trainern, die die Probleme nicht in den Griff bekommen haben, und wir haben eine Menge Geld ausgegeben», bilanzierte der einstige Star-Verteidiger Rio Ferdinand. «Hinter den Kulissen wurden die Strukturen verändert und mit dem Personal jongliert, aber das wird nichts ändern. Es braucht ein einheitliches Konzept, damit es klappt. Und eines der grössten Probleme sind die Besitzverhältnisse.»

«Kultur von Gier und Unentschlossenheit»

Heute kontrollieren drei Söhne des 2014 verstorbenen Malcolm Glazer den Klub. Sie sind genauso unbeliebt wie ihr Vater. Viele geben der Besitzerfamilie die Schuld am stetigen Niedergang des Vereins. «Sie haben eine Kultur von Gier, Disziplinlosigkeit, Unentschlossenheit und Unsicherheit geschaffen», kritisierte Ex-United-Spieler Gary Neville. Die Glazers hätten bei der Übernahme in allen Bereichen das Beste geerbt, aber anschliessend zehn Jahre Mittelmässigkeit auf und neben dem Platz zu verantworten. «Am besten wäre es, wenn sie den Verein schnell und effizient verkaufen würden. So könnten zumindest die Dinge abseits des Spielfelds korrigiert werden.»

Ende 2022 gab die Familie Glazer bekannt, Angebote für den Klub entgegenzunehmen. Der katarische Scheich Jassim bin Hamad bin Khalifa Al Thani soll das Höchstgebot abgegeben haben: 6 Milliarden Euro. Weil die Glazers aber mehr einstreichen wollten, platzte der Deal vor wenigen Wochen.

«Die Mannschaft ist fragil», betonte Rio Ferdinand mit Blick auf die Probleme im Umfeld. Vielleicht kommt sie auch deshalb nicht auf Touren. Er verstehe die Pfiffe der Zuschauer, sagte ten Hag nach dem 2:3 gegen Galatasaray. Aber er habe eine Mannschaft mit grossem Kampfgeist gesehen und eine, die vom Publikum von A bis Z unterstützt worden sei. Es gelte nun, die Enttäuschung in positive Energie umzuwandeln. «Sie ist unser Treibstoff», sagte ten Hag. Am Samstag wartet im Heimspiel in der Liga Brentford, das erst ein Spiel gewonnen hat. Ein Gegner, gegen den ohne Wenn und Aber drei Punkte hermüssen. Eigentlich.

Zu allem Ärger für die Fans der «Red Devils» kommt hinzu, dass auch noch das Dach des Old Trafford undicht geworden ist. Aber das ist wohl die kleinste Baustelle, die Manchester United derzeit gerade hat.

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