Um 13.07 Uhr ist der FC Basel am Mittwoch am EuroAirport in Richtung regnerisches Florenz abgehoben. Dort spielt das Schweizer Europacup-Aushängeschild heute Donnerstag ab 21 Uhr das Hinspiel des Halbfinales in der Conference League. Ein internationales Halbfinale hat ein Schweizer Klub erst fünfmal erreicht. 2013 gelang dies in der Europa League zuletzt ebenfalls dem FC Basel, 1964 und 1977 stand der FC Zürich und 1959 YB im Halbfinale des Europacups der Landesmeister und im Uefa Cup 1978 schaffte es auch GC unter die letzten Vier. Doch ein Finaleinzug wäre ein Novum und historisch.
Der internationale Exploit der Basler ist in dieser Saison insofern erstaunlich, weil Rotblau in der Liga nur die fünftstärkste Kraft ist und im Umfeld zahlreiche Störfeuer lodern. Weil David Degen und Co. den Klub seit zwei Jahren radikal sanieren, wurden Ende 2022 zahlreiche Entlassungen auf der Geschäftsstelle ausgesprochen. In diesem Jahr wurden schon ein neuer Sportchef, ein neuer Trainer (interimistisch) und ein neuer CEO installiert.
Zwischen Basisverein und AG-Verwaltungsrat herrschen grössere Differenzen, die öffentlich wurden, als der Verein die Mitglieder informierte, dass die Profiabteilung sie am Defizit beteiligen und so aus der AG drängen will. Dort will man zumindest einen Grossteil der Vereinsanteile von 25 Prozent besser nutzen.
Der Aufruhr bei den Fans war so gross, dass Degen und Co. schnell einen Rückzieher machten. Im selben Zug wurde auch öffentlich, dass der FCB im Geschäftsjahr 2022 nicht wie vorschnell von Degen proklamiert eine schwarze Null sondern ein Defizit von 1.5 Millionen Franken schreibt.
Und weil man 2023 für fünf Millionen das Innenleben des Stadions gekauft hat und mit der Übernahme von Andy Diouf und Zeki Amdouni auch auf dem Transfermarkt bereits knapp zehn Millionen investierte, wird 2023 wohl finanziell eine ganz harte Nuss für den Klub, der seine Reserven komplett aufgebraucht hat.
😍 Der FCB verpflichtet Zeki Amdouni und Andy Diouf definitiv ✍️
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) May 2, 2023
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Als wäre das alles nicht genug, prügelten FCB-Chaoten nach dem Cup-Halbfinal gegen die Young Boys auf das eigene Sicherheitspersonal ein. Und so gehen die Geschichten von austickenden Rotsündern, Schiedsrichter-Ärger oder dem bankdrückenden Captain in der Basler Schlagzeilenflut dieser Saison fast schon unter.
Bei all dem Wirbel stellt sich umso mehr die Frage, warum es der Klub dennoch geschafft hat, in den Halbfinal des Europacups einzuziehen. «Der Erfolg kommt sicherlich überraschender als der Halbfinal gegen Chelsea 2013», sagt Fabian Frei. Doch warum der FCB international über sich hinauswächst und national nicht mehr als zwei Ligaspiele in Folge gewinnen konnte, kann der Captain auch nicht erklären. Er sagt lediglich: «Der internationale Erfolg zeigt, dass wir eigentlich eine gute Mannschaft haben.»
Aber warum zeigt die junge FCB-Equipe auf internationalem Parkett die besseren Leistungen? Trainer Heiko Vogel – offensichtlich immer noch aufgebracht durch die Fehlentscheidung am Sonntag im Klassiker gegen den FCZ und den, wie er sagt, «drakonischen» Strafen gegen seine Rotsünder – sagt zunächst mit einem Augenzwinkern: «Weil der VAR international besser ist.»
Vogel nennt in der Folge aber die aus seiner Sicht verpfiffenen Spiele gegen Genf, den Cuphalbfinal gegen YB und den jüngsten Klassiker gegen den FCZ und endet mit folgender Erklärung: «Es ist nicht immer einfach, den Spagat zu schaffen. Emotional und physisch. Aber wenn uns der VAR in der Liga nicht so viele Punkte geklaut hätte, würde mir diese Frage nicht gestellt.»
Diplomatischer äussert sich Michael Lang, der mit GC (1:0, 2013) und dem FCB (2:1, 2015) schon zweimal in Florenz im Stadio Artemio Franchi gewonnen hat. Er sagt: «Es ist keine Mentalitätsfrage. Aber wir hatten schon ein brutales Pensum.» Tatsächlich hat kein Team in Europa in dieser Saison mehr Spiele gemacht als der FCB, der auf 61 oder 62 Spiele kommen wird.
Lang führt aus: «Wir mussten in der Liga immer wieder Rückschläge einstecken, auf die wir nicht reagieren konnten. Dazu treffen wir immer auf einen ausgeruhten Gegner, der dem FCB eins auswischen will. Nach internationalen Spielen haben wir viel zu viele Punkte liegen lassen.» Nur zwei von 15 Ligaspielen nach einem Europacupmatch konnte der FCB gewinnen.
Aber warum zeigt sich die Müdigkeit nicht am Donnerstagabend sondern erst am Wochenende? Ist es einfach so, dass aufstrebende Talente auf der internationalen Bühne mehr aus sich herauskitzeln können als in der Meisterschaft? Fehlen Spieler, die die rotblaue DNA verinnerlicht haben und den FCB nicht nur als Sprungbrett sehen? Bestätigen will diese Thesen niemand. Vogel hält dagegen: «Es ist allen im Klub bewusst, dass wir in der Liga liefern müssen.» Und dennoch lässt sich der Eindruck in dieser Saison nicht wegwischen.
Dazu kommt der Faktor Glück. So viel Pech der FCB in der Liga hat, so viel Glück hat er international: Rückstand in der Schlussphase gegen Sofia gedreht, Elfmeterschiessen im Playoff gegen Bröndby gewonnen, Trabzonspor dank zwei VAR-Eingriffen und türkischem Chancenwucher besiegt, in der 90. Minute in Bratislava durch einen Goalie-Fehler die Verlängerung erreicht und wieder im Elfmeterschiessen gewonnen.
Und in Nizza in der 88. Minute zum Ausgleich getroffen und nach Verlängerung gewonnen. «Es ist so, dass es einige Abende gab, die für uns liefen», gibt Fabian Frei zu. Doch wie lautet eine gern geäusserte Fussballerfloskel: Immer Glück ist Können. Und es zeichnet den FC Basel 2022/23 auch aus, dass er international nie den Glauben verloren hat, so hoffnungslos die Situation auch war.
Auch in Florenz rechnen sich Vogel und Co. etwas aus. «Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen und wollen natürlich in den Final.» Bei einem Sieg der Conference League wäre der FCB fix in der Europa League, egal auf welchem Platz er die Liga beendet. Und Fabian Frei sagt mit einem Schmunzeln: «Wenn die Tendenz so weiter geht, müssten wir eigentlich am 7. Juni in Prag den Titel holen.» (bzbasel.ch)