Was wäre ein Spiel der Schweizer ohne Sascha Ruefer? Nur halb so dramatisch und halb so unterhaltsam. Er ist kein Marktschreier. Ihm fehlt das kindisch-aufgeregte Mitfiebern, wie wir es nicht nur auf Lokalradios ab und zu hören (müssen). Vielmehr beherrscht er die Kunst der emotionalen Sachlichkeit. Ich sehe ja, was passiert, der Mann hinter dem Mikrofon muss mir nicht ständig schildern, was läuft. Und er muss mir auch nicht die Emotionen machen. Für die sorgt schon das Spiel. Er soll mir die Emotionen – also das, was meine Emotionen auslöst – erklären. Im Idealfall sofort.
Sascha Ruefer liefert laufend treffende Analysen. Und eben nicht in atemloser Aufregung. Sondern mit Verstand, Wortwitz, manchmal sogar mit ein wenig Melancholie. Dabei erweist er sich immer wieder als ein Magier der Kunstpause. Auch mal nichts sagen und die Dramatik des Spiels wirken lassen. Um dann alles exakt auf den Punkt zu bringen. Wie in der Schlussphase gegen Deutschland: mit dem Ausdruck des professionellen Leidens der Schweizer. Genau das war es. Nicht nur für die Spieler auf dem Rasen. Auch für die TV-Zuschauer. Professionelles Leiden im Sport. Den Spruch sollte er sich patentieren lassen. Der passt so ziemlich zu jedem sportlichen TV-Drama.
Am besten ist der SRF-Mann immer dann, wenn auch wir leiden. Ein Gemütszustand, den er mit «professionellem Leiden» gestern so treffend auf den Punkt gebracht hat. So wie ihm das «Fan-Gen» für übertriebenen Jubel fehlt, so ist er nicht theatralisch leidend. Er leidet echt. Und doch verliert er auch im dramatischsten Augenblick nicht Fassung und Überblick. Er bewahrt in jeder Situation den kühlen Verstand. Wie ein Pilot, der ein Passagierflugzeug nach dem Ausfall aller Systeme sicher landet.
Nach dem 1:1, dem gefühlt aufwühlendsten Gegentor unserer neueren Fussballhistorie, liefert er sofort, noch bevor die Zeitlupe alles auflöst, die Erklärung: Er sieht einen kleinen Fehler von Granit Xhaka. Stand zu weit weg. In den dramatischsten Sekunden des dramatischsten Spiels des Jahres nicht jammern. Sondern die treffende Analyse liefern und dabei den Mut haben, unseren besten, unseren wichtigsten Spieler – in seinem Einfluss auf Ebbe und Flut des Spiels eine Art Roman Josi in Stollenschuhen – zu tadeln. Das ist wahre Kompetenz. Das ist hohe Schule. Um es sportlich zu werten: Das ist Weltklasse hinter dem Mikrofon.
Vielleicht täusche ich mich. Aber Sascha Ruefers Wortwitz schien mir während des Spiels gegen Deutschland eine Spur weniger frech als früher. Ist es Altersmilde? Oder nimmt er sich ein wenig zusammen, weil er in der Vergangenheit immer wieder mal völlig zu Unrecht kritisiert worden ist? Sollte es so sein, wäre meine Forderung: «Carte Blanche» für Sascha Ruefer.
Deshalb zurück zum Thema, tolle Leistung der Schweiz so ist noch einiges möglich.