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ATP Basel: Roger Federer schuldet uns keine Verabschiedung

Roger Federer of Switzerland poses with his trophy after defeating Alex De Minaur of Australia after the final match at the Swiss Indoors tennis tournament at the St. Jakobshalle in Basel, Switzerland ...
2019 gewann Roger Federer die Swiss Indoors zum zehnten Mal.Bild: KEYSTONE
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Federer will keine Verabschiedung – er ist niemandem etwas schuldig, auch in Basel nicht

Wer sagt, Roger Federer würde es nicht schaden, sich in Basel von seinem Publikum zu verabschieden, mag nicht unrecht haben. Doch es ist eine egoistische Sicht der Dinge. Er will nicht dauernd als Held der Vergangenheit geehrt werden. Das verdient Respekt. Ein Kommentar.
30.06.2023, 09:1830.06.2023, 09:18
Simon Häring / ch media
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Manch ein Anhänger mag enttäuscht sein, dass Roger Federer bei den Swiss Indoors nicht mehr in die Menge winken und sich verabschieden lassen will. Gegenüber CH Media hatte er erklärt, er würde das emotional gar nicht schaffen. Für ihn ist die Geschichte in Basel zu Ende geschrieben. Sie begann als Balljunge und endete 2019 nach Höhen und Tiefen mit dem letzten seiner 103 Turniersiege. Mit zehn Erfolgen ist er auch Rekordsieger. Es ist Federers Wunsch, dass in Basel dieses Bild als Spieler haften bleibt.

In Halle liess sich Federer für eine Ehrung einspannen, in Wimbledon zeigte er sich als Balljunge, im letzten Herbst spielte er in Tokio Rollstuhl-Tennis. Für viele ist es nicht nachvollziehbar, dass der Baselbieter dafür zur Verfügung steht, aber ausgerechnet in Basel nicht dazu bereit ist, sich zu verabschieden. Die Kritik ist nicht völlig unberechtigt. Seine Tränen haben Federer nie geschadet, sondern machten ihn nahbar. Weshalb also fürchtet er die Emotionen bei einem kurzen Auftritt in der St. Jakobshalle?

Aber der Verdacht, Federer wolle Turnierdirektor Roger Brennwald keine Bühne bieten, ist konstruiert. Beide sind vernünftig genug, zu erkennen, dass es nicht um persönliche Befindlichkeiten geht, sondern um das Schweizer Tennis, um die Swiss Indoors, die Fans und einen Dank an die Zuschauerinnen in Basel. Daran ändert auch nichts, dass Brennwald am Tag, an dem Federers Absage an eine mögliche Verabschiedung öffentlich wurde, auf Anrufe von CH Media nicht reagierte, aber den Tamedia-Zeitungen sagte, für ihn sei das Thema seit dem letzten Jahr abgeschlossen.

CORRECTS FIRST NAME OF BRENNWALD -Switzerland's Roger Federer, center, with the trophy, next to Spain's Rafael Nadal, right, and tourdirector Roger Brennwald, left, after their final match a ...
Federer 2015 in Basel mit Roger Brennwald und Rafael Nadal.Bild: KEYSTONE

Federer will Distanz zum Tennis gewinnen

Federer stand lange genug im Mittelpunkt, hat dem Tennis, seinen Fans, den Journalisten viel mehr gegeben als die meisten. Sicher ist das eine oder andere Bedürfnis dabei zu kurz gekommen – vielleicht weniger bei ihm als seinen Liebsten. Jetzt will er die Freiheit zurück, selber darüber zu entscheiden, wann, wie viel und wofür er sich Zeit nehmen will. Und über allem steht die Erkenntnis: Federer ist niemandem mehr etwas schuldig.

Weshalb fällt es vielen so schwer, zu respektieren, dass Roger Federer ein neues Kapitel aufschlagen und Distanz zum Tennis gewinnen will?

«Die letzten 24 Jahre waren ein unglaubliches Abenteuer. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als wären nur 24 Stunden vergangen, so waren sie doch auch so tiefgreifend und magisch, dass es mir vorkommt, als hätte ich bereits ein ganzes Leben gelebt», sagte Federer bei seinem Rücktritt.

Team Europe's Roger Federer is lifted by fellow players after playing with Rafael Nadal in a Laver Cup doubles match against Team World's Jack Sock and Frances Tiafoe at the O2 arena in Lond ...
Im September 2022 nahm Federer beim Laver Cup Abschied vom Tennis.Bild: keystone

Doch Roger Federer ist erst 41-jährig und will nun nur eines: Zeit, um herauszufinden, welche Richtung er seinem Leben geben will. Geben wir ihm diese Zeit. Sie ist das kostbarste Gut, von dem wir alle zu wenig haben.

Einseitige, egoistische Sicht

Wer argumentiert, Federer würde es nicht schmerzen, in Basel noch einmal auf den Platz zu laufen, in die Menge zu winken und ein paar Worte an die Zuschauer zu richten, mag damit nicht unrecht haben. Doch es ist eine einseitige, egoistische Sicht, die Federers Empfinden ignoriert. Dazu kommt: Wer will schon gerne dauernd für Leistungen geehrt werden, die in der Vergangenheit liegen, von der man sich lösen will?

«Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden», schrieb der dänische Philosoph Søren Kierkegaard. Federer hat diesen Satz schon als Sportler verinnerlicht, wenn es darum ging, den Blick nach Niederlagen nach vorne zu richten. Eine Fähigkeit, für die ihn viele bewunderten. Respektieren wir seinen Wunsch, das nun auch als Privatperson zu tun. Denn schuldig ist er niemandem etwas. Auch in Basel nicht. (aargauerzeitung.ch)

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6 Kommentare
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AltaLumina
30.06.2023 09:55registriert Mai 2015
"Federer ist niemandem mehr etwas schuldig."

Punkt.

Danke für alles RF!
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