Sie werde weiter kämpfen für die Rechte der Frauen, für die Gleichberechtigung, sagte Serena Williams nach ihrer Niederlage im Final der US Open und erntete dafür Applaus. Dass Schiedsrichter Carlos Ramos gleich drei Regelübertretungen bestraft hatte, bewertete sie als «sexistisches Statement», weil der Portugiese das bei einem Mann nie getan hätte. Diese Aussage war nicht nur hypothetisch, sondern auch in jeglicher Hinsicht falsch.
Williams' Coach gab unumwunden zu, dass er gecoacht hatte. «Habe ich gecoacht?», sagte der Franzose Patrick Mouratoglou dem TV-Sender «ESPN». «Natürlich! Alle tun das. Auch Naomis Coach hat dauernd Anweisungen gegeben.» Doch das ist verboten; und hatte eine Verwarnung zur Folge. Eine zweite Verwarnung sprach Ramos aus, nachdem Williams ein Racket zerschmettert hatte. Das führte folgerichtig zu einem Punktabzug.
Nun verlor die Amerikanerin endgültig die Contenance. Sie bezeichnete Ramos als «Lügner» und «Dieb». Sie habe noch nie betrogen oder geschummelt. Ramos sanktionierte das mit einem Gameabzug. Wer argumentiert, Ramos hätte mit mehr Fingerspitzengefühl arbitrieren sollen, verkennt das Wesen einer Regel: Sie gilt für alle gleichermassen, ungeachtet der Involvierten, ungeacht der Bühne, ungeachtet des Spielstands.
Emotional ending of the Serena's presser (📽 ESPN) pic.twitter.com/8bEgSndZsB
— Ilya Ryvlin (@ryvlin) 8. September 2018
Auch der Vorwurf, ein Mann wäre ungestraft davongekommen, ist nicht nur hypothetisch, sondern falsch: Ramos bestrafte auch schon Djokovic und Nadal. Kommt hinzu, dass Serena Williams eine Wiederholungstäterin ist. 2009 hatte sie zu einer Linienrichterin, die einen Fussfehler angezeigt hatte, gesagt: «Bei Gott schwöre ich, dass ich dir einen dieser verdammten Bälle in den Hals schiebe.» Sie musste 175'000 Dollar Busse zahlen.
Doch nichts wiegt so schwer wie der Vorwurf des Sexismus. Denn das Tennis ist eine der wenigen Sportarten, in denen Frauen und Männer gleich viel Preisgeld erhalten. Obwohl die Männer auf drei Gewinnsätze spielen. Obwohl die Männer-Tour derzeit das attraktivere und damit auch profitablere Produkt ist. Ein Schiedsrichter, der die Regeln durchsetzt, ist kein Sexist. Williams' absurde Behauptung schadet ihrem Anliegen.
Serena Williams hat 23 Grand-Slam-Turniere gewonnen und ist damit eine der erfolgreichsten Tennis-Spielerinnen der Geschichte. Vor einem Jahr war sie erstmals Mutter geworden. Bei der Geburt war es zu lebensbedrohlichen Komplikationen gekommen. Ihre sportliche Leistung ist indiskutabel, sie verdient grössten Respekt. Kann man die Reaktion auf dem Platz noch irgendwie nachvollziehen, die Äusserungen danach sind völlig deplatziert.
Das Publikum, das sich mit Williams solidarisiert hatte, beraubte die 20-Jährige Osaka des schönsten Moments ihrer Karriere. Unter Tränen sagte sie: «Es tut mir leid, dass es so endete.» Dass sie sich für ihren Sieg entschuldigen musste, war auch nicht in Williams' Sinn. «Machen wir das Beste aus der Situation. Keine Pfiffe mehr», sagte sie, auch sie unter Tränen, und legte den Arm um die Japanerin. Immerhin da bewies Williams Klasse.