Gefühlt geht im Fussball ja gerade wieder einmal alles den Bach hinunter. Die gierigen Superklubs nehmen sich immer wichtiger, die Ablösesummen und Gehälter sind ohnehin jenseits von Gut und Böse und als Tüpfelchen auf dem i findet die WM 2022 in Katar statt.
Und nun diese Woche mit diesen Ergebnissen. Sechs Teams aus sechs Ländern haben es in die Europacup-Finals geschafft: Liverpool (England), Real Madrid (Spanien), Eintracht Frankfurt (Deutschland), die Glasgow Rangers (Schottland), die AS Roma (Italien) und Feyenoord Rotterdam (Niederlande).
Schon dieser Fakt alleine tut gut. Denn im letzten Jahrzehnt trafen in der Champions League im Final oft Teams aus dem gleichen Land aufeinander. Es gab die Endspiele Bayern München – Borussia Dortmund (2013), Real Madrid – Atlético Madrid (2014 und 2016), Liverpool – Tottenham (2019), Chelsea – Manchester City (2021) sowie in der Europa League FC Sevilla – Athletic Bilbao (2012). Das ist schön und gut, aber einfach nicht das Gleiche, wie wenn die Finalisten aus zwei verschiedenen Ländern kommen. Das ist der Ur-Gedanke des Europacups.
Was die Finals auch besonders macht, sind die Klubs, die sich dafür qualifiziert haben. Keine «Neureichen», sondern durchs Band sogenannte «Traditionsklubs». Natürlich: Man muss sich nichts vormachen, auch Liverpool und Real Madrid können sich ihre Topstars nur deshalb leisten, weil sie ihnen entsprechend hohe Löhne bezahlen können. Die Engländer gehören schon lange der amerikanischen Fenway Sports Group, die sich engagiert hat, um damit Geld zu machen. Auch die AS Roma ist nicht mehr in italienischem, sondern in US-Besitz.
Die Finalisten sind Klubs, die berühren. Deren Namen einen besonderen Klang haben. Man finde denjenigen ausserhalb Leipzigs, der lieber das Konstrukt RB im Final gehabt hätte als die Glasgow Rangers (Anhänger von dessen Erzrivalen Celtic mal ausgenommen).
Die enthusiastischen Fans der Schotten werden nun genau wie viele Tausend Frankfurter nach Sevilla reisen, um ihr Team dort im Final zu unterstützen. Die Rangers wie die Eintracht hoffen auf den zweiten Europacup-Triumph: Die Schotten gewannen 1972 den Cupsieger-Cup, Frankfurt 1980 den UEFA-Cup.
Die Geschichte und Erfolge von Liverpool und Real Madrid aufzuzählen, ist überflüssig – beide Klubs gehören zu den erfolgreichsten und berühmtesten der Welt. Und auch im Final der in dieser Saison erstmals durchgeführten Conference League steckt eine Menge Europacup-Historie. Feyenoord gewann 1970 den Meistercup, 1974 sowie 2002 den UEFA-Cup. Die Roma siegte 1961 im Messestädte-Pokal, der vielen als Vorläufer des UEFA-Cups gilt. Dessen Final erreichte sie 1991, jenen im Meistercup 1984.
Das ist lange her und es ist auch dieser Mix aus einem grossen Hunger nach neuen Erfolgen und begeisterungsfähigen Anhängern, der diese Finals so besonders macht. Und es ist aus neutraler Sicht schön, dass es nicht immer die gleichen Mannschaften schaffen. Die Ausnahme bilden Liverpool und vor allem Real Madrid. Doch deren Aufeinandertreffen wird nicht zuletzt deshalb mit Spannung erwartet, weil sich den «Reds» die Gelegenheit bietet, sich für den verlorenen Final von 2018 zu revanchieren.
Es war das Spiel, das in die Geschichte einging, weil Liverpools Goalie Loris Karius zwei unfassbare Gegentore kassierte. Später wurde bekannt, dass er nach einem Ellbogenschlag von Real-Verteidiger Sergio Ramos mit einer Gehirnerschütterung spielte und deshalb Probleme mit der Sicht hatte. Kein Wunder, wünschte sich Liverpool-Star Mohamed Salah als Finalgegner Real Madrid, auch wenn Ramos nicht mehr dort spielt. Im Vergleich dazu verblassten die Champions-League-Finals seither.
Nun werden neue Geschichten geschrieben: Zuerst in Sevilla (Europa League), dann in Tirana (Conference League) und schliesslich im Stade de France bei Paris. Nicht nur die Fans der sechs Finalisten dürfen sich darauf freuen.