Medaillenregen an der Leichtathletik-EM – die Schweizer Delegation ist so gut wie nie
Noch bevor an der Leichtathletik-Europameisterschaft in Rom die letzten Athletinnen und Athleten den Hut in den Ring geworfen haben, steht fest: Aus Schweizer Sicht sind diese Wettkämpfe schon jetzt historischen Ausmasses. Noch nie standen so viele Schweizerinnen und Schweizer auf einem EM-Podest.
Dass die Schweiz mit den Kambundji-Schwestern Mujinga und Ditaji, Annik Kählin und Simon Ehammer einige Asse im Ärmel hat, war schon vor den Wettkämpfen in Rom klar. Umso überraschender war aber beispielsweise Timothé Mumenthalers Sieg im 200-Meter-Sprint – es dürfte wohl dem Röstigraben angelastet werden, dass so wenige Menschen diesseits der Saane den erst 21-jährigen Genfer überhaupt auf dem Schirm hatten.
Die Schweiz liegt im Medaillenspiegel vor dem letzten Wettkampftag so weit oben wie noch nie – vor grossen Leichtathletik-Nationen wie Grossbritannien, Spanien oder Deutschland. Insbesondere die Deutschen liegen mit zwei Silber- und vier Bronzemedaillen deutlich unter den Erwartungen. Dass die Schweiz für einmal von so weit oben grüsst, hat auch damit zu tun, dass neben derjenigen von Timothé Mumenthaler auch die Medaillen von Angelica Moser und William Reais relativ unerwartet kamen, Mujinga Kambundji just zum richtigen Zeitpunkt zu ihrer Bestform zurückfand und Dominic Lobalu rechtzeitig zur EM die Starterlaubnis für die Schweiz erhielt.
Der Trend zeigt nach oben
Ein weiteres Mal ist in der italienischen Hauptstadt deutlich geworden: Seit 2016 zeigt die Leistungskurve der Schweizerinnen und Schweizer nach oben. Lange Zeit galt die EM 1969 in Athen als die erfolgreichste aus Schweizer Sicht: Damals holte man einen kompletten Medaillensatz.
Diese Ausbeute sollte lange unerreicht bleiben. Doch dann kam die EM 2016 in Amsterdam, wo die Schweiz fünf Medaillen holte. Seither konnte die Equipe dieses Niveau halten oder gar noch steigern. 2018 in Berlin gewann die Schweiz vier Medaillen, 2022 in München sechs und in diesem Jahr in Rom sind es mindestens acht.
Sternstunden gab es in der Schweizer Leichtathletik schon früher – man denke dabei an André Buchers Weltmeistertitel über 800 Meter im Jahr 2001, Werner Günthörs Kugelstoss-Erfolge und an die sehr erfolgreichen Jahre des Marathonläufers Viktor Röthlin. Doch eine breite Spitze wie heute gab es im Verband, der 2004 vor dem Konkurs stand, nicht.
Investitionen in den Nachwuchs zahlen sich aus
2011 stieg dann die Grossbank UBS beim Verband und in der Nachwuchsförderung ein. Für viele der jetzigen Medaillengewinnerinnen und -gewinner führte der Weg nach ganz oben über den UBS-Kids-Cup. Auch dank des verstärkten Augenmerks auf die Nachwuchsarbeit konnte die Schweiz in diesem Jahr mit einer Delegation von 60 Athletinnen und Athleten nach Rom reisen – 2010 waren es nur 22.
Seit 2010 wird auch intensiv in die Sprint-Staffeln investiert. Die Förderung zeigt Wirkung. Bei den Frauen hielt Mireille Gigandet-Donders Rekord über 100 Meter (11.34) aus dem Jahr 2001 über 17 Jahre. Ab 2018 wurde er von mehreren Athletinnen gebrochen – heute gehört er mit 10.89 dem Berner Aushängeschild Mujinga Kambundji. An den Olympischen Spielen 2021 in Tokio dann die vorläufige Krönung: Ajla Del Ponte und Kambundji erreichen im Final, an dem anders als an der EM auch die Favoritinnen aus Jamaika und den USA vertreten sind, die Plätze fünf und sechs.
Die Schweiz könnte den Rekord noch ausbauen
Auch am letzten Tag der Europameisterschaft in Rom hat die Schweiz intakte Medaillenchancen. Im Weitsprung liegen die Hoffnungen auf Annik Kälin, und Dominic Lobalu könnte über 10'000 m gar noch EM-Medaille Nummer zwei holen. Zudem kämpfen sowohl die Frauen als auch die Männer in der Sprint-Staffel über 4 x 100 m um eine Medaille.
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