So zornig habe ich Daniel Epp in seiner ganzen Töff-Managerkarriere noch nie erlebt. Er ist aufgebracht, ja ausser sich, weil Fred Corminboeuf seinen grossen Deal am Freitagnachmittag abgelehnt hat. Den Deal, der Tom Lüthi einen Platz im Moto2-Team von Petronas eingebracht und Corminboeufs finanzielle Probleme (er schuldet Lüthi aus der letzten Saison eine sechsstellige Summe) gelöst hätte.
Der Landschaden ist erheblich. Im kleinen Kreis hat Epp verlauten lassen, nun werde er gerichtlich gegen Corminboeuf vorgehen und das Geld auf dem Rechtsweg eintreiben. Er mag diesen drastischen Schritt, der Freds Team «zerstören» könnte, nicht bestätigen – aber auch nicht dementieren.
Die Strategie ist offensichtlich: Geht Fred Corminboeuf der finanzielle Schnauf aus, dann kämen seine zwei Moto2-WM-Plätze für nächste Saison auf den Markt. Er reagiert kühl: «Vor Gericht? Jaja, das habe ich gerüchteweise schon vernommen. Ich bin in keiner Art und Weise beunruhigt. Als ehemaliger Ringer kann ich kämpfen.»
Seine Gelassenheit hat einen guten Grund: Er hat sein Team juristisch in Frankreich domiziliert. Wo und wie Daniel Epp auch immer klagen sollte, würde es wohl Jahre bis zu einem rechtskräftigen Urteil dauern. Die Gefahr eines hässlichen helvetischen «Töff-Bruderzwistes» ist zwar da. Aber sie ist doch gering.
Ja, es war ein schwarzer Samstag für Tom Lüthi und seinen Manager. Am Vormittag haben die beiden offiziell Bescheid bekommen, dass sie nächste Saison keinen Platz mehr im aktuellen Team (Marc VDS) bekommen. Nicht in der MotoGP-Klasse. Nicht in der Moto2-WM. Graf Marc van der Straten hat sich gegen die Manager aus den Firmen seines Bierimperiums nicht durchsetzen können. Und am Nachmittag folgten ein Trainingssturz und der schmähliche 22. Rang mit einem Startplatz in der achten und vorletzten Reihe.
Offiziell hat Lüthi seine Rückkehr in die Moto2-WM noch nicht bestätigt. Epp sagt, warum: «Wir können das nicht offiziell verkünden, so lange wir noch bei unserem aktuellen Team unter Vertrag stehen.» Aber der Entscheid ist gefallen. Das MotoGP-Abenteuer ist zu Ende. Es geht nun noch darum, die zweite Saisonhälfte schadlos an Leib und Töff-Seele zu überstehen.
Die Zielsetzung ist klar: 2019 um den Moto2-WM-Titel fahren. Nun bleiben drei gute Optionen:
Das sind die drei Möglichkeiten, in solidem Team gutes Geld zu verdienen. In diesen drei Fällen müsste Tom Lüthi kein «Mitgift» mitbringen. Für den Platz in der MotoGP-Klasse mussten seine Sponsoren übrigens diese Saison 750'000 Euro in die Teamklasse von Marc VDS einzahlen.
Es gibt weitere Möglichkeiten. Aber die sind vorerst zweitrangig, weil «Mitgift» verlangt wird. Aber Tom Lüthi will 2019 nicht nur um den WM-Titel fahren. Er will auch wieder richtig Geld verdienen. Eigentlich wollte Daniel Epp bis zum GP in Brünn die Saison 2019 abgesichert haben – und das wäre der Fall gewesen, wenn Fred Corminboeuf den grossen Deal nicht verdorben hätte. «Aber nun wird es wohl mehrere Wochen dauern, bis wir eine Lösung haben.»
Brisant genug, dass auch Dominique Aegerter (28) um einen Platz in der Moto2-WM 2019 bangt, zittert und kämpft. Mit einem neunten Rang (dritte Startreihe) hat er seine Position verbessert. Kevin Aegerter kümmert sich ums Management und beginnt, am grossen Rad zu drehen. Dort, wo Tom Lüthi im Gespräch ist, bringt er auch seinen Bruder ins Spiel. Weil es nach wie vor höchst unsicher ist, ob der aktuelle Teamchef Jochen Kiefer (der mit Aegerter weitermachen möchte) die nächste Saison finanzieren kann.
Die Hektik ist gross wie nie in der Geschichte der Moto2-WM (seit 2010). Aus einem einfachen Grund: Nach wie vor gibt es die Absicht, die Anzahl WM-Startplätze zu reduzieren. Und darüber hinaus gerät die Moto2-WM immer mehr ins Sandwich zwischen den aufstrebenden Stars der Moto3-WM, die aufsteigen wollen und den gescheiterten MotoGP-Haudegen (wie Tom Lüthi), die absteigen müssen – es gibt zu viele Piloten und zu wenig Plätze in der Moto2-WM.
Nur ein Schweizer hat seinen Platz im Fahrerlager auch 2019 auf sicher, wenn er denn will: Jesko Raffin (22). «So, habe ich das?», fragt er erstaunt. Seine Chancen auf eine Rückkehr in die Moto2-WM sind inzwischen gleich null. Obwohl er vor dem Gewinn der Moto2-Europameisterschaft steht. So fragt Raffin ungläubig: «Bei welchem Team denn?» Ganz einfach: beim Schweizer Fernsehen. Er arbeitet ja diese Saison als TV-Töff-Experte und macht seine Sache so gut, dass er damit rechnen kann, dass er auch 2019 hinter dem Mikrofon sitzen wird. Dann hat er seinen Platz im Fahrerlager. Er sagt ja immer, sein Ziel sei ein Platz im GP-Fahrerlager 2019 …