Tom Lüthis Manager Daniel M. Epp hatte den Deal mit viel Umsicht eingefädelt. Sorgfältig mit den Fahrerlager-Generälen abgesprochen. Das Geschäft war so aufgebaut: Petronas braucht für nächste Saison einen zweiten Platz für die Moto2-WM, bekommt aber von Dorna (die Firma hält alle Rechte und managt den GP-Zirkus) keinen zweiten Platz. Es ist aber möglich, in Absprache mit Dorna Plätze von einem Team ins andere zu verschieben.
Fred Corminboeuf hat als Teamchef zwei Plätze (für den Briten Sam Lowes und den Spanier Iker Lecuona). Das Gerede geht, er sei in den Schulden wie ein Hund in den Flöhen. Warum also nicht den zweiten Moto2-Platz an Petronas verkaufen?
Fred Corminboeuf wäre mit diesem Deal seine Schulden (unter anderem eine sechsstellige Summe für Tom Lüthi aus der vergangenen Saison) losgeworden und es wäre eine schöne Summe für die Gegenwart und die Zukunft übrig geblieben.
Ein Deal also, der alle hätte glücklich machen können: Tom Lüthi hätte den zweiten Moto2-Platz bei Petronas für die Saison 2019 plus das ausstehende Salär vom letzten Jahr bekommen und Fred Corminboeuf wäre schuldenfrei geworden.
Hätte, wäre, könnte. Am Freitagnachmittag hat Fred Corminboeuf den schönen Deal völlig überraschend platzen lassen. «Das stimmt» sagt er auf Anfrage. «Ich habe Daniel Epp klargemacht, dass ich nächste Saison weiterhin zwei Plätze in der Moto2 WM für mein Team brauche.» Aber ist er denn nicht in den Schulden wie ein Hund in den Flöhen? «Ach was. Es wird halt viel geredet. Natürlich habe ich da und dort Zahlungsrückstände, nicht nur bei Tom Lüthi sondern auch bei meinem aktuellen Fahrer Sam Lowes.
Aber alles ist transparent, die Zahlungsmodalitäten sind geregelt und wer hat denn in diesem Geschäft nicht hin und wieder Geldsorgen? «Die Finanzierung meines Teams für nächste Saison mit zwei Piloten steht, ich brauche Epps Deal nicht. Das habe ich ihm klipp und klar gesagt». Und er lässt auch noch gleich ausrichten, dass er ein wenig an Dominique Aegerter denke, wenn er den Vertrag mit Sam Lowes nicht verlängern könne. Aber natürlich nur, wenn der Rohrbacher Geld bringe.
Die Sache ist ziemlich kompliziert. Eigentlich hat der belgische Biermilliardär Marc van der Straten ja mehrfach betont, dass Tom Lüthi nächste Saison in seinem Team die Moto2-WM bestreiten könne. Das Problem ist bloss: Der Graf ist zwar steinreich, aber nicht mehr im Management der Bierfirmen. Und seine Werbegeneräle wollen nächste Saison den zweiten Platz in der Moto2-WM neben Alex Marquez (der Bruder von Superstar Marc Marquez) auch an einen Spanier vergeben. An Xavi Vierge.
Und da zeichnet sich eine Option ab. Xavi Vierge hat eigentlich einen Vertrag für nächste Saison als zweiter Fahrer neben Marcel Schrötter im bayrischen Team «Dynavolt». Wenn also der Spanier geht, muss er ersetzt werden – und warum nicht durch Tom Lüthi? Eine helvetisch-bayrische Verbrüderung, ein Team mit Marcel Schrötter und Tom Lüthi in der Moto2-WM 2019? Warum nicht. Daniel Epp bestätigt auf Anfrage, dass er nun tatsächlich Gespräche in dieser Richtung führt.
Aber der kluge Manager und Freund von Tom Lüthi hat inzwischen noch eine dritte Option: Der Franzose Fabio Quartararo steigt in die MotoGP-Klasse auf. Sein italienisches Team (Speed Up) braucht einen Ersatz. Warum nicht Tom Lüthi? Und seit Tom Lüthis Ex-Freundin Fabienne Kropf vor Jahren mit Jorge Martinez Verhandlungen für einen Aufstieg in die MotoGP-Klasse geführt hat (sie hatte damals Daniel Epp beim managen unterstützt) unterhält der «Lüthi-Clan» beste Beziehungen zur spanischen Töff-Ikone. Er hat soeben sein MotoGP-Team an Petronas verkauft und wird nächste Saison mit zwei Piloten in der Moto2-WM mitmischen. Mit wem, ist noch offen. Auch da ist Tom Lüthi ein Kandidat. Aber Jorge Martinez ist geschäftstüchtig. Seine Höllenmaschinen fährt nur, wer zahlt.
Daniel Epp sagt, es gehe darum, den bestmöglichen Platz für die Moto2-WM 2019 zu finden – und zwar sportlich wie wirtschaftlich. Will heissen: das Team muss technisch gut aufgestellt sein (was bei Dynavolt, Speed Up und Jorge Martinez der Fall ist) und möglichst kein «Mitgift» verlangen. Sondern etwas für Tom Lüthi bezahlen.
Aber halt: Träumt Tom Lüthi nicht noch von einer MotoGP-Saison 2019? Der Traum ist zu Ende. Vorerst inoffiziell, bald auch offiziell. Auch gestern kam er im Training nicht über einen 22. Platz hinaus. Daniel Epp sagt: «Inzwischen hätten wir nur noch eine MotoGP-Option für die Saison 2019. Bei Avintia.» Dort verlange man aber eine «Mitgift» von 1,5 Millionen Euro um die Ducati zu fahren. «Das macht keinen Sinn. Selbst dann nicht, wenn wir die Summe unter einer Million bringen.» Also geht es zurück in die Moto2-WM.
«Hollywood im Fahrerlager»? Ja, die Szene am Freitagnachmittag ist filmreif. Kevin Aegerter ist jetzt als Manager für seinen Bruder Dominique tätig. Verzweifelt versucht er, die Moto2-Saison 2019 aufzugleisen. Als er vernimmt, dass Xavi Vierte bei «Dynavolt» geht, kramt er das Hosentelefon hervor, ruft hurtig bei den Deutschen an und rennt dann quer durchs Fahrerlager. Dominique Aegerter braucht ja auch noch dringend einen Platz in der Moto2-WM 2019. Ob sein aktuelles Team (Kiefer Racing) 2019 antreten kann, steht in den Sternen.
So haben wir nun die absurde Situation, dass Tom Lüthi (31) und Dominique Aegerter (27) auf der Suche nach einem neuen Team mit dem gleichen Team (Dynavolt) verhandeln. Die Situation lässt sich so zusammenfassen: Tom Lüthi wird in der Moto2-WM 2019 so oder so einen Platz haben. Sein Manager Daniel Epp arbeitet daran, den idealen Platz zu finden. Es geht nur noch darum, wie viel er verdienen kann.
Dominique Aegerter muss hingegen darum kämpfen, in der Moto2-WM 2019 überhaupt noch einen Platz zu finden. Und Jesko Raffin (22) kann nur noch ein Wunder 2019 in die Moto2-WM zurückbringen.