Die Besitzer der 32 NFL-Teams haben einstimmig einer weiteren Regeländerung zugestimmt, die American Football sicherer und Verletzungen seltener machen soll. Ab der nächsten Saison werden sogenannte Hip-Drop-Tackles mit einer 15-Yard-Strafe geahndet.
Gemäss der US-Liga sei die Verletzungsgefahr bei diesen Aktionen 20 bis 25 Mal grösser als bei anderen Tackles. Dabei hängt sich der Verteidiger an den Gegenspieler und lässt sich fallen, um diesen mit zu Boden zu reissen und den Spielzug der Offensive so zu beenden. Ein Foul ist es aber nur dann, wenn der Verteidiger sich zusätzlich dreht und auf den Unterschenkeln des Gegenspielers landet.
Here’s the video the NFL just showed in a press conference of what are now banned swivel hip-drop tackles (with NFL executive Jeff Miller speaking in the background). pic.twitter.com/Y4H8h6pQkW
— Tom Pelissero (@TomPelissero) March 25, 2024
Obwohl es den Verantwortlichen der US-Liga um die Sicherheit der Spieler geht, sind einige Profis alles andere als erfreut. Besonders die Verteidiger sind ausser sich vor Wut. Denn ihnen wird das Leben dadurch noch schwerer gemacht, indem ihnen immer weniger Möglichkeiten erlaubt sind, den Gegenspieler zu stoppen. So wurden die Schiedsrichter in den letzten Jahren unter anderem dazu angehalten, Vergehen an den Quarterbacks strenger zu ahnden.
Nach der neuerlichen Änderung fragt sich beispielsweise der frühere Quarterback Robert Griffin III bei ESPN: «Wie soll man einen Spieler nun noch von hinten zu Boden ringen?» Er verstehe zwar, dass die NFL den Sport sicherer machen wolle, doch seiner Meinung nach würden solche Regeln American Football für Defensivspieler unsicherer machen. Zudem führe die Regel zu zusätzlichen Strafen und einem unfairen Vorteil für die Offensive, was nicht im Sinne des Sports und der Fans sein könne.
Einen Schritt weiter geht Ex-Safety T. J. Ward: «Diese Regeln sind ein Witz. Kein Wunder, werden alle Offensivrekorde gebrochen, wenn die Verteidiger das Wohl der Offensivspieler über ihr eigenes stellen müssen.» Verteidiger-Legende J. J. Watt kommentiert sarkastisch: «Nehmt doch gleich die Gürtel mit den Flaggen.» Damit spielt er auf Flag Football an, wo Tackles nicht erlaubt sind und die Gegner durch das Wegziehen der Flagge gestoppt werden.
Doch auch viele aktuelle Spieler sind mit der Entscheidung nicht einverstanden. So hat sich die Spielervereinigung NFLPA klar dagegen ausgesprochen, weil sie nicht glaubt, dass diese Regelung gerecht durchgesetzt werden kann. Indianapolis-Star Kenny Moore fragte sich im Anschluss an das Bekanntwerden der Regeländerung: «Was wird nur aus dieser Liga?» Miamis Jevon Holland empfand diese als generelles Verbot von Tackles, während Runningback Mike Davis schrieb: «Als Offensivspieler muss ich sagen: Das ist verrückt.»
ESPN-Experte Shannon Sharpe ist da anderer Meinung. Der frühere Tight End glaubt, dass sich diese Hip-Drop-Tackles in den letzten Jahren deutlich gemehrt hätten und deshalb nun verboten werden mussten. Der 55-Jährige glaubt aber nicht, dass die Sicherheit der Spieler das Hauptmotiv der NFL-Verantwortlichen ist. Vielmehr sei es eine Reaktion auf die geringere Anzahl an Punkten in der vergangenen Saison, wie Sharpe sagt: «Sie wollten wieder höhere Punktzahlen, jetzt kriegen sie wieder höhere Punktzahlen.»
Der Gedankengang, dass es den Team-Besitzern in der Hinsicht auch um persönlichen Profit geht, scheint nicht weit hergeholt. Einerseits ist ein Grossteil der Allgemeinheit deutlich stärker an tollen Offensivspielzügen interessiert als an starken Defensivaktionen. Andererseits sind die Quarterbacks mit Abstand die wichtigsten Spieler und besitzen auch den grössten Berühmtheitsgrad. Deshalb hängt ihre Gesundheit auch mit den Zuschauerzahlen in den Stadien und vor allem vor den Bildschirmen zusammen – was sich dann wiederum auf dem Konto der Entscheidungsträger bemerkbar macht.