Ein Blick zurück reduziert die Bedeutung des ersten Gang beim Fest der Feste: Bei den 28 letzten eidgenössischen Festen seit 1943 haben nur zwölf Könige bereits den ersten Gang gewonnen: Willy Lardon (1945), Max Widmer (1958), Rudolf Hunsperger (1966, 1969), David Roschi (1972), Arnold Ehrensberger (1977), Ernst Schläpfer (1980), Harry Knüsel (1986), Jörg Abderhalden (2004), Kilian Wenger (2010), Matthias Sempach (2013), Matthias Glarner (2016) und Christian Stucki (2019).
Weitaus häufiger sind hingegen königliche Fehlstarts, die bisweilen sogar dramatischer Natur waren. Ernst Schläpfer kam 1983 in Langenthal am Samstag sogar in den ersten zwei Gängen nicht über zwei Gestellte gegen Ernest Schläfli und Johann Santschi hinaus – und schaffte die Titelverteidigung doch. Allerdings nur, weil es die königstreuen Kampfrichter nicht wagten, Ernst Schläpfer für seine extrem passive und destruktive Kampfweise bei der Notengebung mit der Wertung 8,75 zu bestrafen und ihm 9,00 Punkte schenkten. Was heute nicht mehr denkbar ist.
Mit zwei Gestellten begann noch ein anderer späterer König das Fest: Walter Flach 1953 in Winterthur mit zwei Remis gegen Peter Vogt (so wollte es damals eine kuriose Einteilung). Willy Lardon startet 1943 mit einem Remis gegen Andreas Eggenberger, Peter Vogt bleibt 1948 ohne Resultat gegen Arnold Fink, die «Eiche vom Seeland». Eugen Holzherr kann 1956 Walter Flach nicht bodigen, der Titan Karl Meli stellt 1961 in Zug zum Auftakt gegen Peter Nyffenegger und 1964 gegen Kurt Schild. Rudolf Hunsperger beginnt 1974 in Schwyz mit einem Gestellten gegen Karl Meli.
Peter Vogt produziert beim Eidgenössischen 1948 in Luzern mit einem Remis gegen Arnold Fink und einer Niederlage gegen Willy Egeter ebenso einen veritablen Fehlstart wie Adrian Käser 1989 in Stans mit einem Unentschieden (gegen Werner Vitali) und einer Niederlage (gegen Lorenz Arpagaus). Adrian Käser steht am Samstagabend nach vier Gängen gar nur auf dem 65. Zwischenrang. Nie vorher und nachher ist der spätere König von weiter hinten gekommen. Zweimal endet der erste Gang für den späteren Triumphator mit einer Niederlage: Für Jörg Abderhalden 1998 in Bern gegen Heinz Suter und für Nöldi Forrer 2001 in Nyon gegen Rolf Klarer.
Warum hat eine Niederlage oder ein Gestellter (Unentschieden) zum Auftakt für spätere Könige so oft keine Folgen? Dafür gibt es zwei wichtige Gründe. Erstens dauert das Eidgenössische als einziges Fest zwei Tage und geht über acht Gänge. So ist es eher möglich, Ausrutscher zu korrigieren, als bei einem Eintagesfest mit sechs Kämpfen wie etwa beim Unspunnen oder Kilchberger.
Zweitens nimmt ein Gestellter oder gar eine Niederlage zum Auftakt den Druck vom Favoriten weg: Er steht nicht an der Ranglistenspitze, kommt daher in der Einteilung vorläufig eher besser weg und darf im zweiten und dritten Fang mit weniger «bösen» Gegnern rechnen, die er mit einer Maximalnote besiegen kann.
Der Blick zurück sagt aber auch: Die vier letzten Könige haben das Fest mit einem Sieg begonnen: Kilian Wenger gegen Bruno Gisler (9,75 Punkte), Matthias Sempach auch gegen Bruno Gisler, Matthias Glarner 2016 gegen Daniel Bösch und 2019 Christian Stucki gegen Pirmin Reichmuth. Letztere drei mit der Maximalnote (10.00 Punkte).
Das bedeutet: Ein Sieg zum Auftakt bürstet und kämmt das Selbstvertrauen. Bei der Ausgeglichenheit des Feldes ist es einerseits jederzeit möglich, einen Fehlstart noch zu korrigieren. Andererseits kann der Verlust eines Viertelpunktes später die Schlussgang-Qualifikation kosten. Eine Maximalnote zum Auftakt hilft also schon: Was man hat, das hat man. Aber es bleibt, wie die Geschichte zeigt, bei einem Fehlstart doch ein Trost: Den ersten Gang nicht gewonnen? Na und?