Sie kam, sah und konnte es nicht glauben. Ester Ledecka gewinnt den olympischen Super-G in Jeongseong. Mit der Startnummer 26 schockt sie die Österreicherin Anna Veith, die schon über Gold gejubelt hat, und verdrängt die bis dahin Führende um eine Hundertstelsekunde.
WIR. SIND. FASSUNGSLOS!!! #Ledecka kann selbst nicht glauben, was gerade passiert ist. Der pure Wahnsinn. 😱😱😱 #PyeongChang2018 pic.twitter.com/8dx9W5SVAb
— Eurosport DE (@Eurosport_DE) 17. Februar 2018
Die Tschechin konnte es im Ziel selber nicht glauben, was sie da gerade vollbracht hatte. Sie schaute auf die Anzeigetafel, wo ihr Name auf Platz 1 geführt wurde, doch sie vermutete einen technischen Fehler und verzichtete auf Jubel-Gesten. «Die werden jetzt dann sicher gleich das korrekte Resultat einblenden», sei ihr in diesem Moment durch den Kopf gegangen, erklärte sie später.
Überraschungen sind in einem Olympiarennen immer möglich. Dass es aber ausgerechnet Ester Ledecka ist, ist eine regelrechte Sensation. Denn die 22-Jährige ist eigentlich im Snowboard zuhause. 2015 in Kreischberg gewann sie WM-Gold im Parallelslalom. 2017 in der Sierra Nevada ist es gar Gold im Parallelslalom und Silber im Parallelriesenslalom.
Seit 2016 startet sie allerdings auch im Weltcup der alpinen Skifahrer. 2017 feiert sie die ersten Erfolge. An der Weltmeisterschaft in St.Moritz fährt sie auf den guten siebten Rang in der Abfahrt. Ihr bestes Weltcup-Ergebnis ist ebenfalls ein siebter Platz (2017 in der Abfahrt von Lake Louise). Im Super-G fuhr sie bislang allerdings noch nie in die Top 15.
«Ich bin und bleibe eine Snowboard fahrende Skifahrerin oder eine Ski fahrende Snowboarderin», sagte die Tschechin kürzlich in einem Interview. Sie wisse gar nicht, wie man nur einen Sport betreiben kann.
Die Liebe zum Sport hat sie von der Familie vererbt bekommen. Ihr Grossvater Jan Klapac holte seinerseits zwei Olympia-Medaillen, allerdings im Eishockey mit der Tschechoslowakei. Mutter Zuzana war Eiskunstläuferin.
Dass Ledecka, die Technikerin auf dem Snowboard, auf den Skis ausgerechnet die schnellen Disziplinen ausgesucht hat, passt perfekt zu ihrem Naturell. Die Tschechin ist eine Draufgängerin, die immer das volle Risiko sucht.
Diese Qualität raubt ihr im Weltcup ein wenig die Konstanz. Oft begeht Ledecka in einem Rennen einen Fehler, der sie in der Rangliste zurückwirft. Heute, ausgerechnet an den Olympischen Spielen, geht es für einmal voll auf.
Ledecka war mit einem super schnellen Ski von Shiffrin im Einsatz. Auch ein Grund für ihren sensationellen Olympiasieg im SG. @srfsport #srfpyeongchang #srfski
— Jann Billeter (@JannBilleter) 17. Februar 2018
So zollt dann auch die Konkurrenz der Ausnahme-Athletin Respekt: «Für eine Snowboarderin war es eine brutal schnelle Fahrt. Das sind Geschichten, die Olympia schreibt», sagt die Deutsche Viktoria Rebensburg. SRF-Expertin und Abfahrts-Olympiasiegerin Dominique Gisin meint: «Die beiden Sportarten sind vielleicht nicht so weit auseinander, wie man das vielleicht denkt. Es geht darum, den Druck optimal auf den Schnee zu bringen. Und das Gefühl dafür hat Ledecka.»
Die Abfahrt wird die Super-G-Olympiasiegerin übrigens auslassen. Stattdessen konzentriert sie sich dann auf den Parallelslalom im Snowboard. Dort zählt sie – im Gegensatz zu heute – dann auch tatsächlich zu den Favoritinnen und hat die Chance, olympische Geschichte zu schreiben. Als Doppel-Olympiasiegerin – im Ski und im Snowboard.