2005 betrat Rafael Nadal die grosse Bühne und gewann in Paris erstmals das French Open. Bei 18 Teilnahmen gewann der «Stier aus Manacor» das Turnier 14 Mal, er kassierte in all den Jahren nur drei Niederlagen in seinem «Wohnzimmer» (2016 musste er vor dem Drittrunden-Spiel Forfait geben).
Doch in diesem Jahr fehlt der immer wieder von Verletzungen heimgesuchte Rafael Nadal in Roland Garros. Ob er das Turnier 2022 zum letzten Mal gewonnen hat? Der 37-jährige Sandplatzkönig hat angekündigt, dass er nächste Saison zurücktreten wird. «Mein Kopf wollte es nicht, aber mein Körper sagte ‹Stop›. Es ist Zeit für einen Schlussstrich», sagte Nadal, ehe er sich einer Hüft-OP unterzog.
Ohne die Überfigur der French Open stehen diese vier Spieler in den Halbfinals. Einer von ihnen wird Nadals Nachfolger:
Sein Spiel ist variantenreich, er verfügt über explosive Grundschläge, eilt für wuchtige Vorhandschläge oft ans Netz vor und streut immer wieder Stoppbälle ein. «Er kann alles erreichen», sagte Nadal bereits vor einem Jahr über Alcaraz. Mittlerweile wurde er dank des Sieges an den US Open 2022 zur jüngsten Weltnummer 1 der Geschichte.
Die Halbfinals von Roland Garros erreichte er mit nur einem Satzverlust in fünf Partien. Sein Erfolg in den Viertelfinals über Stefanos Tsitsipas – als Nummer 5 der Weltrangliste kein ahnungsloser Schülerbube – war eine Machtdemonstration.
Nun wartet mit Novak Djokovic jener Spieler, der in Paris als Einziger Nadal zwei Mal schlagen konnte (2015 im Viertelfinal, 2021 im Halbfinal). Alcaraz freut sich auf das Duell mit dem Serben: «Ich habe Djokovic Millionen von Malen am TV gesehen, in Halbfinals und Finals, wie er grosse Titel gewonnen hat. Jetzt selber in einem solchen Halbfinal gegen ihn anzutreten, ist ein wahr gewordener Traum.» Er würde gerne glauben, dass seine Jugend entscheidender sei, antwortete «Carlitos» mit einem Lächeln auf die Frage, ob die Erfahrung der entscheidende Punkt sein könne.
Für die langjährige Weltnummer 1 steht in Paris ein Rekord auf dem Spiel. Djokovic könnte sich mit einem 23. Grand-Slam-Titel alleine an die Spitze dieser Wertung setzen, bislang teilt er sich den Rekord mit Nadal.
Der «Djoker» verlor im bisherigen Turnierverlauf ebenfalls erst einen Satz: den ersten im Viertelfinal gegen Karen Chatschanow. Dass Alcaraz womöglich ein wenig stärker wirkte, muss beim unbändigen Kampfgeist und der immensen Erfahrung Djokovics nichts heissen.
«Wenn du der Beste sein willst, musst du die Besten schlagen» – das sagten vor dem Halbfinal, der für viele Beobachter ein vorweggenommener Final ist, gleich beide Spieler. Es wird erst das zweite Duell zwischen Djokovic und Alcaraz sein. Das erste ging im Vorjahr in Madrid, ebenfalls auf Sand, im Tiebreak des Entscheidungssatzes an den jungen Spanier.
Ein Jahr nach einem seiner schwärzesten Tage auf dem Tennis-Court steht der Deutsche erneut im Halbfinal der French Open. «Ich bin glücklich, so weit gekommen zu sein, aber hoffentlich habe ich noch zwei Spiele vor mir. Es wird nicht einfacher», sagte Zverev nach dem Viersatz-Sieg über den überraschenden Argentinier Tomas Etcheverry. Im Sommer 2022 bot sich ihm die Chance, mit einem Turniersieg die Weltnummer 1 zu werden. Doch in der Partie gegen Rafael Nadal knickte er um, riss alle drei Aussenbänder im Sprunggelenk des rechten Fusses und musste im Rollstuhl vom Court geschoben werden.
Nichts wurde es mit dem ersten Grand-Slam-Sieg für den Olympiasieger von Tokio, nichts mit dem Erreichen von Position 1 der Weltrangliste. Stattdessen ging es in der Rangliste nach unten, nach einer halbjährigen Verletzungspause konnte er nur selten überzeugen. Zu den French Open trat Zverev als Nummer 22 der Setzliste an.
In Paris sorgte er nicht nur mit dem Racket in der Hand für Aufsehen. Einerseits zeigte er sich locker, scherzte mit den Journalisten. Als ihn einer fragte, weshalb er von den Fans «Löwe» genannt werde, antwortete Zverev:
Andererseits wurde Zverevs Diabetes-Erkrankung zum Thema, weil ihm zunächst verboten wurde, auf dem Platz eine Insulin-Spritze zu setzen. «Nach was soll es denn aussehen? Dass ich mich dope auf dem Platz? Das ist eine Diskussion, die völlig sinnbefreit ist», befand «Sascha» Zverev, der nun wieder beim Seitenwechsel zur Spritze greifen darf.
Auch für den Norweger war die Ausgabe 2022 der French Open ein einschneidendes Erlebnis: Erstmals stand er in einem Grand-Slam-Final, später im Jahr gelang ihm das auch an den US Open. Doch in Paris hatte er gegen «König Rafa», mit dem er gut befreundet ist, nicht den Hauch einer Chance, die Coupe des Mousquetaires, die Siegertrophäe, an sich reissen zu können.
Wie für Zverev gilt auch für den in der Szene beliebten, weil fairen und integren, Ruud, dass die laufende Saison noch wenig zufriedenstellend verlief. «Umso schöner, dass ich nun hier gut spiele», sagte der Skandinavier, der neun seiner bislang zehn Turniersiege (alle bei ATP-250-Turnieren, der untersten Stufe) auf Sand feierte.
Vater Christian Ruud war einst der erste Norweger in den Top 100 der Welt, Sohn Casper will die beiden Nullen dieser Zahl tilgen. «Irgendjemand muss die Nummer 1 der Welt sein», sagte er schon vor drei Jahren. «Ich werde alles unternehmen, dass dort mein Name steht.» Nah dran war die aktuelle Nummer 4: Dank dem Finaleinzug an den US Open stiess Ruud bis auf Position 2 vor.
Noch ist Casper Ruud also nicht der Beste der Welt. Wie das geht, hat ihm sein eineinhalb Jahre jüngerer Bruder vorgemacht: Freestyle-Skier Birk Ruud wurde 2022 in Peking Olympiasieger im Big Air.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.