Vor einem Jahr lernte Dominic Stricker die Sonnenseiten des Tenniszirkus kennen, als er beim Heimturnier in Basel mit dem Norweger Casper Ruud einen dreifachen Grand-Slam-Finalisten besiegte und in den Viertelfinal vorstiess. Sponsoren und Medien standen Schlange, nachdem er zuvor bei den US Open den Achtelfinal erreicht hatte. Unvergessen, wie der Berner beim letzten Seitenwechsel vor seinem Sieg gegen Stefanos Tsitsipas bei Whitney Houstons Welthit «I Wanna Dance with Somebody» trällerte und bis über beide Backen grinste. Die Bilder davon gingen um die Welt.
Seither stand Stricker oft auf der Schattenseite. Eine Verletzung am Rücken hat ihn während eines halben Jahres ausser Gefecht gesetzt. Erst im Juni kehrte er zurück, in der Weltrangliste ist er auf Position 317 abgerutscht.
Erst vergangene Woche gelang ihm in Stockholm der Befreiungsschlag, als ihm in Stockholm der erste Sieg auf ATP-Stufe in diesem Jahr gelang. Mit einem weiteren Sieg gegen den früheren Wimbledon-Finalisten Matteo Berrettini erreichte Stricker sogar den Viertelfinal. Er sagt: «Es ist eine extreme Befreiung. Schön, war das Glück für einmal auf meiner Seite.»
Wichtig sei das Erfolgserlebnis auch für seinen Trainer gewesen, gesteht Stricker ein. Dieter «Didi» Kindlmann nahm nach dem Ausscheiden in der ersten Runde der US Open Ende August kein Blatt vor den Mund. «Es gibt nichts schönzureden: Das war ein absolut schlagbarer Gegner. Ich habe kein Problem damit, wenn Dominic verliert. Was mich nachdenklich stimmt: die Art und Weise. Wir müssen das Ganze jetzt genau analysieren», sagte Dieter Kindlmann damals gegenüber dem «TagesAnzeiger».
Stricker sagt, sie würden immer wieder sehr offene, kritische Gespräche führen. «Das ist mir persönlich auch wichtig. Didi kommuniziert sehr offen und ist diesbezüglich vorbildlich.» Der ehrgeizige Deutsche hatte 2023 sein Amt angetreten. Damals sagte Kindlmann: «Ich sehe auf alle Fälle das Talent und das grosse Potenzial bei Dominic, aber wir wissen auch, woran wir arbeiten wollen.» Stricker fehlten die körperliche Basis und Frische, um längerfristig zu bestehen. «Ihn dorthin zu bringen, ist meine Aufgabe.»
Nun, mit dem Erfolg von Stockholm im Rücken, wirkt Stricker gelöst, wenn er offen über die schwierigen letzten Monate spricht. «Ich kam aus einem Hoch und bin mit der Verletzung in ein sehr tiefes Loch gefallen», sagt der 22-Jährige. Anfang Oktober musste er bei einem Challenger-Turnier in den USA aufgeben. Wieder machte der Rücken Probleme. «Das war ein sehr schlimmer Moment für mich, weil es genau der Schmerz war, den ich davor über eine lange Zeit hatte. Alles ist wieder hochgekommen.»
Nach der Rückkehr in die Schweiz erfolgte die Entwarnung. Nun sagt Stricker: «Körperlich geht es mir gut, ich bin zufrieden mit meiner Fitness.» Gleichwohl mahnt er zur Geduld mit sich selber. Noch immer gebe es viele Ungewissheiten, sagt der Berner. «Die Frage ist, wie lange ich dieses Level halten kann. Ob Rückfälle geben wird. Das sind Dinge, die ich nicht weiss.
Erste Antworten auf diese Fragen erhält Dominic Stricker bei den Swiss Indoors, wo er in der Startrunde auf den Niederländer Tallon Griekspoor (28, ATP 37) trifft. Gross befasst hat er sich mit seinem Gegner nicht. «Ich konzentriere mich auf mich und mein Spiel», sagt der Berner. «Dann habe ich meine Möglichkeiten.» Auch hier wird es ein Sprung ins Ungewisse. (aargauerzeitung.ch)