Der Routinier behauptet sich verbandsintern auch im dritten Jahrzehnt seiner Karriere. Die Konkurrenz für einen Startplatz im Weltcup ist zwar im Skispringen in der Schweiz nicht sehr hoch. Gleichwohl gilt es die Leistung des Oldies zu respektieren. Der Toggenburger musste sich im vergangenen Winter, als er wegen einer sehr langen Sommerpause sowie Prüfungen an der Uni verspätet in die Saison eingestiegen war, via Continental Cup wieder an die erweiterte Weltspitze herantasten, um weltcuptauglich zu werden.
Dies gelang Ammann diesen Winter auf Anhieb: In den bislang acht Springen überstand er stets die Qualifikation (Top 50), viermal stiess er im Wettkampf in den Finaldurchgang vor. Dies ergibt Platz 34 im Gesamtweltcup. Die Fans in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen werden dem ältesten Springer im Feld applaudieren.
Im Dezember 1997 nahm die Schweiz vom damals 16-jährigen Gymnasiasten erstmals Notiz. Mit Platz 15 holte sich Ammann beim Weltcup-Debüt in Oberstdorf gleich den Startplatz für die Olympischen Spiele in Nagano. Im Dezember 2000 und 2022 reichte sein Niveau nicht für einen Startplatz zum Tournee-Auftakt im Allgäu. Aus diesem Grund fällt das 25-Jahr-Jubiläum für die Teilnahme an der Vierschanzentournee in die 27. Weltcupsaison.
Vom Spitzensport hat der Toggenburger noch nicht genug. Nach vier Olympia-Goldmedaillen, je einem Weltmeistertitel auf der grossen Schanze und im Skifliegen, dem Gesamtsieg im Weltcup und vier Overall-Podestplätzen bei der Tournee ist der Toggenburger nicht mehr darauf aus, sein Palmarès zu schönen. Zu Saisonbeginn meinte er beim Interview-Termin auf die Frage, ob es ihm um Nostalgie oder um den Spass am Fliegen gehe: «Der Spitzensport ist noch ein Projekt.»
Eines der zahlreichen Projekte, die der Familienvater meist erfolgreich unter einen Hut bringt: Neben den Teiljobs als Sportler und als Student der Betriebswirtschaft sitzt er im Verwaltungsrat der Toggenburger Bergbahnen, kümmert sich um ein sanierungsbedürftiges Hotel, tüftelt am Karbon-Schuh oder wirkt als Teilhaber in der Firma «Ammann Schmitt & Partner» mit, die auf Athletenmanagement, Sponsoring-Beratung, Rechtevermarktung und Testimonial-Werbung spezialisiert ist.
Ammann ist ein vielbeschäftigter Mann. Das Gespräch verliess er zeitig, da noch ein Termin mit der St. Galler Denkmalpflege anstand. Zuvor betonte er aber, dass er als Spitzensportler noch Ansprüche habe und nicht nur als Ausgleich an die Wettkämpfe reise. Der Entscheid, die Karriere fortzusetzen, sei kein einfacher, aber doch ein sinnvoller gewesen.
Als 42-Jähriger kann Ammann mit den physischen Fähigkeiten der Besten nicht mehr ganz mithalten. «Aber ich vergebe die gute Klassierung nicht beim Absprung, sondern im Flugteil», betonte er. «Ich will den Flugteil wieder so hinbringen, dass ich am Schluss nicht absacke.» Aus diesem Grund legt er mit dem neuen Trainer Rune Velta – als der 34-jährige Norweger im März 2010 im Weltcup als Athlet auftauchte, war Ammann bereits vierfacher Olympiasieger und mit dem gekrümmten Bindungsstab die unbestrittene Nummer 1 – den Fokus auf die Geschwindigkeit in der Flugphase gelegt.
Das Hauptaugenmerk gilt der Aerodynamik. «Ich muss es mit dem Gefühl und der Erfahrung hinkriegen», meinte er zum Saisonauftakt. Mit Platz 22 in der Qualifikation von Oberstdorf bewies er am Donnerstag nun, dass er dies gar nicht schlecht hinkriegt. (abu/sda)