Es ist in jedem Krieg schwierig, die Wahrheit zu finden. Das Gefühl sagt, dass die russischen Staatsmedien eher die eigene Sicht und Propaganda verbreiten, als objektiv zu berichten. Und das Problem ist, dass viele Russen nur diese Medien verfolgen können.
Es sei denn, man kann sich dank einer List auf anderen Kanälen an sie wenden. Rund 30'000 von Erik Lessers Instagram-Followern kommen aus Russland. Und so hatte der Biathlet aus Deutschland, ein zweifacher Weltmeister und zehnfacher Medaillengewinner bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, eine Idee.
Lesser bot der ukrainischen Biathletin Anastassija Merkuschina seine Plattform an, damit sie die russischen Follower über den Krieg aufklären konnte. «Ich glaube, der russischen Bevölkerung ist nicht ganz klar, was in der Ukraine wirklich abgeht», sagte Lesser im ZDF. «Und ich habe gedacht, wenn ich jetzt irgendwas poste, das glaubt mir doch kein Mensch. Wenn ich aber jemanden aus der Ukraine dazu bewege, dann ist das doch was ganz Ordentliches.»
In vier Postings zeigte Merkuschina Bilder der Zerstörung in ihrer Heimat. Dazu schrieb sie: «Ich möchte Ihnen den Krieg mit meinen eigenen Augen zeigen. Es ist schwer, die Wahrheit zu finden, also habe ich meine Freunde gebeten, mir Bilder zu schicken, die sie gemacht haben.»
Die 27-Jährige, die mit der ukrainischen Staffel vier WM-Medaillen gewann, wandte sich auch direkt an russische Biathleten, die wegen des Kriegs von den Wettkämpfen ausgeschlossen wurden. «Ihr seid empört über das Startverbot. Aber wie könnt ihr an Wettkämpfen teilnehmen, wenn euer Land unseren Verwandten und Freunden Maschinengewehre an den Kopf hält? Ihr wisst genau, was passiert, und euer Schweigen kostet Dutzende von Menschenleben. Ihr habt Angst vor der Wahrheit.»
Lessers Followerzahl stieg nach der Aktion an, von knapp 120'000 auf mittlerweile rund 150'000. Er habe auch einige negative Reaktionen erhalten, sagte der 33-Jährige.
«Ich hoffe, der Krieg ist so schnell wie möglich vorbei, dass die russischen Truppen heimkehren und die Ukraine frei sein kann.» Er wünsche sich, dass er seine Aktion fortsetzen und weiteren Athleten aus der Ukraine die Möglichkeit geben könne, die Wahrheit zu zeigen. «An all meine russischen Fans: Danke, dass ihr mir weiter folgt. Etwa ein Drittel verabschiedete sich, aber ihr seid immer noch hier. Ihr könnt die Mehrheit sein. Ihr seid der stille Widerstand. Versucht, euch so gut es geht, Gehör zu verschaffen!»
Lesser hatte im Januar viele neue Fans in Russland gewonnen, weil er dem russischen Biathlten Eduard Latypow geholfen hatte. Dieser musste nach einem positiven Corona-Test in Deutschland in Quarantäne, Lesser organisierte dem Konkurrenten ein Velo und eine Rolle, damit er fit bleiben kann.
Sportlich hat der deutsche Routinier ein erfreuliches Wochenende hinter sich. Am Sonntag wurde er im finnischen Kontiolahti Zweiter in der Verfolgung. Dank fehlerfreiem Schiessen stürmte Lesser von Platz 12 aufs Podest, nur der Franzose Quentin Fillot Maillet war noch besser.
Obwohl der Routinier nach wie vor zur Weltspitze gehört, ändert dieses Glanzresultat nichts an Erik Lessers Zukunftsplänen. Nach dieser Saison wird er zurücktreten. In der ARD hielt er fest: «Ich bin glücklich, wie es ist. Ich will Spass haben und es geniessen. Und es ist nicht schlecht, wenn man mit Spass aufhören kann.»
Sie entlarvt auch die russischen Sportler, die sagen, sie seien keine Politiker und können nichts tun.