Dong
Ob es je um liberale Werte ging, würde ich allerdings bezweifeln - wohl eher Wirtschafts-Interessen.
PS: Die Neoliberale Weltordnung kann mich mal.
Donald Trump glaubt zwar inzwischen auch, dass Jamal Khashoggi ermordet worden ist. Doch er weigert sich, die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen und harte Sanktionen gegen das Regime von Mohammed bin Salman (MBS) zu ergreifen. Zu viel steht für ihn auf dem Spiel: Waffenexporte in der Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar und die Achse USA-Israel-Saudi-Arabien gegen den Iran im Nahen Osten.
Nicht zufällig hat Trump Riad als erste Station als Präsident besucht. Saudi-Arabien ist ein autoritäres Königreich, das Gegenteil eines liberalen, demokratischen Rechtsstaates wie der Vereinigten Staaten. Doch Trump hat bekanntlich eine Vorliebe für Diktatoren wie Wladimir Putin oder Kim Jong Un.
Auch mit MBS versteht er sich bestens, nicht nur, weil der junge saudische Herrscher gerüchteweise geschäftlich mit ihm verbunden ist. Das Schicksal der Weltgemeinschaft hingegen kümmert ihn nicht. «Sagt Hello zum Zusammenbruch der liberalen Weltordnung, welche die USA einst gesichert haben», klagt daher der Historiker Robert Kagan in der «Washington Post».
Die These der liberalen Weltordnung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Auf den grauenhaften Ersten Weltkrieg und die noch schrecklicheren Verbrechen von Hitler und Stalin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgte nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Friedensphase unter dem Schutzschild der Amerikaner. Der Harvard-Politologe Joseph Nye schreibt dazu:
Zu diesem Schluss kommt auch Kagan, denn er ist überzeugt, dass es auch heute noch genügend totalitäre Herrscher mit bösen Absichten gebe. «Wir wollen glauben, dass Hitler und Stalin bloss bizarre Produkte einer anderen Ära waren», so Kagan. «Aber es gibt nach wie vor Hitlers und Stalins unter uns, die nur auf ihre Chance warten. Wir wissen beispielsweise, dass Wladimir Putin grosse Ambitionen hat, die er bisher noch nicht umsetzen konnte. Er verehrt Stalin, aber er ist nicht Stalin. Aber wie wird ein Putin sein, der nicht mehr kontrolliert wird (will heissen, von einer Schutzmacht wie den USA in Schach gehalten wird, Anm. d. Verf.)?»
Kagan fürchtet, dass der Zusammenbruch der liberalen Ordnung zu einer Welt im Sinne des Philosophen Thomas Hobbes führen wird, einer Welt, in der wieder jeder gegen jeden kämpft und alle nur ihren eigenen Vorteil suchen. Durch die Periode des langen Friedens nach dem Zweiten Weltkrieg verwöhnt, können wir uns im Westen die Schrecken dieser Welt nicht mehr vorstellen.
Doch hat es diese liberale Weltordnung überhaupt je gegeben? Nein, sagt der Harvard-Politologe Graham Allison. In einem Essay im Magazin «Foreign Affairs» demontiert er diese Vorstellung als Mythos. «Der ‹lange Friede› war kein Resultat einer liberalen Ordnung, sondern das zufällige Produkt einer gefährlichen Machtbalance zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten während den 45 Jahren des Kalten Krieges und einer kurzen Periode einer amerikanischen Dominanz», so Allison.
Ferner sei das US-Engagement nie getrieben gewesen «vom Wunsch, den Liberalismus in anderen Teilen der Welt zu fördern oder eine internationale Ordnung zu verteidigen. Es war getrieben von der Notwendigkeit, die liberale Ordnung zuhause aufrechtzuerhalten.»
Zudem: So friedlich sei diese liberale Weltordnung auch nicht gewesen. Während des Kalten Krieges hätten die beiden Supermächte jede Menge Stellvertreterkriege führen lassen, so Allison weiter. Nur das atomare Gleichgewicht des Schreckens habe einen heissen Krieg zwischen den beiden Supermächten verhindert.
Die Pfeiler der liberalen Weltordnung – Marshall-Plan, IWF, Nato – seien als Schutz gegen die Sowjetunion gegründet worden. «Jede dieser Initiativen diente als Baustein in einer Ordnung, die in erster Linie dazu diente, den sowjetischen Feind zu besiegen», so Allison.
Als Gegenpol zu den USA hat China die Sowjetunion abgelöst. Das, und nicht die Aussenpolitik von Trump, sei die eigentliche Bedrohung, stellt Allison fest. «Der Aufstieg Chinas, das Comeback von Russland und der Machtverlust der Vereinigten Staaten sind eine viel grössere Herausforderung als Trump», so Allison. «Und wir können der Frage nicht ausweichen: Ist Trump mehr ein Symptom als die Ursache für diesen Umstand?»