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Bundesrat: Keine soziale Absicherung für die Sharing Economy

epa05540025 An undated handout photo provided by Uber on 14 September 2016 shows an Uber self-driving car, in Pittsburgh, Pennsylvania, USA. The online ride-sharing and transportation company announce ...
Selbstgelenktes Uber-Taxi als Jobkiller.Bild: EPA/UBER

Das Problem mit Uber und Co. und warum es der Bundesrat nicht sieht

Die Plattform-Ökonomie droht, massiv Kaufkraft und soziale Netze zu zerstören. Bundesrat Schneider-Amman und seine Experten sehen das anders.
21.01.2017, 19:1022.01.2017, 08:03
werner vontobel
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Die Digitalisierung ist für die Unternehmen eine Herausforderung und es ist legitim, dass sich der Bundesrat überlegt, wie er sie dabei unterstützen kann. Aber was der Wirtschaft oder dem einzelnen Unternehmen nützt, ist nicht unbedingt gut für das ganze Land.

epa04571225 Detractors of Airbnb operations in New York hold signs during a rally at City Hall before a hearing on the subject of Airbnb in New York, New York, USA, 20 January 2015. The New York City  ...
Proteste gegen Airbnb in New York.Bild: JUSTIN LANE/EPA/KEYSTONE

Dank Uber kann jeder Auto-Besitzer in der Freizeit als Taxichauffeur arbeiten. Über ähnliche Plattformen können auch Handwerker, Steuerberater, Buchhalter usw. nebenbei noch etwas verdienen. Dank Airbnb wird jeder Hausbesitzer oder Mieter zum potentiellen Hotelier. Statt sich irgendwo fest anstellen zu lassen, kann sich via Internet jeder zum Angestellten seiner selbst machen.

Was geschieht mit dem Sozialstaat?

Der teure Laden an guter Lage wird durch billigen Lagerraum ersetzt. Insgesamt wird dadurch die Wirtschaft viel effizienter. Es gibt weniger Leerzeiten und die physischen Ressourcen (Autos, Wohnraum usw.) werden besser genutzt. All dies gibt es in Ansätzen schon. Doch wie sieht unsere Gesellschaft aus, wenn die Ansätze zur Norm werden? Möchten wir in einer solchen Welt leben?

Wie müssen wir diese neue Welt regulieren, damit sie noch lebenswert bleibt? Die Gefahren sind offensichtlich. Der wichtigste Punkt betrifft den Arbeitsmarkt. Bei uns ist er stark reguliert. Insbesondere muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass gut 30 Prozent der Lohnsumme in die Sozialwerke (AHV, BVG, ALV) einbezahlt werden.

Den Verelendungs-Wettlauf verhindern

ARCHIV - ZUM SDA-TEXT UEBER DEN VORMARSCH DER SHARING ECONOMY IN DER SCHWEIZ STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Eine Frau macht mit Hilfe der Mobility-App eine Reservation auf i ...
Mobility als Beispiel einer bürgernahen Sharing Economy.Bild: KEYSTONE

Die Plattform-Ökonomie bietet den Unternehmen die Möglichkeit, diese Kosten zu vermeiden und den ganzen bürokratischen Aufwand einzusparen. Deshalb können Uber, Airbnb & Co. ihre Produkte deutlich billiger als ihre Konkurrenten anbieten. Es entsteht eine Negativspirale, die auch die Löhne erfasst. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass die Arbeitseinkommen in deregulierten Arbeitsmärkten meist nicht einmal die laufenden Lebenskosten decken. Als Folge davon steigen die Sozialausgaben des Staates und die Lebenserwartung der Niedriglöhner sinkt.

Der Sieger dieses Verelendungs-Wettlaufs kann Monopolpreise oder Monopolgebühren durchsetzen. Airbnb etwa kassiert rund 15 Prozent des Hotelpreises. Bei Amazon liegt die Gebühr zwischen 15 und 20 Prozent.

Bundesrat will unternehmerischen Spielraum

Das ist wie eine private Mehrwertsteuer, mit dem Unterschied dass das Geld nicht (für Strassen, Schulen etc.) in den Wirtschaftskreislauf zurück fliesst. Das heisst nicht, dass man Plattformen wie Uber oder Airbnb verbieten soll. Aber man sollte sie so regulieren, dass die Vorteile überwiegen. Fragt sich: Vorteile für wen?

Die Antwort gibt der Bundesrat in seinem 177 Seiten starken «Bericht über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft» schon in der Einleitung unmissverständlich: «Voraussetzung dafür, dass Unternehmen die Chancen der Digitalisierung nutzen können, ist in erster Linie die Freiheit bzw. der unternehmerische Spielraum

Die Risiken werden bloss angetippt

Um diesen Spielraum nicht zu gefährden, «soll der digitale Wandel nicht durch vorschnelle und ungeeignete Regulierung beeinträchtigt werden.» Offenbar geht es dem Bundesrat nicht darum, wie die Digitalisierung zum Nutzen aller reguliert werden soll. Der Bundesrat sorgt sich bloss um den unternehmerischen Spielraum.

Taxifahrer versammeln sich zu einer Protestaktion und zum Start der Petition „Uber verbieten“ am Bahnhof in Basel am Mittwoch, 30. September 2015. Der Online-Taxivermittlungsdienst Uber gefaehrdet das ...
Gewerkschaften gegen Uber in Basel.Bild: KEYSTONE

In gewohnter Manier will er für die Wirtschaft die Rahmenbedingungen schaffen, dass sie die Möglichkeiten der Digitalisierung optimal nützen können, möglichst schneller als die ausländische Konkurrenz. «Die laufende Entwicklung ist primär eine Chance für den Wirtschaftsstandort Schweiz.»

Die Risiken der Digitalisierung werden bloss angetippt. Zum Arbeitsmarkt heisst es etwa: «Auch die soziale Absicherung (Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen) kann Fragen aufwerfen, da in der Sharing Economy häufig ausserhalb eines geregelten Arbeitsvertrags operiert wird.»

In Frankreich müssen Sozialleistungen bezahlt werden

Das wird aber nicht vertieft, weil der Bericht offenbar davon ausgeht, dass in der digitalen Wirtschaft bloss «zusätzliches, flexibel zu erzielendes Einkommen» erwirtschaftet wird. Auch das Problem der Monopolgebühren wird nur gestreift:  «Digitale Plattformen weisen gewisse Besonderheiten auf und haben oft eine Tendenz zur Konzentration.»

Was könnte man tun? Frankreich etwa verpflichtet die Plattformen, für die vermittelten Arbeitskräfte sämtliche Sozialleistungen plus eventuelle Mehrwertsteuer abzuliefern. Wäre das auch für die Schweiz eine Idee? Nein, gemäss Bericht besteht «kein diesbezüglicher Prüfungsbedarf». Wo käme man da hin?  

Flexible Ressource Mensch

Insgesamt geht der Bericht von einem sehr engen Begriff von Wirtschaft aus. Immer wieder ist die Rede davon, dass es die Digitalisierung ermögliche, «Ressourcen flexibler effizienter zu nutzen und den Wettbewerb zu intensivieren». Effizienz ist alles. Allerdings wird der «potentielle ökonomische Gewinn aufgrund ungenutzter Ressourcen» bloss auf vier Milliarden Franken oder 0,6 BIP-Prozent beziffert.

Der Preis dafür ist, dass die «Ressource Mensch» noch flexibler eingesetzt wird. Ausbeutung wird dabei billigend in Kauf genommen. Der Standortwettbewerb fordert seine Opfer. Fazit: Die Digitalisierung der Gesellschaft ist eine Gratwanderung mit Absturzgefahr. Die Sofa-Ökonomen aus dem Volkswirtschaftsdepartement sind als Bergführer nicht geeignet.

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93 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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poiuz
21.01.2017 22:12registriert Januar 2017
Auch Selbständigerwerbende zahlen Sozialabgaben. Wichtig wäre, dass alle Arbeiten richtig angemeldet und deklariert werden. Von Verboten halte ich nicht viel.
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Firefly
21.01.2017 19:58registriert April 2016
Effizienz ist alles? Wie bestimmt sich denn die Effizienz der Wirtschaft? Ist eine Wirtschaft die möglichst vielen eine Partizipation und auch eine gutes Leben ermöglicht, effizient oder ist eine Wirtschaft effizient, die möglichst viel Geld auf möglichst wenig Köpfe verteilt? Wir sollten mal über den Begriff der Effizienz sprechen. Soll die Wirtschaft den Menschen dienen oder die Menschen der Wirtschaft? Ich bin für Human first.
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Fredu
22.01.2017 08:49registriert Februar 2016
Mich stört noch ein ganz anderer Aspekt. Es ist ganz einfach ungerecht und bedenklich, dass Uber-Fahrer keinen Taxiausweis machen müssen. Was sie machen nennt sich "gewerblicher Personentransport" und der ist verboten ohne entsprechende Prüfung der Fahrkünste. Zudem muss der Inhaben dieses Ausweises, alle paar Jahre zum Vertrauensarzt um festzustellen, dass er fahrtüchtig ist. Beides ist mit Kosten verbunden und dient der Sicherheit im Strassenverkehr. Schon mal darüber nachgedacht?
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Schweizer Bevölkerung weiss, wie sie 13. AHV NICHT finanzieren will – die Sonntagsnews
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Nach der Annahme der 13. AHV-Rente hat die Schweizer Bevölkerung Finanzierungsquellen aus der eigenen Tasche abgelehnt. Höhere Mehrwertsteuer, höhere Lohnabgaben und höheres Rentenalter schnitten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov schlecht ab, wie die «NZZ am Sonntag» schrieb. Die beliebteste Idee war demnach eine Steuer auf Finanztransaktionen. Für 64 Prozent der Befragten zählte sie zu den drei wichtigsten Finanzierungsmassnahmen für die 13. AHV. Auch die Finanzierung durch Einsparungen beim Militär oder bei der Entwicklungshilfe stiessen auf Anklang. Insgesamt geht es um Mehrkosten von vier bis fünf Milliarden Franken.

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