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Wien wird abwechselnd mit Zürich zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt erkoren. Österreichs Wirtschaft brummt – und trotzdem: Am vergangenen Wochenende haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger beinahe einen Mann zum Präsidenten gemacht, der offen mit Deutschtümelei und Rassismus kokettiert und einer Partei angehört, die niemals ihre faschistische Vergangenheit aufgearbeitet hat.
Donald Trumps triumphaler Aufstieg fällt in eine Zeit, in der die Arbeitslosenquote unter fünf Prozent gefallen ist – das gilt in den USA als Vollbeschäftigung – und in der erstmals seit langem die Löhne wieder steigen. Die Briten werden in rund einem Monat möglicherweise einem Austritt aus der EU beistimmen. Wirtschaftliche Gründe dafür gibt es keine, im Gegenteil, alle führenden Ökonomen und Manager warnen ausdrücklich vor einer möglichen Rezession als Folge.
Ganz bitter sieht es im Osten aus. Putin, Orban, Kazinsky, Fico: Überall sind starke Männer am Ruder. Sie verbreiten faschistoides und nationalistisches Gedankengut. In der Türkei hat sich derweil Recep Erdogan mehr oder weniger zum Alleinherrscher gemacht. Frankreich und Deutschland unterscheiden sich von diesen Ländern nur in einem Punkt. Dort hetzen Frauen, Marine le Pen beim Front National und Frauke Petry bei der AfD. In der Schweiz schlägt die neue SVP-Generation Töne an, die bis zur Jahrhundertwende noch undenkbar waren.
Angst vor Flüchtlingen, Backlash gegen die Globalisierung und der technische Fortschritt sind die meist genannten Gründe für diese Entwicklung. Das trifft zweifellos zu einem guten Teil zu. Der westliche Mittelstand fühlt sich von Feinden umzingelt, sieht seinen Arbeitsplatz in Gefahr und lebt in Panik, in prekäre Zustände abzugleiten. Die vulgär-marxistische Formel von «das Sein bestimmt das Bewusstsein» greift jedoch zu kurz. Letztlich wird der moderne Wohlstandsfaschismus von Irrationalität befeuert.
Seit es Menschen gibt, führen sie Krieg. Die Stammesgesellschaften hatten sogar eine «leidenschaftliche Liebe zu Krieg», wie es der französische Pierre Clastre formuliert hat. Weil es nichts zu erobern gab, hatten die Kriege der Stammesgesellschaften jedoch kaum wirtschaftliche Gründe. Es ging vielmehr darum, die Herrschaft der Männer über die Frauen zu sichern, die Gemeinschaft der Männer untereinander zu stärken – und die Langweile zu überwinden.
All diese Elemente finden wir in der modernen Gesellschaft wieder. Über die Verunsicherung der Männer sind reihenweise Bücher geschrieben und Studien verfasst worden, ebenso über die zunehmende Vereinsamung der Menschen. In der modernen Gesellschaft breitet sich die Langeweile aus, vor allem bei den jungen Männern. Tiefgelegte BMWs oder Schlägereien unter Fussball-Hooligans sind bloss ein dürftiger Ersatz.
Der Soziologe Bernhard Heinzelmaier spricht in der «Süddeutschen Zeitung» denn auch Klartext:
In der Politik sehnen sich immer mehr Menschen danach, dass endlich wieder etwas passiert. Man hat die Schnauze voll von den ewig gleichen Parteien. Selbst die Demokratie gerät immer mehr in Verruf. Wolfgang Koschnick trifft den Nerv der Zeit, wenn er in seinem Buch «Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr» schreibt: «Die entwickelten Demokratien sind gigantische Fehlkonstruktionen, die laufend Krisen und Katastrophen erzeugen und nicht in der Lage sind, auch nur einfache Probleme pragmatisch und nachhaltig zu lösen.»
Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges verblassen allmählich und machen männlichen Allmachtsfantasien Platz. Im Krieg kann auch zum Helden werden, wer nicht das Zeug zum Spitzenfussballer, Rockstar oder IT-Genie hat. Mut und die Möglichkeit, sein Leben in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, mit Kameraden eine «mission impossible» durchziehen und dabei Familie und Vaterland zu beschützen, erscheinen so plötzlich wieder als attraktive Alternative zum drögen und grauen Alltag der modernen Gesellschaft.