So lange ist es nicht her, da geisterte der Begriff «Chinamerica» durch die Medienlandschaft. Darunter verstand man die fast symbiotische Beziehung zwischen China und den USA, die im Wesentlichen darin bestand, dass die Chinesen viel und billig produzierten und die Amerikaner viel und auf Pump konsumierten. Damit ist definitiv Schluss. Der neue Präsident Trump findet Handelsdefizite schlecht und will alles daran setzen, die Leistungsbilanz mit China auszugleichen.
Doch es ist nicht ein möglicher Handelskrieg, der Analysten der Geopolitik Bauchgrimmen verursacht. Es ist ein Zitat Rex Tillersons vor dem Senat. Darin geht es um die künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer. Die Vereinigten Staaten müssten «China ein klares Signal senden, dass diese Insel-Bauerei erstens gestoppt werden, und zweitens, dass der Zutritt zu diesen Inseln den Chinesen verwehrt werden muss», so der nominierte neue US-Aussenminister.
Um die Brisanz dieser Äusserung zu erfassen, muss kurz die Strategie Pekings in diesem Gebiet erläutert werden. Seit ein paar Jahren verfolgt China eine Strategie, die offiziell «One Road, One Belt» genannt wird. Es handelt sich dabei um eine Art moderne Seidenstrasse. Damit soll der Einfluss Chinas bis nach Europa und in die Ölregionen des Nahen Ostens ausgebaut werden.
An der neuen Seidenstrasse wird mit Volldampf gearbeitet. So hat China in der pakistanischen Stadt Gwadar einen modernen Hafen finanziert, der gleichzeitig kommerziellen und militärischen Zwecken dienen kann. Gwadar ist Teil einer «Perlenkette», Basen, die Peking vom Südchinesischen Meer bis in den Indischen Ozean errichten will, um seinen maritimen Hinterhof zu schützen und Zugang zu den Rohstoffen von Afrika und dem Nahen Osten zu sichern.
Die «Financial Times» hat kürzlich den Fortschritt der neuen Seidenstrasse unter die Lupe genommen und ist dabei in Anlehnung an den ehemaligen Slogan der Weltmacht Grossbritannien zum Fazit gekommen: «China rules the waves» (Früher hiess es natürlich «Britannia rules the waves».)
«Das Auftauchen Chinas als eine maritime Supermacht ist eine Herausforderung an die Vorherrschaft der USA in diesem Gebiet, die ein wichtiger Teil der Pax Americana darstellt, der Periode des relativen Friedens seit dem Zweiten Weltkrieg», so die «Financial Times».
Sollten die Amerikaner tatsächlich versuchen, den Chinesen den Zugang zu den künstlichen Inseln zu verweigern, dann würde das von Peking als Kriegshandlung interpretiert werden. Das schreckt auch die Analysten in den USA auf. Charles M. Blow zitiert in der New York Times Bonnie Glaser, eine Asienspezialistin am Center for Strategic and International Studies in Washington:
Auch der Economist äussert grösste Bedenken. Trump habe völlig verantwortungslos begonnen, «Amerikas sorgfältig genähtes Beziehungsnetz mit der aufstrebenden Supermacht China zu zerreissen» und setze dabei wichtigste bilaterale Beziehungen aufs Spiel, so das Wirtschaftsmagazin.
Charles M. Blow gibt sich alarmiert: «Dieser Mann mit seinem losen Maulwerk und seinen twitternden Daumen könnte uns tatsächlich in einen Krieg drängen, und nicht mit einem Land wie Afghanistan, sondern mit einer Nuklearmacht, die etwas zu beweisen hat.»