Wirtschaft
Interview

«Abstimmen per Internet wird sich weltweit durchsetzen»

Mandatory Credit: Photo by Amos Chapple/REX (4131200f)
The "Toompea" in Tallin's old town, Estonia
Aerial views of Europe taken using a drone - Sep 2014
*Full story: http://www.rexfe ...
Die Altstadt von Tallinn. Estland unternimmt alles, um die weltweit führende Nation in digitalen Zeitalter zu werden. Bild: REX
Interview

«Abstimmen per Internet wird sich weltweit durchsetzen»

Seit mehr als zwölf Jahren können die Menschen in Estland ihre Stimme per Internet abgeben. Das sei nicht nur sicher, es sei auch bequem, sagt Tarvi Martens, der für dieses elektronische Abstimmungssystem verantwortlich ist.
07.01.2018, 10:1211.01.2018, 15:10
Mehr «Wirtschaft»

Seit 2005 können die Menschen in Estland elektronisch abstimmen. Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?
Das Programm wird immer populärer. Inzwischen geben rund ein Drittel der Menschen in Estland ihre Stimme per Internet ab.  

Sind das vor allem junge Wählerinnen und Wähler?
Anfänglich waren es tatsächlich vor allem junge Männer, die so abgestimmt haben. Das hat sich geändert. Inzwischen entspricht das Profil des Internet-Wählers dem Profil des durchschnittlichen Wählers: Alte und Junge, Frauen und Männer sind gleichermassen vertreten.  

Tarvi Martnes ist verantwortlich für das elektronische Wahlsystem in Estland. Er wird am Dienstag, den 27. Januar 2018, am 1. Swiss E-Voting Event als Redner auftreten. Der Anlass findet im SIX C ...
Tarvi Martnes ist verantwortlich für das elektronische Wahlsystem in Estland. Er wird am Dienstag, den 27. Januar 2018, am 1. Swiss E-Voting Event als Redner auftreten. Der Anlass findet im SIX Convention Point an der Pfingstweidstrasse 110 in Zürich statt.  

Sind ältere Menschen nicht überfordert?
Überhaupt nicht. Das System ist sehr einfach zu bedienen. Und es ist vor allem auch sehr bequem. Niemand muss sich mehr bei Wind und Wetter in ein Stimmlokal begeben. Gerade deswegen wird das Programm immer beliebter.  

Ein solches Programm muss nicht nur einfach zu bedienen, es muss auch sicher sein. Lässt sich das unter einen Hut bringen? Ist die Gefahr des Wahlbetrugs nicht sehr gross?
Nein. Das System setzt voraus, dass der Wähler gleichzeitig einen Computer und sein Smartphone einsetzt. Das verhindert, dass man es mit einem Trojaner überlisten kann und macht das ganze System sehr sicher. (Ähnliche System werden in der Schweiz von Banken für den elektronischen Zahlungsverkehr eingesetzt. Anm. d. Red.)  

«Wir können unser politisches Wahlsystem genauso effektiv schützen wie die Banken ihr System zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs.»

Seit bekannt ist, dass Russland die US-Wahlen beeinflusst hat, herrscht weltweit Angst vor Wahlmanipulation durch fremde Mächte. Gerade Estland wurde ja einst Opfer einer russischen Cyberattacke.
Russland hat in den USA nicht das technische System angegriffen, sondern versucht, die Menschen in ihrem Wahlverhalten zu manipulieren. Deshalb kann ich keine Gefahr für das System erkennen. Wir können unser politisches Wahlsystem genauso effektiv schützen wie die Banken ihr System zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs.  

Findest du Abstimmen per Internet eine gute Sache?

In der Schweiz ist die Skepsis gegen ein Wahl- und Abstimmungsverfahren per Internet sehr gross. Wie kann diese Skepsis überwunden werden?
Überhaupt nicht. Es ist eine Frage der Zeit, bis sich diese Systeme überall auf der Welt durchsetzen werden.

Abstimmung an der Landsgemeinde am Sonntag, 7. Mai 2017 in Glarus. Die Versammlung, die jedes Jahr am ersten Mai-Sonntag stattfindet, ist das oberste gesetzgebende Organ des Gebirgskantons. Sie ist ei ...
Es geht auch ohne Internet: Landsgemeinde in Glarus.Bild: KEYSTONE

Weshalb? Die Schweizer Demokratie hat bisher auch ohne Internet bestens funktioniert.
Ja, aber mit einem elektronische Wahl- und Abstimmungsverfahren wird sie dereinst noch besser funktionieren. 

Was ist mit der Angst vor Big Brother? Vielen Menschen ist die Vorstellung nicht geheuer, dass die Regierung weiss, ob und wie ich abgestimmt habe.
Das ist eine eingebildete Angst. Unser System ist inzwischen so verlässlich, dass wir eine solche Überwachung ausschliessen können.

Ab wann können wir online abstimmen?

Video: srf

Wahlfälschung in der Schweiz

1 / 5
Wahlfälschung in der Schweiz
Christoph Blocher wurde 1994 wegen Wahlfälschung gerügt, nachdem er im Nationalrat bei einer Abstimmung für eine abwesende Kollegin die Stimme mitabgegeben hatte.
quelle: keystone / valentin flauraud
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
69 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
rolf.iller
07.01.2018 11:28registriert Juli 2014
Na toll die Esten als Vorbild. Die mussten vor kurzem alle Smartcards im Land auswechseln, weil die Karten während Jahren einfach hackbar waren. Die Demokratie auf was zu basieren, was andere Staaten leicht manipuliren können, ist eine richtig schlechte Idee.
8619
Melden
Zum Kommentar
avatar
Halb Wissen
07.01.2018 10:56registriert August 2017
Kein System ist absolut sicher.
605
Melden
Zum Kommentar
avatar
reaper54
07.01.2018 11:18registriert März 2015
«Wir können unser politisches Wahlsystem genauso effektiv schützen wie die Banken ihr System zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs.»

Dass dieses System nicht sicher ist wurde ja bewiesen, das weltweite Bankenüberweisunssystem wurde schon böse ausgenommen.
Das Problem am elektronischen Abstimmen ist nicht der Login Prozess, logisch kann man den mit two factor Authentifizierung extrem sicher machen. Das Problem ist die Software selber und noch dazu die Hardware. Bei interesse kann man die Demokratie so sehr leicht angreifen. Die potentiellen Gegner sind ja keine kleinen Havker sondern Staaten.
393
Melden
Zum Kommentar
69
Bitcoin verursacht Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr – fast doppelt so viel wie die Schweiz
Der Bitcoin hat derzeit einen doppelt so grossen CO₂-Fussabdruck wie die Schweiz. Dies geht aus einer Auswertung des Krypto-Portals Digiconomist hervor.

Auf das Jahr gerechnet, verursacht das Netzwerk der Kryptowährung aktuell 90,93 Millionen Tonnen CO₂. Zum Vergleich: Die Treibhausgasemissionen der Schweiz beliefen sich zuletzt auf rund 45 Millionen Tonnen jährlich.

Zur Story