Wirtschaft
Schweiz

Nach dem Aus für die Credit Suisse beginnt das grosse Aufräumen

Passantinnen gehen am Gebaeude einer Filiale der Schweizer Grossbank Credit Suisse CS vorbei, am Mittwoch, 24. Mai 2023, an der Madison Avenue in New York, USA. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
CS-Filiale in New York: Im Ausland dürfte der Name rasch verschwinden.Bild: keystone

Das Ende der Credit Suisse: Jetzt beginnt das grosse Aufräumen

Am Montag wurde die Aktie der Credit Suisse das letzte Mal gehandelt. Doch das ist nicht das Ende der Geschichte. Geschäftlich, politisch und juristisch gibt es einiges aufzuarbeiten.
13.06.2023, 13:5413.06.2023, 14:34
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Die 167-jährige turbulente Geschichte der Credit Suisse als eigenständige Grossbank ist zu Ende. Am Montag vermeldete die UBS den endgültigen Abschluss der vom Bundesrat per Notrecht verordneten Übernahme der einstigen Rivalin. Sie tat dies in Form eines «offenen Briefs» in den Zeitungen, in dem sie nicht mit markigen Worten sparte.

Welchen Strukturwandel der Schweizer Finanzplatz in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, zeigt sich am Swiss Market Index (SMI). Als er 1988 kreiert wurde, stammten sechs der 20 Aktienwerte von Banken. Jetzt ist nur noch die UBS darin vertreten. Die Aktie der Credit Suisse wurde am Montag zum letzten Mal an der Schweizer Börse gehandelt.

Sie schloss bei 82 Rappen. Das ist weniger als ein Prozent des Höchststands von knapp 100 Franken, den sie im Jahr 2000 erreicht hatte, kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Für die Kunden ändert sich auf den ersten Blick nichts, denn der Name Credit Suisse bleibt vorläufig. Bis die Übernahme vollständig «verdaut» ist, wird einige Zeit vergehen.

«Uns steht in den nächsten Monaten ein holpriger Weg bevor», sagte UBS-Chef Sergio Ermotti letzte Woche am Swiss Economic Forum (SEF) in Interlaken mit Blick auf die Integration und Restrukturierung der Credit Suisse. Es gilt, zwei Kulturen miteinander zu verschmelzen, die sich in den letzten Jahren ziemlich unterschiedlich entwickelt hatten.

Die Bank

Seit das Ende der CS am 19. März besiegelt wurde, haben zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bank verlassen. Jenen, die geblieben sind, gab die neue Eigentümerin den Tarif durch. Die UBS habe eine Liste mit fast zwei Dutzend «roten Linien» erstellt, vermeldete die über CS-Interna stets bestens informierte «Financial Times» am Montag.

Demnach wird den ehemaligen CS-Leuten die Aufnahme von Kunden aus Ländern wie Russland, Sudan und Venezuela verboten, ebenso die Lancierung von komplexen Finanzprodukten. Es handelt sich offenkundig um eine Reaktion auf die Bereitschaft der CS, übertriebene Risiken einzugehen, die letztlich zum Untergang der Bank geführt hatte.

Der CEO der UBS, Sergio Ermotti anlaesslich des Swiss Media Forum vom Freitag, 12. Mai 2023 im KKL in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
UBS-Chef Sergio Ermotti hat mit der Integration der CS noch viel Arbeit vor sich.Bild: keystone

Sergio Ermotti relativierte den Bericht am Montag im Interview mit SRF, ohne ihn zu dementieren. Noch offen ist, wie es mit der Marke Credit Suisse weitergehen wird. Finanzexperten gehen davon aus, dass sie im Ausland rasch verschwinden dürfte. Zu stark haben die vielen Skandale der letzten Jahre die Strahlkraft des Namens ramponiert.

Wie es mit der CS Schweiz weitergehe, werde bis im Sommer eingehend analysiert und geprüft, sagte Ermotti am SEF. Spekuliert wird über eine Weiterführung als eigenständige Tochtergesellschaft. Für die «Handelszeitung» sind dies «Träumereien». Eine Credit Suisse 2.0 würde sich nicht rechnen – «und wohl auch volkswirtschaftlich wenig Sinn machen».

Die Politik

Es sei international «mit grosser Dankbarkeit» aufgenommen worden, dass die Schweiz mit der Notübernahme der CS durch die UBS eine möglicherweise weltweite Finanzkrise verhindert habe, betonte Nationalbank-Präsident Thomas Jordan in Interlaken. Das ändert nichts daran, dass mit der Hauruck-Übung einige offene Fragen verbunden sind.

National- und Ständerat wollen sie mit einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) beleuchten. Es ist erst das fünfte Mal, dass das schärfste Aufsichtsinstrument des Parlaments aktiviert wird. Nach der Sommersession wird die PUK zur CS-Übernahme ihre Arbeit aufnehmen. Wegen der Komplexität der Materie dürfte sie mehr als ein Jahr dauern.

Isabelle Chassot, Mitte-FR, spricht mit einem Ratskollegen, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 12. Juni 2023 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot wird als PUK-Präsidentin gehandelt.Bild: keystone

Noch offen ist das Präsidium. Der bisherige SP-Fraktionschef Roger Nordmann hat sich selbst angeboten, doch ihm werden wenig Chancen eingeräumt. Bessere Aussichten scheint die Freiburger Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot zu haben, auch weil alle vier bisherigen PUKs von Männern aus der Deutschschweiz präsidiert worden waren.

Mit dem PUK-Bericht aber wird das Kapitel Credit Suisse für die Politik kaum abgeschlossen sein. Am letzten Freitag unterzeichnete Finanzministerin Karin Keller-Sutter den Vertrag über die Bundesgarantie von neun Milliarden Franken zur Deckung von CS-«Altlasten». Die UBS muss die ersten fünf Milliarden übernehmen, doch es ist fraglich, ob das reichen wird.

Die Justiz

Der Skandalreigen der Credit Suisse hat zu diversen rechtlichen Verfahren geführt, die mit der Übernahme durch die UBS keineswegs abgeschlossen sind. Ende Mai hat ein Gericht in Singapur die CS zur Zahlung von 926 Millionen US-Dollar an den georgischen Milliardär Bidzina Ivanishvili verurteilt. Er war von einem CS-Berater in Genf betrogen worden.

Die Credit Suisse kündigte Berufung an, doch es sind weitere Fälle hängig. Im September beginnt in London der Prozess wegen Krediten über rund zwei Milliarden Dollar, die britische CS-Banker eigenmächtig an Mosambik vergeben und die das ostafrikanische Land in den Staatsbankrott gestürzt hatten. Die CS hat in diesem Fall schon eine hohe Busse bezahlt.

Es könnte teuer werden, auch für den Bund. Denn da wären noch die sogenannten AT1-Obligationen im Umfang von 16 Milliarden Franken, die von der Finanzmarktaufsicht Finma nach der Übernahme abgeschrieben wurden. Die Inhaber der Anleihen erlitten einen Totalverlust, mit dem sich viele nicht abfinden wollen. Bereits wurden Klagen eingereicht.

Kenner der Materie bezeichneten sie gegenüber der «NZZ am Sonntag» als «unverschämt». Tatsächlich handelt es sich um spekulative Anleihen mit entsprechend hohen Zinsen und hohem Ausfallrisiko. Allerdings haben sich renommierte Anwaltskanzleien an den Klagen beteiligt. Sie täten dies kaum, wenn sie nicht eine Erfolgschance wittern würden.

Diese Beispiele zeigen, dass es Jahre dauern dürfte, bis die Übernahme der Skandalbank Credit Suisse definitiv bereinigt ist. Die Finma kündigte am Montag an, sie wolle die fusionierte Bank während der Integration «sehr intensiv beaufsichtigen». Denn mit der «neuen» UBS hat die Schweiz nur noch eine Grossbank, die erst recht «too big to fail» ist.

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