Im März 2023 kollabierte die Grossbank Credit Suisse. Nach einer schier unglaublichen Serie von Skandalen und einer Bankenkrise in den USA ergriffen die Kunden scharenweise die Flucht. Der Bundesrat «verschacherte» die CS in einer Hauruck-Übung mit Notrecht an die UBS. Und nun sorgt schon wieder eine Schweizer Bank für negative Schlagzeilen.
Die Zürcher Privatbank Julius Bär musste Ende November in einer Mitteilung einräumen, dass sie Kredite von 606 Millionen Franken «an verschiedene Einheiten innerhalb eines europäischen Konglomerats» vergeben hat. Der Name wurde damals nicht genannt, doch es war klar: Es handelt sich um die Signa Holding des schillernden österreichischen «Immobilienkönigs» René Benko.
Jetzt will Julius Bär reinen Tisch machen: CEO Philipp Rickenbacher tritt zurück. Die Privatbank schreibt zudem das gesamte Kreditengagement an die Signa-Gruppe ab. Wegen der hohen Abschreibung halbiert sich der Konzerngewinn 2023 und fällt mit 454 Millionen Franken um 52 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres aus.
Die NZZ fuhr in einem Kommentar grobes Geschütz auf: Die noble Privatbank sei «über Jahre einem Alchimisten aufgesessen». René Benko habe vorgegeben, Beton in Gold zu verwandeln. «Dabei stapelte er bloss viel Fremdkapital in einen labilen Turm aus Firmen, Sub-Firmen und Sub-Sub-Firmen.» Nun könnte das Gebilde zusammenbrechen.
Hier ist eine Klammerbemerkung angebracht: Das Private Banking wird als vergleichsweise sicher und langweilig beschrieben. Doch es beschränkt sich nicht darauf, die Vermögen superreicher Kundinnen und Kunden zu verwalten. Ihnen werden auch strukturierte Kredite vergeben. «Private Debt» nennt sich der Geschäftsbereich im Fachjargon.
«Solche Kredite sind komplex», schreiben die Tamedia-Zeitungen. Für die Banken lohnten sich solche Geschäfte, weil sie einen deutlich höheren Zins als für klassische Hypothekar- oder Firmenkredite verlangen könnten. Gleichzeitig steigen die Risiken, weshalb die hinterlegten Sicherheiten entscheidend seien. Diese sind im Fall von Signa gefährdet.
Dabei waren die Kredite an René Benko «das grösste Einzelengagement» im Private Debt, wie Julius Bär einräumen musste. Für die NZZ ist dies erstaunlich, denn die Bank hätte das Risiko erkennen müssen: «Das Signa-Imperium ist derart verschachtelt, dass niemand den Überblick hat, wer im Falle einer Insolvenz im Trockenen sitzt und wer nicht.»
An Warnsignalen fehlte es nicht. Schon als Benko vor bald vier Jahren der Migros die Globus-Warenhäuser zusammen mit der thailändischen Central Group abkaufte, gab es kritische Stimmen. «Die Geschichte des Globus-Käufers ist gepflastert mit fragwürdigen Vorgängen», schrieb der «Tages-Anzeiger» über den Schulabbrecher aus Innsbruck.
Erwähnt wurden eine Verurteilung wegen versuchter Korruption Ende 2012 (in einem weiteren Verfahren wurde er Anfang 2023 freigesprochen) und der Bau eines Luxus-Chalets im Nobelskiort Lech am Arlberg. Auch im denkwürdigen Ibiza-Video, das den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Fall brachte, taucht der Name Benko auf.
Dennoch erhielt der Tiroler mehr als eine halbe Milliarde Franken von Julius Bär. Der Bank hätte klar sein müssen, was für ein heikler Kunde René Benko sei, so die NZZ. Und dass ein Skandal auf sie zurückfallen könnte. «Aber offenbar war Benko nicht nur ein heikler, sondern auch ein derart guter Kunde, dass die Bankführung beide Augen zudrückte.»
Die Privatbank gelobte Besserung. Man werde das Private-Debt-Geschäft und den Rahmen, in dem es betrieben werde, überprüfen, liess sich Bär-Chef Philipp Rickenbacher in der Mitteilung von Ende November zitieren. Gefährdet wäre die Bank offenbar auch bei einem Totalverlust nicht. Vielmehr betonte sie ihre «starke Kapitalausstattung».
Die Aktionäre schienen nur bedingt überzeugt zu sein. Seit Anfang 2023 verzeichnete die Aktie von Julius Bär ein Minus von 22 Prozent. Das überrascht wenig. Das schweizerische Private Banking basiere auf einem umsichtigen Umgang mit Ruf und Risiko, kommentiert die NZZ: «In beiden Disziplinen hat Julius Bär in diesem Fall versagt.»
Ein Vergleich mit der Credit Suisse mag übertrieben sein. Julius Bär hat die Lehren aus früheren Skandalen gezogen. Dennoch lassen die Kredite an eine kontroverse Figur wie René Benko darauf schliessen, dass einmal mehr eine Schweizer Bank ihren Risikoappetit nicht zügeln konnte. Weshalb man sich fragen muss: Lernen die es eigentlich nie?
Die Politik steht mit prall gefüllten Taschen (vom Volch) voll und ganz hinter den Banken.