Leslie Mooves, CEO der TV-Station CBS, brachte es auf den Punkt. «Trump mag nicht gut sein für Amerika, aber uns hat er sehr gut getan», erklärte er freimütig. Eines der vielen bizarren Dinge des US-Wahlkampfes ist die Tatsache, dass die sogenannten Mainstream-Medien Trump vehement bekämpft und gleichzeitig enorm von ihm profitiert haben. Die Rechnung ist für beide Seiten aufgegangen: Die Medien haben einen satten Windfall-Profit eingefahren, Trump hat Werbeausgaben in der Höhe von zwei Milliarden Dollar eingespart.
Jetzt ist die Medienparty vorbei, und es herrscht Katerstimmung. Ausser den Demagogen von FoxNews und Breitbart hat sich niemand wirklich Donald Trump ins Weisse Haus gewünscht. Die Journalisten müssen sich eingestehen: Wir haben uns über ihn lustig gemacht, vor ihm gewarnt, seine unzähligen Lügen aufgedeckt, seinen verderbten Charakter aufgezeigt – aber wir hatten ihn nie wirklich im Griff.
Donald Trump kontrolliert nun de facto die drei Gewalten in den USA. Er selbst ist Chef der Regierung, seine Partei kontrolliert beide Kammern des Kongresses und den Obersten Gerichtshof kann er mit Kandidaten seiner Wahl bestücken. Dazu wird er wahrscheinlich an die Spitze der Notenbank, der Fed, bald auch eine ihm genehme Person entsenden. Bleibt die vierte Gewalt, die Medien. Was wird mit ihnen in der Ära Trump geschehen?
Die Vorzeichen sind schlecht, die Medien befinden sich in einer möglicherweise existenziellen Krise. Internet und Gratiszeitungen haben die etablierten Printmedien zu einer aussterbenden Rasse gemacht und setzen auch den traditionellen TV-Stationen zu. Selbst die «New York Times» – oft als beste Zeitung der Welt gerühmt – musste im letzten Quartal massive Werbeeinnahmen- und Leserverluste verkraften.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind noch schlechter, die Werbeeinnahmen werden noch spärlicher fliessen. Das bedeutet, dass erneut Redaktionen ausgedünnt und Journalisten entlassen werden. Dabei war der Aderlass in den letzten 15 Jahren schon gewaltig. Rund die Hälfte aller Printjournalisten hat seit der Jahrhundertwende den Job verloren.
Kurz: Der Triumph von Trump macht unmissverständlich klar: Die angeschlagenen Medien sind nicht mehr, dessen sie sich lange selbst gerühmt haben: der «Bannwald der Demokratie».
Dank hohen Eintrittsbarrieren haben die Medien, vor allem die Tageszeitungen, diese Funktion jahrzehntelang ausüben können. Weil Druck und Vertrieb von Zeitungen und der Betrieb einer TV-Station sehr viel Geld verschlingen, mussten Verleger keine Konkurrenz fürchten, und weil sich damit bis vor kurzem sehr viel Geld verdienen liess, konnte auch der Staat keinen Einfluss auf die Medien ausüben.
Im Zeitalter der Null-Grenzkosten-Wirtschaft gelten andere Spielregeln. Heute kann jeder ein Medienunternehmer oder Journalist sein, er braucht weder eine Druckerei noch eine TV-Station. Ein Laptop und ein Internetanschluss genügen. Das hat zu einer völlig veränderten Konkurrenzsituation geführt und lässt die bisherigen Geschäftsmodelle obsolet erscheinen. In der digitalen Welt wird höchstens ein Bruchteil so viel verdient wie einst in der analogen.
Die neuen wirtschaftlichen Spielregeln haben zu einer babylonischen Medienverwirrung geführt – und sind zu einer Gefahr für die Demokratie geworden. So hat der Zürcher Publizistikprofessor Otfried Jarren kürzlich in einer watson-Kolumne geschrieben: «Die Social Media erlauben weder Diskussion noch Debatte – allenfalls ein Nebeneinander an Behauptungsströmen. Und auf die wird wiederum stromförmig geantwortet, so auch in Form von Verächtlichungsmachung und sogar Hass.»
Derweil wird sich ein unabhängiger Journalismus vielleicht bald nicht mehr finanzieren lassen. Eine Lösung sind Mäzene. So leistet sich der Amazon-Chef Jeff Bezos die «Washington Post». Doch das Mäzenen-Modell ist heikel. Bei uns leistet sich Christoph Blocher die «Weltwoche» und die «Basler Zeitung» – beides nicht wirklich Perlen eines unabhängigen Journalismus.
Um den «Bannwald der Demokratie» wieder aufzuforsten, müssen wir deshalb alte Vorurteile über Bord werfen. Im Vordergrund steht dabei die Rolle des Staates. Das heisst keineswegs, dass wir subventionierte Staatsmedien brauchen, «Neues Deutschland» war zu DDR-Zeiten ebenfalls keine Perle des Journalismus. Es bedeutet, dass private Verleger und die öffentliche Hand neue Partnerschaften eingehen müssen.
Ein Vorbild könnte dabei die Uhrenindustrie in den Zwischenkriegsjahren sein. Bruno Bohlhalter zeigt in seinem Buch «Unruh» auf, dass sie in einer ähnlichen Strukturkrise steckte wie heute die Medien. Sie hatte kaum Eintrittsbarrieren – jeder talentierte Handwerker konnte Uhrenmacher werden – und es bestand die Gefahr, dass die Uhrenindustrie sich buchstäblich zu Tode konkurrenzierte. Zusammen mit den Staat wurde deshalb ein Modell entwickelt. Die Eintrittsbarrieren wurden künstlich erhöht, damit konnte die Verelendungsspirale gestoppt werden. Dieses Vorgehen entspricht zwar nicht den Idealen der freien Marktwirtschaft, aber es hat die Schweizer Uhrenindustrie überleben lassen.
Auch die Medien müssen überleben, der «Bannwald der Demokratie» ist mehr als ein Schlagwort. Das zeigt sich derzeit in Russland. (Ja, das muss sein, und übrigens: Schaut euch das BBC-Video diesmal wirklich an. Ich habe es extra nochmals eingebunden.)
Putin hat nach seiner Amtsübernahme die Medien sehr rasch an die staatliche Leine gelegt. Das Resultat ist eine Medienwelt, die nur noch entfernte Ähnlichkeit mit der Realität hat, und Menschen, die sich widerstandslos einer «gelenkten Demokratie» unterwerfen.
Donald Trump hegt Bewunderung für Wladimir Putin und verachtet Journalisten. Es wird sich weisen, wie er nach seinem Amtsantritt mit der vierten Gewalt verfahren wird. Sorgen sind durchaus berechtigt. Im Hinblick auf die zu erwartenden populistischen Stürme sollten wir uns ernsthaft Gedanken machen, wie wir unseren «Bannwald der direkten Demokratie» nachhaltig schützen können.