Eine Reihe der – absolut subjektiv gesehen – interessantesten Punkte, auf welche die grossen Ökonomen unserer Zeit jetzt hinweisen.
Hinweis: In dieser Liste kommen (leider) lediglich männliche Ökonomen zur Sprache, die als die einflussreichsten unserer Zeit gelten. Unter diesen gäbe es zwar auch einige Frauen – zum Beispiel Esther Duflo oder Carmen Reinhart –, sie haben sich aber entweder (noch) nicht zu den Zöllen geäussert, oder sie forschen zu einem anderen Thema.
Mindestens in einem sind sich eigentlich alle Ökonomen einig: Die Bedeutung und die Konsequenzen von Trumps Zollhammer kann kaum überbewertet werden. Für den Harvard-Ökonomen und Schach-Grossmeister Kenneth Rogoff kommt dieser gar einer Atombombe gleich:
Larry Summers, Professor, Obama-Berater und früherer Weltbank-Chefökonom, formuliert es so:
Und in einem Post auf X schreibt der US-Amerikaner einige Stunden nach der Trump-Rede sogar: «Nie zuvor hat eine Stunde präsidentieller Rhetorik so viele Leute so viel gekostet.» Seine beste Schätzung in Bezug auf den Verlust, der aus dieser Zollpolitik entsteht, sei nun näher an 30 Billionen US-Dollar – oder rund 300'000 Doller pro vierköpfige Familie.
Nobelpreisträger Paul Krugman schätzt die Lage derweil aus historischer Sicht ein – und bezeichnet sie als quasi einmalig.
Paul Krugman vergleicht die angebrochene Ära mit den späten 1920er und den 30er Jahren, als die USA extrem hohe Zölle errichteten, die sich als grossen Fehler herausstellten: Schätzungen zufolge werden die Zölle auf ein Niveau ansteigen, das wir seit 80 bis 90 Jahren nicht mehr gesehen haben. Heute sei die Welt aber viel stärker integriert, der Welthandel im Verhältnis zum Welteinkommen viel grösser als in den 1930er Jahren, «sodass dies ein grosser Schock für das System wird», so der Wirtschaftswissenschaftler.
Eine spannende Beobachtung kam von Larry Summers, der in einem Interview kurz nach Trumps Auftritt vor dem Weissen Haus darauf hinwies, dass der Zeitpunkt – nach Börsenschluss und damit sehr spät am Tag – nicht nachvollziehbar sei:
Er habe es noch nie erlebt, dass eine Regierung erst nach Börsenschluss eine solche Ankündigung getätigt hätte. Sowieso sei das aber eine ziemlich naive Strategie, so Summers: «Die Indizes in den futures [auf Deutsch: Termingeschäfte] werden weiter gehandelt. Wenn es also Auswirkungen auf den Markt gibt, werden wir sie fast sofort sehen.»
Tatsächlich lagen am Donnerstag die Aktienmärkte weltweit grösstenteils im Minus. Gerade die grossen amerikanischen Titel wie Apple, Nike oder Nvidia verloren (vorbörslich) teilweise massiv. Trotzdem glaubt Krugman, dass es sich dabei womöglich erst um den Anfang handelt:
Wie geht es jetzt weiter? Und was sind die möglichen Folgen? Auch dazu haben die Ökonomen Stellung bezogen – allerdings räumen auch sie eine riesige Unsicherheit in Bezug auf die Folgen ein. So sagt Paul Krugman, natürlich gäbe es Modelle, «die jetzt vielleicht plus x Prozent in diesem oder jenem Bereich» ausrechnen würden. Aber: Eigentlich wisse man wirklich nicht, «wie gross die Auswirkungen sind – ausser dass sie gross sind.»
Fakt ist: Bei Zöllen in dieser Höhe handelt es sich um einen sogenannten Angebotsschock. Die Wirtschaftswissenschaft versteht darunter eine markante, abrupte und unvorhersehbare Änderung im (globalen) Angebot an Waren und Dienstleistungen. Solche Schocks haben in der Regel Folgen für so ziemlich jede ökonomische Grösse, die sich dem Schock anpassen muss.
Wie werden die Folgen dieses Schocks diesmal aussehen? Larry Summers erklärt: Die unmittelbare Folge sind höhere Preise. «Und wenn die Preise steigen und sich die Löhne der Menschen nicht sofort anpassen, haben sie weniger Geld, das sie ausgeben können.» Das bedeutet wiederum eine geringere Nachfrage und damit weniger Beschäftigte, was einen geringen Bedarf an Kapazitätserweiterungen und schliesslich einen Einbruch an Investitionen zur Folge hat. «Die ökonomischen Grundlagen dieser Situation sind die gleichen wie die eines Ölpreisanstiegs, zum Beispiel.»
Wer jetzt denkt, dass die Preise erst in Zukunft steigen würden, irrt sich. Laut Paul Krugman sieht man jetzt schon die Anzeichen dafür. Umfragen und den neusten Daten zufolge würden Produzenten bereits jetzt in Antizipation auf die höheren Zölle ihre Preise steigern.
Doch wie stark alle diese Effekte am Ende spielen werden, ist unmöglich vorherzusagen, sagt Paul Krugman.
Gemäss ihm sind die grössten Unsicherheitsfaktoren zweierlei: Wie die betroffenen Länder auf die Zölle reagieren werden – und wie Trump wiederum darauf reagiert. Viele seien jetzt am Spekulieren, ob und wie der US-Präsident gewisse Zölle wieder rückgängig machen wird – oder ob er auf allfällige Vergeltungszölle mit weiterer Vergeltung reagieren wird. Krugman ist sich aber sicher: «Niemand weiss das wirklich.»
Eines jedoch steht für den Nobelpreisträger fest:
Es sei unter diesen Umständen für Unternehmen unmöglich, gut für die Zukunft zu planen: «Eine Investition, die in einer Welt von 25-Prozent-Zöllen Sinn macht, kann total unsinnig sein in einer Welt, die keine Zölle hat», so Krugman. Jeder von Trumps nächsten Schritten könnte eine Entscheidung «in ein Desaster verwandeln». Gemäss ihm sind die Anzeichen dafür, dass Unternehmen derzeit abwarten und wenig investieren, durchaus schon zu sehen.
Hinzu kommen gemäss Larry Summers mögliche psychologische Effekte – ähnlich dem Tesla-Boykott, der derzeit zu beobachten ist: «Diese Art von Effekt wird sich auf die amerikanischen Produzenten in der ganzen Welt auswirken, weil alle denken, dass sich ihr traditioneller Freund gegen sie gewendet hat.»
Unternehmerinnen und Unternehmer sind aber nicht die Einzigen, für die es unter solchen Umständen schwierig ist, Entscheidungen zu treffen. US-Ökonom Larry Summers ist überzeugt: Trump stürzt insbesondere Notenbanken wie die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in ein Dilemma:
Nobelpreisträger Krugman, der einen eigenen Blog betreibt, schrieb kurz nach Trumps Zoll-Ankündigungen einen Eintrag mit dem Titel: «Trump dreht in Sachen Handel durch – der ‹Liberation Day› ist noch schlimmer als erwartet.» Krugman weist dabei auf etwas hin, was vielen anderen möglicherweise untergegangen ist: Auch mit allen Augen der Welt auf ihn gerichtet, erzählte Trump vor dem Weissen Haus sehr viele Fake-News.
Trump behaupte, dass der Rest der Welt sehr hohe Zölle auf US-Produkte erhebt und dass er Gegenzölle erhebt, die nur halb so hoch seien. «Ich weiss nicht, wie viele Leute es bemerkt haben, aber er behauptet immer noch, dass wir Kanada mit 200 Milliarden Dollar pro Jahr subventionieren», so Krugman. «Abgesehen von dem grundlegenden Fehler, zu behaupten, dass ein kanadischer Handelsüberschuss bedeutet, dass wir Kanada irgendwie subventionieren, bläht er den tatsächlichen Handelsüberschuss um den Faktor drei auf.»
Oft geht vergessen, dass in vielen Ländern und zahlreichen Industrien ohnehin bereits – oder noch immer – Zölle bestehen. In der Schweiz gilt dies insbesondere im Landwirtschaftsbereich: Ohne Protektionismus würde ein Grossteil davon wohl nicht überleben. Einige Ökonomen glauben denn auch durchaus – und das kommt vielleicht etwas überraschend – dass Zölle nicht immer unsinnig sind.
So können sie, je nach Begleitmassnahmen und je nach Industrie, tatsächlich dazu führen, dass Unternehmen vor einem globalen Preiskampf geschützt sind – und so Arbeitsplätze erhalten. Auch in Bezug auf den Klimawandel und Klimapolitik kann eine gewisse Abschirmung gegen aussen Sinn machen, sagt zum Beispiel Harvard-Professor Dani Rodrik. Er erinnert daran, dass zuvor bereits die Biden-Regierung durchaus auch eine solche Wirtschaftspolitik verfolgte.
Doch obwohl Zölle in einigen Fällen durchaus Sinn machen – die grossen Ökonomen unserer Zeit sind sich einig: Hier ist aus wirtschaftlicher Sicht absolut gar kein Sinn zu erkennen.
Einer der grössten Kritiker des freien Handels ist Joseph Stiglitz. Stiglitz ist Wirtschaftsnobelpreisträger und ehemaliger Mitarbeiter und Berater der US-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama. Er ist seit langem ein scharfer Kritiker des Neoliberalismus und von handelspolitischen Massnahmen wie NAFTA, die seiner Meinung nach die Reichen und Konzerne begünstigen, aber die Arbeitnehmer entrechten. Und sogar Stiglitz sieht in Trumps Aktionen absolut keinen Nutzen.
Er erinnert an Trumps Logik: Dessen Meinung nach seien die Handelsdefizite darauf zurückzuführen, dass andere Länder die Vereinigten Staaten ausnutzen. Aber:
Die Ironie bestehe allerdings darin, dass Trumps eigene Politik – zum Beispiel die Erhöhung der Schulden, damit er den Milliardären und Unternehmen Steuersenkungen gewähren kann – mit ziemlicher Sicherheit das multilaterale Handelsdefizit erhöhen wird. «Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist das also unsinnig», erklärt Stiglitz.
Und Larry Summers hält fest: «Wirtschaftswissenschaftler halten Protektionismus zwar meistens für schlecht, aber nicht jeder Protektionismus ist gleich schlecht.» Was die Trump-Administration tue, sei aber auch dann unsinnig, wenn man Protektionismus grundsätzlich als gut empfindet:
Mit anderen Worten: Was bringt es dem Autobauer, dass seine Industrie durch Zölle geschützt wird – wenn er extrem hohe Preise durch Strafzölle auf die dazu benötigten Materialien zahlen muss? Schliesslich darf man nie vergessen: Den Aufpreis durch die Zölle zahlt niemand anderes als US-amerikanische Importeure – und damit am Ende die Konsumentinnen und Konsumenten.
Summers beschreibt es so: «Das ist wie bei einer Fussballmannschaft, die versucht, einen Spielzug ohne Verteidigung zu üben. Wir wissen, dass dies unserer Wirtschaft schaden wird, bevor wir überhaupt zu möglichen Vergeltungsmassnahmen kommen.» Und nach dem, was bisher gesagt wurde, sei klar, dass es zu solchen Vergeltungszöllen kommen werde – egal ob es sich um Kanada, Europa oder China handelt.
Eine der grossen Fragen, die sich für die betroffenen Länder nun stellt, ist: Soll man mit aller Härte zurückschiessen – oder soll man besonnen reagieren und versuchen, zu verhandeln? Die meisten hier erwähnten Ökonomen gehen davon aus, dass in den meisten Fällen wohl hart zurückgeschossen wird. Auch wenn das nicht für alle gleich viel Sinn macht. So sagt Dani Rodrik:
Der türkische Ökonom und Harvard-Professor ist der Überzeugung, dass Gegenmassnahmen im selben Rahmen keine gute Idee sind. Länder, die mit eigenen Zöllen reagieren, würden sich vielmehr selber schaden. Rodrik hält es zudem «für völlig unvernünftig zu glauben, dass Trump seinen Kurs ändern wird, nur weil andere Länder Vergeltungsmassnahmen ergreifen.» Wenn überhaupt, dann würde das nur seine Idee bestätigen, dass andere Länder die USA nur ausnutzen.
Vielmehr sollten diese Länder sich jetzt auf sich selbst fokussieren. Rodrik sagt:
Es möge zwar schwerfallen, auf diese Weise zu reagieren, aber man solle «den Irrsinn» nicht noch verstärken, sondern signalisieren: «Wir werden einfach verinnerlichen, dass die USA kein verantwortungsvoller und zuverlässiger Handelspartner sind. Wir werden unsere Handelsquellen diversifizieren.»
Ökonom Kenneth Rogoff glaubt derweil aber auch, dass die Zölle zumindest für Europa am Ende möglicherweise etwas Gutes haben. In seinen Augen sind sie ein Weckruf:
All das könnte auf lange Sicht gut für die europäische Wirtschaft sein.
Es ist dies aber wirklich einer der wenigen Lichtblicke, welche die Ökonomen in diesem Zusammenhang erwähnen.
Dani Rodrik
Dies finde ich den richtigen Ansatz. Nicht wegen Trump, sondern wegen der eigenen Wirtschaft.
Dazu kann man Zölle für Güter aus den USA für die man Anderswo Alternativen hat verlangen. Es wird nicht einfach am Angang, aber es geht. So schliesst sich die USA selbst aus dem Welthandel aus.
Die ganze Wirtschaft der USA muss einknicken, indem wir keine US-Produkte kaufen! Es ist si Simpel... es müssen nur alle mitmachen.