Das Thema der Erschaffung eines künstlichen Menschen hat – als Wunsch- oder Albtraum – einen festen Platz in der Kulturgeschichte. Der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus gab beispielsweise recht konkrete Anweisungen, wie ein Homunkulus in warmem Pferdemist erbrütet werden könne. Selbstverständlich wurde nichts daraus. Heute, in einer Zeit, für die Retortenbabys nichts Neues mehr darstellen und in der Gene punktgenau manipuliert werden, sieht das anders aus.
Was einem Forschungsteam von der Universität Cambridge und dem California Institute of Technology nun gelungen ist, lässt die Möglichkeit, einen synthetischen Menschen zu züchten, einen grossen Schritt näher rücken. Die Wissenschaftler konnten erstmals mithilfe von Stammzellen synthetische Embryonen schaffen – ohne Verwendung von Ei- oder Samenzellen. Das berichtet der britische «Guardian».
Die Stammzellenforscherin Magdalena Żernicka-Goetz hat am Mittwoch die Ergebnisse der Forschungsarbeit am Cambridge-Caltech-Labor in einem Vortrag auf der Jahrestagung der International Society for Stem Cell Research in Boston vorgestellt. Eine offizielle wissenschaftliche Publikation liegt noch nicht vor. Żernicka-Goetz beschrieb aber, dass es dem Team gelungen sei, Embryonen bis zu einem Stadium zu kultivieren, das knapp über das 14-tägige Entwicklungsstadium eines natürlichen Embryos hinausgeht. Die synthetischen Embryonen – sogenannte Embryoide – sollen echten menschlichen Embryonen sehr ähnlich sein.
Bei der Züchtung synthetischer Embryonen aus Stammzellen sind keine Keimzellen – also Eizellen oder Spermien – notwendig. Dies im Gegensatz zur sexuellen Fortpflanzung, bei der neues Leben durch die Verschmelzung von Ei und Spermium entsteht, wobei sich das elterliche Erbgut vermischt. Embryonale Stammzellen (ES-Zellen) kommen nicht im ausgewachsenen Körper vor; sie treten nur in einer sehr frühen Phase der Embryonalentwicklung auf. Sie sind pluripotent, das heisst, sie sind noch nicht auf einen bestimmten Gewebetyp festgelegt und haben das Potenzial, sich in eine beliebige «reife» Körperzelle zu entwickeln.
Dem Team um Żernicka-Goetz sowie einer konkurrierenden Forschungsgruppe am Weizmann Institute of Science in Israel war es im vergangenen Jahr bereits gelungen, künstliche Maus-Embryonen nur aus Stammzellen zu erschaffen. Seitdem ist ein Wettlauf um die Übertragung dieser Arbeit auf menschliche Modelle im Gange, und mehreren Teams ist es gelungen, die allerersten Entwicklungsstadien nachzubilden.
Die jeweils aus einer einzigen embryonalen Stammzelle gezüchteten Strukturen erreichten den Beginn der Gastrulation. Dies ist die erste Phase der Keimblätterbildung, wenn sich der Embryo aus der einschichtigen Blastula in die Gastrula entwickelt und die grundlegenden Achsen des Körpers aufbaut. In diesem Stadium hat der Embryo noch kein schlagendes Herz, keinen Darm und keine Anfänge eines Gehirns, aber die Strukturen enthalten Urzellen, aus denen sich normalerweise die Plazenta, der Dottersack, Vorläuferzellen der Keimzellen und der Embryo selbst bilden würden.
«Unser menschliches Modell ist das erste Drei-Linien-Modell eines menschlichen Embryos, das Amnion- und Keimzellen, Vorläuferzellen von Ei- und Samenzellen, spezifiziert», sagte Żernicka-Goetz dem «Guardian» vor ihrem Vortrag. «Es ist wunderschön und wurde vollständig aus embryonalen Stammzellen hergestellt.»
Malte Spielmann, Direktor des Instituts für Humangenetik des Uniklinikums Schleswig-Holstein, sagte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur, bei den menschlichen embryoähnlichen Strukturen gebe es noch keine Körperteile oder Organe. Allerdings seien Zellen identifizierbar, die die Grundstrukturen für spezifische Körperbestandteile bilden. Spielmann hatte vor einigen Tagen einen Vortrag gesehen, bei dem Żernicka-Goetz Ergebnisse zu synthetischen Embryonen vorgestellt hatte, die acht Tage alt waren. «Die Zellen zeigten sehr ähnliche Signalwege und Zelltypen wie bei echten menschlichen Embryonen», sagte er.
Die Wissenschaftler wollen anhand der künstlichen Embryonen mehr über die frühe Embryonalentwicklung erfahren. Den späteren Verlauf der Entwicklung können sie anhand von Schwangerschaftsscans und für die Forschung gespendeten Embryonen nachvollziehen.
Robin Lovell-Badge, Leiter der Abteilung für Stammzellbiologie und Entwicklungsgenetik am Francis Crick Institute in London, sagte dem «Guardian» dazu:
Der Vorteil der embryoähnlichen Strukturen wäre, dass an ihnen rein rechtlich in vielen Ländern die frühe Embryonalentwicklung möglicherweise besser erforscht werden könnte. Echte Embryonen, die sich nach der Verschmelzung von Spermium und Eizelle bilden, stehen unter einem besonderen rechtlichen Schutz. Allerdings wirft dieses Vorgehen neue ethische Fragen auf.
Die Frage, ob diese Strukturen theoretisch das Potenzial haben, zu einem Lebewesen heranzuwachsen, ist noch offen. Allerdings wäre es ohnehin illegal, sie in die Gebärmutter einer Frau einzupflanzen, wie der «Guardian» betont. Die aus Mäusezellen gezüchteten synthetischen Embryonen, die das Forschungsteam im vergangenen Jahr hergestellt hatte, sahen zwar fast so aus wie natürliche Mäuse-Embryonen. Als sie indes in die Gebärmutter von weiblichen Mäusen eingepflanzt wurden, entwickelten sie sich nicht zu lebenden Tieren.
Ähnliches zeigte sich auch im letzten April, als Forscher in China synthetische Embryonen aus Affenzellen erzeugt hatten und sie in die Gebärmutter von erwachsenen Tieren einsetzten. Einige von ihnen zeigten erste Anzeichen einer Schwangerschaft, doch keiner der Embryonen entwickelte sich über einige Tage hinaus. Es ist dabei nicht klar, ob dies technische Gründe hat oder eine grundsätzliche biologische Ursache.
Die nun vorgestellte Arbeit wirft ernste ethische und rechtliche Fragen auf, da die im Labor gezüchteten Gebilde nicht unter die in den meisten Ländern geltenden Rechtsvorschriften fallen. So ist es in vielen Staaten verboten, menschliche Embryonen über 14 Tage hinaus im Labor zu kultivieren. Sie orientieren sich dabei vornehmlich an einer Richtlinie der Internationalen Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR) aus dem Jahr 2016. Embryonen über die 14-Tage-Grenze hinaus im Labor heranwachsen zu lassen, gilt als «unzulässige Forschungsaktivität».
Allerdings hat der ISSCR seine Leitlinien vor zwei Jahren angepasst. Durch künstliche Befruchtung oder aus menschlichen Stammzellen hergestellte menschliche Embryonen sollen künftig so lange im Labor kultiviert werden können, wie es dem jeweiligen Forschungszweck dient. Dies freilich nur nach einer strengen Prüfung.
Die Entwicklung zeige, wie schnell die Wissenschaft in diesem Bereich die Gesetzgebung überholt habe, schreibt der «Guardian». Wissenschaftler in verschiedenen Ländern sind bereits daran, freiwillige Leitlinien für die Arbeit mit synthetischen Embryonen zu definieren. Lovell-Badge sagte gegenüber der Zeitung:
(dhr)
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.
Aha, es ist also illegal. Na dann bin ich ja beruhigt...
Ganz anders sieht z.B. bei der CAR-T Technik aus, wo Zellen eines Patienten entnommen werden, verändert und wieder verabreicht werden, um z.B. Krebs mittels Imnunabwehr zu bekämpfen.
Jep und in 20 Jahren haben wir dann die ersten Replikanten wie in Blade Runner und die passenden Gesetze dazu, um sie ganz legal als billige Sklaven zu benutzen.