Unsere heutige Welt wäre undenkbar ohne das antike Griechenland – es gilt als Wiege der europäischen Zivilisation. In den Jahrhunderten, in denen die griechische Kultur blühte, wurden die Grundlagen für Wissenschaften wie Philosophie, Geometrie oder Astronomie gelegt. Aus den zahlreichen Erfindungen und Entdeckungen, die damals gemacht wurden, haben wir 11 aus verschiedenen Bereichen herausgegriffen:
Bereits die ersten griechischen Philosophen um Thales von Milet (geb. etwa 624 v. Chr.) und Anaximander (geb. etwa 610 v. Chr.), die vermutlich babylonische astronomische Entdeckungen kannten, wandten sich von mythischen Erklärungen der Welt ab. Sie versuchten, die Welt ohne Rückgriff auf die Götter zu erklären, sondern ausgehend von einem Urprinzip. Sie betrachteten die Erde mehrheitlich noch als Scheibe. Erst die Pythagoreer, die wohl ebenfalls auf babylonische und ägyptische Erkenntnisse bauen konnten, vertraten dann im 5. Jahrhundert konsequent die Kugelgestalt der Erde.
Der Universalgelehrte Aristoteles (384–322 v. Chr.) führte dann bereits mehrere physikalische Gründe an, die für die Kugelgestalt der Erde sprechen, darunter die runde Form des Erdschattens auf dem Mond bei einer Mondfinsternis. Eratosthenes von Kyrene (276/273–194 v. Chr.) schliesslich berechnete den Erdumfang mit erstaunlicher Präzision; die Abweichung seiner Berechnung vom tatsächlichen Wert betrug lediglich rund 4,2 Prozent.
Während die Kugelgestalt der Erde früh erkannt wurde und – zumindest in gebildeten Kreisen – in der Antike, aber auch im Mittelalter stets bekannt blieb, verhielt es sich anders mit der Frage, ob sich die Erde oder die Sonne im Mittelpunkt des Universums befinde. Die traditionelle Auffassung, dass die Erde das unbewegte Zentrum des Alls sei, dominierte bis zur frühen Neuzeit und den Arbeiten von Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler. Heute gilt, dass das Weltall gar keinen Mittelpunkt hat, dass aber die Sonne den Mittelpunkt des Sonnensystems darstellt – oder genauer das sogenannte Baryzentrum, der Massenmittelpunkt aller Himmelskörper im Sonnensystem.
Allerdings war der «griechische Kopernikus» Aristarchos von Samos bereits im dritten Jahrhundert v. Chr. zur Erkenntnis gelangt, dass nicht die Erde, sondern die Sonne im Mittelpunkt stehe. Mit diesem revolutionären heliozentrischen Weltbild drang er jedoch nicht durch; es gab selbst Zeitgenossen, die ihn deshalb wegen Gottlosigkeit anklagen wollten. Einzig der Astronom Seleukos von Seleukeia vertrat im 2. Jahrhundert v. Chr. ebenfalls die Auffassung, dass sich die Erde um die Sonne bewege und zugleich um ihre eigene Achse. Auch wenn das geozentrische Weltbild danach für Jahrhunderte obsiegte, gebührt doch den alten Griechen die Ehre, das heliozentrische Weltbild erstmals vertreten zu haben.
Im antiken Ägypten spielte die Geometrie bereits eine grosse Rolle, allerdings lag der Fokus dabei auf praktischen Anwendungen. Auch im Zweistromland und im Industal entwickelte man Mathematik und Geometrie vornehmlich für praktische Belange, ohne aber deren Regeln und Axiome allzu sehr zu vertiefen. Die Griechen, angefangen bei Thales von Milet und den Pythagoreern, massen der Zahl eine andere Bedeutung zu und hoben besonders die Wissenschaft der Geometrie auf ein neues, höheres intellektuelles Niveau. Sie erklärten nun jede Regel durch deduktives Denken.
So entwickelte sich im 4. Jahrhundert vor Christus in der Nachfolge der Pythagoreer die euklidische Geometrie. Euklids 13-bändiges Werk «Die Elemente» war ein epochaler Schritt nach vorn – darin wurde zum ersten Mal ein axiomatisch-deduktiver Aufbau der Mathematik vorgenommen, und der abstrakte Charakter dieser Geometrie erlaubte die Ableitung von Gesetzmässigkeiten aus wenigen als wahr angesehenen Axiomen. «Die Elemente» blieben bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die wichtigste Grundlage im Geometrieunterricht der Schulen.
Erste Landkarten gab es schon im alten Babylonien. Doch in Griechenland erreichte die Kartografie eine neue Qualität: Anaximander (ca. 610–547 v. Chr.) erstellte als Pionier eine erste Karte der bekannten Länder. Ihm folgte Hekataios von Milet (ca. 560–480 v. Chr.), der zur Orientierung einen Breitengrad (Diaphragma) einführte, der von der Strasse von Gibraltar bis zum Schwarzen Meer reichte und die antike Welt in Europa und Asien unterteilte.
Herodot nahm dann im 5. Jahrhundert v. Chr. zusätzlich einen Längengrad (Meridian) auf der Linie Donau–Nil an. Im 3. Jahrhundert v. Chr. entwarf schliesslich Eratosthenes eine Karte mit einem Netz von acht Breitengraden und neun Meridianen, die sich rechtwinklig schnitten – im Prinzip so, wie es auch bei heutigen Karten der Fall ist.
«Das Gebet ist zwar gut, aber beim Anrufen der Götter sollte der Mensch selbst Hand anlegen.» Dieser Satz des Hippokrates von Kos (ca. 460–370 v. Chr.), der als der berühmteste Arzt der Antike gilt, illustriert den epochalen Schritt nach vorn, den die Medizin in seiner Zeit machte. Zuvor war die Medizin quasi ein Ableger der Religion gewesen; Krankheit galt als Manifestation einer göttlichen Bestrafung. Nun sollten Gläubige zwar weiterhin beten, aber zugleich eine medizinische Behandlung erhalten, die von der Annahme ausging, dass Krankheit ein natürlicher Prozess sei.
Statt nach einem Gott oder einer bösen Macht zu fragen, die eine bestimmte Krankheit verursacht haben könnte, fragten sich Hippokrates und seine Anhänger nun erstmals auf wissenschaftliche Art und Weise, welche natürlichen Ursachen eine Krankheit haben könnte. Obwohl die von Hippokrates vertretene Vier-Säfte-Lehre, wonach zahlreiche Krankheiten aus einem Ungleichgewicht von Körpersäften entstehen, heute längst widerlegt ist, ist die hippokratische Lehre, dass ein Arzt sich auf sorgfältige Beobachtung, Befragung und Untersuchung zu stützen habe, heute noch gültig – genauso wie auch der hippokratische Eid, den jeder Arzt leisten muss.
Auf das antike Griechenland geht auch das Theater zurück – und zwar sowohl als Bau wie als Kunstform. Das klassische Theater mit stufenartig angeordneten Sitzreihen im Halbkreis, von denen aus die Zuschauer nach unten auf die Orchestra blickten, wo Schauspieler und/oder der Chor auftraten, wurde zuerst in Griechenland gebaut. In Rom wurde es zum Amphitheater weiterentwickelt, bei dem die Zuschauerränge die Arena vollständig umschlossen.
Zwar mag es sein, dass die Kunstform des Theaters zuerst in Indien entwickelt wurde, doch es war die griechische Version, die die spätere Entwicklung im Westen massgeblich beeinflusste. Eine frühe Form des Dramas entstand bereits um das 6. Jahrhundert v. Chr. in Athen. Zu Ehren des Gottes Dionysos wurden Hymnen gesungen, sogenannte Dithyramben, die später auch bei Chorumzügen verwendet wurden. Einige der mit Kostümen und Masken verkleideten Teilnehmer dieser Umzüge übernahmen mit der Zeit besondere Rollen in der Prozession. Daraus entstand das Wechselspiel von Protagonisten und Chor. Diese Schauspiele differenzierten sich schliesslich in verschiedene Genres wie Tragödie, Komödie oder Satire. Die Werke der wichtigsten griechischen Tragödiendichter – Aischylos, Sophokles und Euripides – werden heute noch aufgeführt.
Im antiken Griechenland gab es verschiedene Spiele, bei denen sportliche Wettkämpfe stattfanden. Die ältesten, bekanntesten und wichtigsten von ihnen fanden seit etwa 700 v. Chr. jeweils im Sommer in der Nähe der Stadt Olympia auf der Halbinsel Peloponnes statt. Wie die modernen Olympischen Spiele fanden sie alle vier Jahre statt; dabei wurde das olympische Feuer im Altar vor dem Zeustempel von einem Marathon-Läufer entzündet. Offiziell fanden diese antiken Olympischen Spiele bis zur Schliessung des Heiligtums im Jahr 393 n. Chr. statt, inoffiziell dürften sie in bescheidenerem Umfang noch bis ins 6. Jahrhundert ausgetragen worden sein.
Neben dem Stadion bei Olympia gab es Herbergen, Trainingsräume, Bäder und selbst eine Bibliothek mit Fachbüchern über Sport. Bei den meisten Wettkämpfen traten die Athleten nackt an (das griechische Wort γυμνός gymnos, das auch die Wurzel des Worts Gymnastik bildet, bedeutet «nackt»). Ab etwa 400 v. Chr. galt das Bekleidungsverbot auch für die Trainer – dies, nachdem sich eine Frau als Trainer eingeschlichen hatte. Frauen durften nicht an den Spielen teilnehmen; als Zuschauerinnen waren nur unverheiratete Frauen zugelassen. Auch sonst waren die Regeln streng: Wer etwa bei einem Laufwettbewerb zu früh startete, wurde ausgepeitscht. Geehrt wurde übrigens nur der Sieger – der zweite oder dritte Platz war nichts wert.
«Demokratie» ist ein griechischer Begriff (aus δῆμος demos = «Volk» und κράτος kratos = «Herrschaft»; «Herrschaft des Volkes»), der tatsächlich im antiken Griechenland erstmals gebildet wurde. Die attische Demokratie, die sich im 5. Jahrhundert v. Chr. in Athen – aufbauend auf den Reformen Solons und Kleisthenes’ – entwickelte, hat allerdings mit dem modernen Verständnis von Demokratie nur wenig zu tun. Ein grosser Teil der Bevölkerung war von der politischen Mitwirkung ausgeschlossen, so auch alle Frauen und Sklaven. Nur männliche Vollbürger über 18 Jahre genossen politische Rechte.
Die Institutionen dieser Staatsform waren die Ekklesia (Volksversammlung), die sich auf dem Pnyxhügel versammelte und die Gesetze erliess; die Bule («Rat der 500»), welche die Verwaltung beaufsichtigte und in deren Händen das tagespolitische Geschäft lag, und schliesslich die Dikasterien, ein Volksgericht. In der Volksversammlung durfte jeder Bürger sprechen, allerdings nur einmal pro Thema. Um Machtmissbrauch oder eine allzu starke Machtkonzentration bei einflussreichen Bürgern zu verhindern, verfügte die Volksversammlung über das Instrument des Scherbengerichts (ὀστρακισμός Ostrakismos): Die Stimmberechtigten konnten den Namen des Verdächtigten auf eine Tonscherbe ritzen; kamen genügend Stimmen zusammen, wurde er für zehn Jahre aus der Stadt verbannt.
Wasseruhren gab es bereits im 16. Jahrhundert v. Chr., etwa in Babylon, Ägypten und Persien. Die Technik der Zeitmessung mittels Wasser wurde aber im antiken Griechenland verfeinert und dazu genutzt, eine Vielzahl von unterschiedlichen Ereignissen zu messen. So verwendete man eine sogenannte Klepsydra (κλεψύδρα = «Wasserdieb»), um die Redezeit von streitenden Parteien vor Gericht zu begrenzen. Der Philosoph Platon (428/427–348/347 v. Chr.) besass eine Wasseruhr, die nachts allmählich auslief, sodass sie beim Morgengrauen den Beginn des Unterrichts anzeigte. Dies erfolgte durch ein akustisches Signal, das jedoch in der Überlieferung nicht näher spezifiziert wird.
Die einfachsten Modelle einer Klepsydra bestanden aus einem Gefäss mit einem kleinen Loch im Boden, durch das das Wasser auslaufen konnte, und einer Skala an der Wandung. Andere Modelle bestanden aus einem Auslaufbehälter, von dem Wasser in einen Einlaufbehälter floss. Der Wasserstand im Einlaufbehälter zeigte die verstrichene Zeit an. Später entwickelten die Griechen auch Versionen mit Zahnradgetrieben, die mit einem Schwimmer verbunden waren – Vorläufer der modernen Uhren.
«Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln» – dieses dem griechischen Gelehrten Archimedes von Syrakus (um 287–212 v. Chr.) zugeschriebene Zitat illustriert die Bedeutung der Hebelgesetze, die er in seiner Schrift «Über das Gleichgewicht ebener Flächen» formuliert hat. Der Hebel wurde zwar bereits früher beschrieben, doch es war Archimedes, der aus dem Hebelgesetz die wissenschaftlichen Grundlagen der Statik für statisch bestimmte Systeme entwickelte und die theoretische Grundlage für die spätere Entwicklung der Mechanik schuf. Neben den Hebelgesetzen formulierte Archimedes in seinem Werk «Über die schwimmenden Körper» auch das nach ihm benannte Archimedische Prinzip. Es besagt, dass der statische Auftrieb eines Körpers in einem Medium genauso gross ist wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums.
Archimedes soll der Legende nach auf das Prinzip gestossen sein, als er den Goldgehalt einer Krone bestimmen sollte. Er tauchte dann die Krone und einen Goldbarren mit demselben Gewicht wie die Krone jeweils in einen Wasserbehälter und mass die Menge des überlaufenden Wassers. Da die Krone mehr Wasser verdrängte, musste sie ein kleineres spezifisches Gewicht als der Goldbarren haben und war deshalb nicht aus reinem Gold. Die Idee für dieses Verfahren soll Archimedes gekommen sein, als er zum Baden in eine randvoll gefüllte Wanne stieg und dabei das Wasser überlief. Er soll dann, immer noch nackt, mit dem Ausruf «Heureka!» (ηὕρηκα = «Ich hab’s gefunden!») durch die Strassen gelaufen sein.
Das Astrolabium und sein Vorläufer, die Armillarsphäre, sind astronomische Geräte. Die Armillarsphäre (von lateinisch armilla = «Armreif» und sphaera = «Kugel») soll vom griechischen Astronomen Eratosthenes von Kyrene um 250 v. Chr. erfunden und etwas später vom Astronomen Hipparchos (ca. 190–120 v. Chr.) verbessert worden sein. Sie besteht aus mehreren gegeneinander drehbaren Metallringen und dient zur Vermessung der Position von Himmelskörpern.
Das aus der Armillarsphäre entwickelte Astrolabium (aus ἄστρον astron = «Stern» und vermutlich λαμβάνω lambano = «nehmen») ist eine auf eine Ebene projizierte Himmelssphäre. Es besteht aus zwei Metallscheiben – eine stellt die Erde dar, die andere die Himmelssphäre. Ein drehbarer Arm an der oberen Scheibe erlaubt es, die Höhe eines Himmelsobjekts über dem Horizont einzustellen und dank dieser Information Zeit und geografische Breite zu bestimmen. Das Astrolabium wurde im Mittelalter von arabischen Gelehrten weiterentwickelt und gelangte über das islamische Spanien nach Europa. Es wurde bis ins 17. Jahrhundert hinein verwendet, dann aber von anderen Geräten abgelöst.
Huber wusste das alles aus dem Stehgreif ohne irgendetwas nachschlagen zu müssen. Nicht mal die altgriechische Schrift, die hat er sich nebenbei vor seiner Einschulung autodidaktisch beigebracht. ;)
Toller Artikel, Dani, danke schön.