
Der erste echte Eisenbahntunnel der Schweiz führte durch den Jura und wurde 1858 eröffnet.Illustration: Marco Heer Hau den Stein, hiess es ab 1853 zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn. Fünf Jahre später wurde mit dem Hauenstein der erste echte Eisenbahntunnel der Schweiz eröffnet.
27.10.2024, 18:5927.10.2024, 18:59
Andrej Abplanalp / Schweizerisches Nationalmuseum
Nicht der Gotthard, nicht der Simplon und schon gar nicht der Lötschberg, nein, der Hauenstein war der erste richtige Eisenbahntunnel der Schweiz. Er wurde 1858 offiziell eröffnet. Bauherrin war die Schweizerische Centralbahn (SCB) mit Sitz in Basel. Die SCB war im Februar 1853 gegründet worden und hatte das Ziel, die Regionen Luzern und Bern sowie die Westschweiz an die Rheinstadt Basel anzubinden. Dafür musste allerdings das Hindernis Jura überwunden werden.
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blog.nationalmuseum.chBereits im Juli 1853 begannen die Arbeiten am Hauensteintunnel. Mit einer Länge von 2495 Metern war er der erste gebirgsdurchquerende Eisenbahntunnel der Schweiz. Nur der 1847 eröffnete Schlossbergtunnel in Baden wurde früher gebaut, mit einer Länge von 80 Metern war er aber kein Vergleich zum Hauensteindurchstich.
Der Bau des Tunnels zwischen Läufelflingen (BL) und Trimbach (SO) war schwerste Handarbeit und forderte zahlreiche Menschenleben. Besonders tragisch war ein Schachtbrand im Mai 1857, bei dem 52 Arbeiter und 11 Retter ums Leben kamen. Um die stickige Luft im Tunnel zu verbessern, war ein Ofen aufgestellt worden, der mit unterschiedlichen Innen- und Aussentemperaturen eine Luftzirkulation in Gang setzte.
Das funktionierte, bis eines Tages ein Funke einen Schachtbrand verursachte und in der Folge ein Stollen verschüttet wurde. Die Rettungskräfte konnten den Durchgang erst nach einigen Tagen räumen. Zu spät für die eingeschlossenen Bauarbeiter.

Illustration des Unglücks in der deutschen Zeitschrift «Die Gartenlaube», 1857.Bild: Wikimedia Neben dem Unglück verzögerten auch zahlreiche Wassereinbrüche die Fertigstellung, die eigentlich für 1857 geplant war. Mit einem Jahr Verspätung wurde der Tunnel am 1. Mai 1858 schliesslich offiziell eröffnet. Auf der Gästeliste standen auch zwei Bundesräte: Wilhelm Matthias Naeff und Giovanni Battista Pioda. Der Durchbruch des Juras war für das aufstrebende Bahnland Schweiz wichtig, stürzte die Regierung jedoch in ein Dilemma.
Sollte man gehen, obwohl ähnliche Einladungen zuvor ausgeschlagen worden waren? Jein. Also ja, aber nicht in offizieller Mission. Ein Kompromiss in guter alter − zu dieser Zeit noch junger – Schweizer Manier. Die Einladung der SCB wurde deshalb höflich und mit viel Fingerspitzengefühl abgelehnt:
«Wir haben Ihnen hierauf zu eröffnen, dass wir jeweils von ähnlichen Einladungen keinen Gebrauch gemacht haben und dass wir es daher für angemessen erachten auch im vorliegendem Falle bei der früheren Übung zu verbleiben, was jedoch nicht ausschliesst, dass einzelne Mitglieder unserer Behörde, wenn immer möglich sich an dem vaterländisch so bedeutungsvollen Feste betheiligen dürften.»
Zwischen den Zeilen war jedoch zu lesen, dass die Centralbahn mit dem Besuch von mindestens einem Bundesrat rechnen konnte.

Einladung der Schweizerischen Centralbahn an den Bundesrat zur Teilnahme an der offiziellen Eröffnung des Hauensteintunnels, 1858.Bild: Schweizerisches Bundesarchiv 
Absagen der offiziellen Teilnahme des Bundesrates an der Eröffnung des Hauensteintunnels, 1858. Aber das ist eine andere Geschichte, die bald erzählt werden soll ...Bild: Schweizerisches Bundesarchiv Die offizielle Ehre, durch ein Mitglied der Landesregierung eingeweiht zu werden, sollte dem Hauenstein erst 1916 widerfahren. Sollte, denn auch dieses Mal klappte es nicht. Wegen des Ersten Weltkriegs wurde der erste Basistunnel der Schweiz mit einer Länge von rund acht Kilometern ganz ohne Feier eröffnet. Trotzdem, beide Tunnel waren Meisterwerke und Meilensteine ihrer Zeit. Ehre hin, Bundesrat her.

Inoffizielle Ehrengäste: Die Bundesräte Giovanni Battista Pioda ... Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

... und Wilhelm Matthias Naeff.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum
Das erste Mal …
Es gibt immer ein erstes Mal. In dieser Serie werden historische Schweizer Premieren beleuchtet. Die Themen sind vielfältig: vom ersten Zebrastreifen bis zur allerersten Volksinitiative. Die Beiträge sind in Zusammenarbeit mit dem
Schweizerischen Bundesarchiv entstanden.
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Locarneser Tram mit Blick in Richtung Piazza Grande
quelle: verkehrshaus der schweiz
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