Im März dieses Jahres meldeten US-Behörden den ersten Ausbruch des Vogelgrippe-Virus H5N1 bei Milchkühen. Seither hat diese hochpathogene Virusvariante zahlreiche weitere Herden in den USA infiziert und ist auch auf Menschen übergesprungen. Der Subtyp H5N1 breitet sich seit 2021 weltweit exponentiell unter Wildvögeln aus; es handelt sich um den schlimmsten je dokumentierten Vogelgrippe-Ausbruch, dem bereits Hunderte Millionen Vögel zum Opfer gefallen sind. Parallel dazu nahm auch die Zahl infizierter Säugetierarten wie Rindern zu.
Auch rund 900 Infektionen beim Menschen konnten laut einem Bericht von «Nature» bisher nachgewiesen werden. Die Betroffenen hatten in den meisten Fällen direkten Kontakt zu kranken Tieren. Anlass zur Sorge geben nun zwei aktuelle Fälle in den USA und Kanada: Zum ersten Mal wurde ein Kind infiziert, das allerdings nur leichte Symptome zeigte, und ein Teenager musste in kritischem Zustand hospitalisiert werden. Im zweiten Fall war das Virus laut Virologen mutiert und hatte sich an den menschlichen Wirt angepasst.
Welches Risiko geht vom Vogelgrippe-Virus H5N1 derzeit aus, wie können Menschen sich anstecken, welches Krankheitsbild weisen infizierte Menschen auf? Mit anderen Worten – was wissen wir über die Vogelgrippe, insbesondere über H5N1?
Die Vogelgrippe (aviäre Influenza) ist eine durch Influenza-A-Viren (Grippe-Viren) hervorgerufene Tierseuche, die wildlebende Vögel – vornehmlich Wasservögel – und als Nutztiere gehaltene Vögel befällt. Grippe-Erreger werden in drei Typen (A, B und C) unterteilt, die alle auch den Menschen infizieren können. Nur der A-Typ kommt für Zoonosen in Frage, also zwischen Tier und Mensch wechselseitig übertragbare Infektionskrankheiten.
Für alle Erreger der Vogelgrippe stellen wildlebende Populationen von Wasservögeln das natürliche Wirtsreservoir dar. Da die Viren an diese Wirte angepasst sind, entwickeln diese oft keine Symptome. Unter Vögeln sind die Viren jedoch hoch ansteckend; zudem werden sie beispielsweise durch Zugvögel über grosse Distanzen verbreitet. Auch domestizierte Vogelarten wie Huhn oder Pute können befallen werden.
Als Folge von Mutationen entstehen ständig neue Varianten der Influenza-A-Viren, die anhand bestimmter Eigenschaften ihrer Oberfläche in Subtypen eingeteilt werden. Diese Varianten sind unterschiedlich aggressiv: Man unterscheidet hochpathogene und niedrigpathogene Influenza-A-Virusstämme. Die meisten aviären Influenza-A-Viren gelten als niedrigpathogen; sie lösen in der Regel bei Nutzgeflügel nur milde Krankheitsverläufe aus und stellen für die menschliche Gesundheit keine Gefährdung dar.
Die Subtypen H5 und H7 können hingegen schnell zu hochpathogenen Varianten mutieren; dies geschieht eher selten und vermutlich in Geflügelhaltungen von Hühnervögeln wie Huhn oder Pute. Sie lösen dann die Klassische Geflügelpest aus, eine schwere Form der aviären Influenza, die eine sehr hohe Letalität aufweist. Sie sind daher meldepflichtig. Der derzeit am stärksten grassierende Subtyp ist H5N1, der sich genetisch von früheren Virusvarianten unterscheidet.
Die akute Form der Geflügelpest zeigt sich bei Vögeln in Symptomen wie Apathie, mangelnder Fresslust, einem stumpfen, struppigen Federkleid und hohem Fieber. Weitere Symptome sind erschwerte Atmung mit geöffnetem Schnabel, Ödeme an verschiedenen Körperstellen, bläulich verfärbte Schleimhäute, Durchfall und neurologische Störungen. Die Mortalität hängt vom Alter der Tiere und der Virulenz des Erregers ab; bei aggressiven Erregern endet die Krankheit bei nahezu allen Tieren tödlich.
Die Vogelgrippe ist unter Vögeln hochansteckend, wobei die Infektionswege grundsätzlich die gleichen wie bei anderen Influenzaviren sind. Die Viren, die in Nasensekret, Kot oder Speichel infizierter Tiere enthalten sind, können via Tröpfcheninfektion über die eingeatmete Luft oder über Kotpartikel an der Kleidung und an Geräten übertragen werden. Selbst das Einatmen von erregerhaltigem Staub, der mit virushaltigem Kot in Kontakt war, kann eine Infektion verursachen.
Ausserhalb des Wirtskörpers sind die Viren nur wenige Tage lang funktionsfähig, unter extrem günstigen Bedingungen allerdings mehrere Monate. Bei 20 °C bleiben sie in der Regel sieben Tage lang intakt, in Kot und Geflügelfleisch oder Eiern bei 4 °C hingegen 30 bis 35 Tage und in Flüssigmist bis zu 105 Tage. Eine Übertragung über durchgegarte Geflügelprodukte ist nach bisherigen Erkenntnissen ausgeschlossen, da das Virus bereits bei +70 °C sicher abgetötet wird.
Die Übertragung auf Säugetiere und daher auch Menschen ist seltener. Allerdings springt die bisher ansteckendste Variante – der Subtyp H5N1 – immer öfter auf Säugetiere über, offenbar aufgrund der seit 2020 auftretenden, noch aggressiveren Form H5N1-Genotyp-Klasse 2.3.4.4b. Neben Milchkühen in den USA – die ersten infizierten Wiederkäuer – wurden auch schon Alpakas angesteckt, mehrere Dutzend Katzen in Polen oder Nerze in Pelztierfarmen. Gelegentlich werden auch Schweine infiziert, vornehmlich in China und Indonesien.
Das Virus springt zudem auch auf Wildtiere über, beispielsweise Füchse, Marder, Otter oder Bären. Die infizierten Tiere stecken sich vermutlich an, wenn sie erkrankte oder tote infizierte Wasservögel fressen. Selbst Robben wurden bereits infiziert. Bei einer H5N1-Epidemie unter südamerikanischen Robben gab es Hinweise darauf, dass es bereits zu Übertragungen von Robbe zu Robbe gekommen sein könnte.
Anders verhält es sich wohl bei der Ansteckung von Milchkühen in den USA: Dort hat sich vermutlich eine Kuh durch eine Schmierinfektion über den Zitzenkanal am Euter infiziert, dessen Gewebe besonders empfänglich für das Virus ist. Eine Übertragung von Rind zu Rind auf natürlichen Wegen scheint bisher nicht vorzukommen; die weitere Verbreitung erfolgte wohl über kontaminiertes Melkgeschirr. Besorgniserregend ist hierbei, dass grosse Virusmengen über die Milch ausgeschieden werden. Unbehandelt ist diese Milch hochinfektiös. Nur in pasteurisierten Milchprodukten sind diese Viren sicher abgetötet.
Aviäre Influenzaviren sind bisher nicht gut an den Menschen angepasst. Vermutlich müssen Menschen erhebliche Virusmengen aufnehmen, um sich überhaupt zu infizieren. Die meisten Personen, die bisher an der Vogelgrippe erkrankten, hatten zuvor engen Kontakt zu infizierten, erkrankten oder verendeten Vögeln oder mit einer durch Geflügelausscheidungen kontaminierten Umgebung. Selbst wenn vereinzelt Menschen erkranken, kommt es so gut wie nie – und bei der Variante H7N9 nur in Einzelfällen – zur Übertragung auf andere Menschen. Zu einer fortgesetzten Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist es bisher noch nie gekommen.
Seit 2003 wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit mehr als 2600 Erkrankungen und 1100 Todesfälle von Menschen an aviärer Influenza gemeldet. Seit 2013 sind es mehr als 1500 Erkrankungen und mindestens 615 Todesfälle. Zu Infektionen kommt es vornehmlich in Bevölkerungsgruppen, die Geflügel von Lebendgeflügelmärkten verzehren. Die erste Infektion eines Menschen mit dem Subtyp H5N1 erfolgte 1997 in Hongkong. Die WHO verzeichnet knapp 900 Fälle einer H5N1-Infektion seit 2003 (bis Juli 2024). Mehr als die Hälfte der infizierten Personen starb. Allerdings werden wohl leichte Fälle oft nicht gemeldet; diese würden die hohe Letalität etwas relativieren.
Nicht jede Infektion führt zu Symptomen: Das H5N1-Virus wurde auch in Proben von Menschen ohne Symptome nachgewiesen, die mit infizierten Tieren oder deren Umgebung in Kontakt gekommen waren.
H5N1 und H7N9, jene Virusstämme, die die meisten Vogelgrippefälle beim Menschen hervorrufen, haben ähnliche Wirkungen. Ein bis fünf Tage nach der Ansteckung tritt bei Infizierten als erstes Symptom meist Fieber auf, begleitet oder gefolgt von respiratorischen Symptomen wie Husten und Atemnot. Weitere typische grippeähnliche Beschwerden wie Hals-, Kopf- und Muskelschmerzen können vorkommen, treten aber nicht regelmässig auf. Mitunter kommt es zu einer Bindehautentzündung, nicht selten auch zu Übelkeit, Erbrechen und insbesondere Durchfall. Die Infektion kann schnell zu schweren Atemwegserkrankungen, etwa einer Lungenentzündung, und zu neurologischen Veränderungen führen, beispielsweise Krampfanfällen oder einem veränderten Geisteszustand.
Bei Menschen, die nach einer Infektion mit aviären Influenzaviren erkranken, sind meist die unteren Atemwege beteiligt, da sich die Rezeptoren zum Andocken dieser Viren beim Menschen eher an Epithelzellen des unteren Atmungstrakts befinden. Unter diesen Fällen ist die Letalität mit 20 bis 60 Prozent, abhängig vom Virus-Subtyp, relativ hoch.
Der Subtyp H5N1 wurde 1959 in Schottland erstmals nachgewiesen und tritt seit Ende der 1990er-Jahre vermehrt auf. Mittlerweile dominiert diese bisher ansteckendste Virus-Variante weitgehend bei den Vogelarten und springt stetig auch auf Säugetiere über. Letzteres ist es, was Fachleuten Sorgen macht: Wenn immer mehr Säugetierarten von dem Erreger befallen werden, könnte dies dazu führen, dass er zu einer Variante mutiert, die auch von Mensch zu Mensch übertragbar ist.
«Die Tatsache, dass das H5N1-Virus in der Lage ist, eine Vielzahl von Tierarten zu infizieren, erhöht das Risiko einer Übertragung auf den Menschen», stellt etwa Eva Friebertshäuser, Professorin für Molekulare Virologie an der Universität Marburg, gegenüber nationalgeographic.de fest. Derzeit kann das Virus kaum von Mensch zu Mensch übertragen werden, da es nicht in der Lage ist, sich in den oberen Atemwegen des Menschen zu vervielfältigen. Eine effektive Übertragung durch Aerosole – also eine Tröpfcheninfektion – ist daher nicht möglich.
Doch H5N1 könnte diese Fähigkeit durch Mutation erlangen – wie dies bei anderen aviären Influenzaviren bereits geschehen ist. Friebertshäuser erwähnt hier den H3N2-Subtyp, der 1968 im Rahmen der Hongkong-Pandemie auf den Menschen übertragen wurde, und den Subtyp des H1N1-Virus, der 2009 im Rahmen der Schweine-Grippe-Pandemie in die menschliche Population eingebracht wurde. Ein anderer, aussergewöhnlich virulenter Subtyp des H1N1-Virus war übrigens für die Pandemie von 1918 verantwortlich, die unter dem Namen «Spanische Grippe» bekannt ist und die mehr Opfer forderte als alle Kriegshandlungen des Ersten Weltkriegs.
Das Szenario einer Mutation des Subtyps H5N1, die dazu führt, dass der Erreger leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, ist daher nicht aus der Luft gegriffen. «H5N1 hat definitiv das Potenzial, eine neue Pandemie auszulösen», warnt Friebertshäuser. Besorgniserregend ist überdies, dass wir keine bestehende Immunität gegen dieses Virus besitzen – so, wie es auch zu Beginn der Covid-19-Pandemie war.
Insgesamt stufen allerdings Institutionen wie das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) das Risiko einer Übertragung von H5N1 auf die allgemeine Bevölkerung derzeit als gering ein. Friebertshäuser weist zudem darauf hin, dass H5N1 bereits gut erforscht sei, ganz im Gegensatz zur Coronapandemie, als SARS-CoV-2 völlig überraschend auftrat. Impfprogramme und antivirale Medikamente wären daher im Notfall schnell verfügbar.
Ein weiterer positiver Faktor sei überdies, dass aviäre Influenzaviren, die sich erfolgreich an menschliche Zellen binden können, dafür oft weniger effizient an aviäre Rezeptoren andocken könnten. Dies führe dazu, dass die Viren sich in den oberen Atemwegen zwar effektiver vervielfältigen könnten, dafür aber weniger gut in den unteren. Damit würden schwere Verläufe, bei denen die Lunge betroffen ist, eher abnehmen.
Beim Fall des erkrankten Kindes in den USA, das in eine Kindertageseinrichtung in Kalifornien ging und lediglich milde Symptome zeigte, ist bedeutsam, dass es zuvor keinen bekannten Kontakt zu einem infizierten Tier hatte. Die Frage steht daher im Raum: Wie hat sich das Kind infiziert? Sollte es sich bei der Quelle der Ansteckung um einen Menschen handeln, würde dies bedeuten, dass die Übertragung von Mensch zu Mensch unbemerkt erfolgt, erklärte die Ärztin und Medizinjournalistin Céline Gounder dem US-Sender CBS News. Es würde sich bereits um den zweiten Fall einer Infektion durch H5N1 ohne Kontakt zu kranken Nutztieren handeln.
Der Fall des Teenagers in Kanada ist deshalb alarmierend, weil hier Mutationen des Virus festgestellt wurden, die eine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch erleichtern könnten. Das Fachjournal «Nature» weist darauf hin, dass die drei entdeckten spezifischen Mutationen es dieser H5N1-Variante ermöglichen, leichter an Zellen in den menschlichen Atemwegen anzudocken. Die Mutationen seien möglicherweise im Körper des Teenagers erfolgt. Der Virologe Jesse Bloom vom Fred Hutchinson Cancer Center sagte dem US-Sender CNN, es sei eine der ersten Male, dass die Wissenschaft wirklich Beweise für diese Art von Anpassungsmutationen an den Menschen in H5N1 sehe.
Virologen betrachten diese Entwicklung mit Sorge. Sie bedeute allerdings nicht, dass eine neue Pandemie unmittelbar bevorstehe. Allerdings sollte die Weiterentwicklung des Virus im Auge behalten werden – Gounder etwa plädiert dafür, viel mehr Tests durchzuführen, insbesondere bei Rindern und Menschen, damit eine allfällige Veränderung des Virus im Hinblick auf eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung schneller entdeckt würde. Die Ausbreitung von H5N1 unter Geflügel, Wildvögeln, Rindern und Menschen schaffe eine Situation, in der es Mutationen gebe, die die Übertragung von Mensch zu Mensch ermöglichten – das sei «russisches Roulette».
Der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit liegt derzeit auf den zahlreichen H5N1-Infektionen von Milchkühen in den USA. Tatsächlich geben diese Vorfälle Anlass zu Vorsichtsmassnahmen, etwa beim Umgang mit nicht pasteurisierten Milchprodukten, aber auch zum Schutz von Mitarbeitern, die mit infizierten Tieren in Kontakt kommen. Dagegen rückt in den Hintergrund, dass Ende Oktober erstmals ein Schwein in den USA mit diesem Subtyp des Vogelvirus infiziert wurde.
Experten für Veterinärmedizin der Universität von Calgary halten den Befund zwar für bedeutsam, schätzen das Risiko einer grossflächigen Verbreitung von H5N1 in der kommerziellen Schweinehaltung aber als gering ein. Dennoch gibt es Anlass zur Sorge: Schweine sind bekannt dafür, dass sich in ihnen Influenza-Viren vermischen können, denn sie sind mögliche Wirte für menschliche Grippeviren wie auch für Vogelgrippe-Viren.
Schweine besitzen in ihrem Atmungstrakt Schleimhautzellen mit Rezeptoren sowohl für aviäre als auch für menschliche Influenzaviren. Daher kann es zu Doppelinfektionen durch Influenzaviren unterschiedlicher Spezies kommen. Wenn eine Wirtszelle gleichzeitig von verschiedenen Influenzaviren infiziert wird, besteht die Gefahr, dass Gensegmente ausgetauscht werden – man spricht dabei von einer Reassortierung – und dadurch Viren mit neuen genetischen Eigenschaften entstehen.
Aus diesem Grund sprechen sich Experten wie etwa Friebertshäuser für die Verschärfung von Präventionsmassnahmen aus, und zwar nicht nur in Milchkuhbetrieben, sondern auch in Schweinezuchten. Die Virologin warnt: «Ein Einbringen der H5N1-Viren aus Kühen in andere Tierpopulationen – beispielsweise Schweinezuchten – muss dringlichst verhindert werden.»
Und Kenny promotet nicht-pasteurisierte Milch...
Das ist keine stringente Argumentation: Die weniger gute Andockung an aviäre (=Vogel) Zellen belegt nicht die schlechtere Andockung an humane Zellen der unteren Atemwege, sondern lediglich die schlechtere Andockung an Zellen des Ursprungswirts, den Vögeln.
Fachbegriffe ersetzen nicht fehlende Logik.