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Panzer, Helikopter und Kalaschnikows – 7 spektakuläre Gefängnisausbrüche

Panzer, Helikopter und Kalaschnikows – 7 spektakuläre Gefängnisausbrüche

10.02.2024, 10:0510.02.2024, 13:08
Daniel Huber
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Zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es in der Nacht auf den 4. Februar gelungen, aus dem geschlossenen Erziehungszentrum Pramont in Granges VS zu türmen. Sieben von ihnen sind inzwischen gefasst worden.

Der Ausbruch belegt, dass der Freiheitsdrang ein starkes menschliches Bedürfnis ist. Jene, die im Gefängnis sitzen, wollen in aller Regel möglichst schnell wieder raus. Einigen wenigen gelingt das früher als vom Gesetz vorgesehen – manchmal mit unkonventionellen Methoden. Und dann gibt es noch jene, die es gleich mehrmals geschafft haben, etwa der «Ausbrecherkönig» der Schweiz, Walter Stürm, dem das Kunststück nicht weniger als acht Mal gelang.

Stürms «Palmarès» gehört daher schon aus Gründen des Nationalstolzes auf die folgende, naturgemäss unvollständige und willkürliche Liste von spektakulären Gefängnisausbrüchen. Diese beginnt mit einem Mann, den man eher für andere Leistungen kennt.

Giacomo Casanova

Casanova – der Name des venezianischen Schriftstellers ist dank seiner wohl kräftig ausgeschmückten Memoiren zum sprichwörtlichen Synonym eines Frauenhelden geworden. Sein sexueller Appetit und die entsprechende Ausdauer sind bis heute legendär. Berühmt wurde Casanova aber schlagartig durch seine Flucht aus den berüchtigten Bleikammern unter dem Dach des Dogenpalastes in Venedig. Er beschrieb sie ausführlich in seinem 1788 erschienenen autobiografischen Werk Geschichte meiner Flucht aus den Gefängnissen der Republik von Venedig, die man die Bleikammern nennt.

Giacomo Casanova, Kupferstich aus Histoire de ma fuite des prisons, 1788.
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_meiner_Flucht#/media/Datei:Evasion_Giacomo_Casanova.jpg
Casanovas Flucht aus dem Kerker: Kupferstich aus «Geschichte meiner Flucht aus den Gefängnissen der Republik von Venedig, die man die Bleikammern nennt». Bild: Wikimedia

1755 war der damals 30-Jährige verhaftet worden. Weshalb, ist nicht völlig geklärt. Die venezianische Staatsinquisition warf ihm «Schmähungen gegen die heilige Religion» vor und verurteilte ihn zu fünfjähriger Kerkerhaft. Casanova wurde in den Bleikammern eingesperrt, sieben Zellen unter dem bleigedeckten Dach im Ostflügel des Dogenpalastes, wo ihm «Ratten so gross wie Hasen» Gesellschaft leisteten. Die Flucht aus diesem Verlies galt als unmöglich, und die Haftbedingungen waren furchtbar: Im Sommer heizten die Bleiplatten die Zellen auf, im Winter wurde es unerträglich kalt.

Immerhin erhielt er für jeweils eine halbe Stunde Freigang, und dabei fand er die Instrumente, die ihm zur Flucht verhalfen: einen Eisenstab und ein Marmorstück, mit dem er den Stab schärfen konnte. Damit bohrte er ein Loch in den Holzboden unter seiner Pritsche. Doch zwei Tage vor der geplanten Flucht wurde er in eine andere Zelle verlegt. Es gelang ihm aber, sein Eisenstück in die Zelle eines Mitgefangenen zu schmuggeln, der damit ein Loch in die Zellendecke grub und über den Dachboden zu Casanovas Zelle gelangte.

Casanova - Leroux - Venice GIOVANNI GIACOMO CASANOVA, Italian adventurer, escaping from the Inquisition at Venice Date: 1725-1798 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: CopyrightxcGeminix2023.xCre ...
Casanova und sein Fluchtkomplize auf dem Dach des Dogenpalastes.Bild: www.imago-images.de

Ende Oktober 1756 gelang ihnen bei dichtem Nebel die waghalsige Flucht über das Bleidach, von wo sie sich 20 Meter tief abseilten und in die Kanzlei des Dogenpalastes eindrangen. Dort konnten sie neue Kleider anziehen und dann im Morgengrauen den Palast verlassen. Dabei schloss ihnen der Wächter die Tür auf, da er annahm, es handle sich um Gäste des Dogen, die nach einem abendlichen Gelage den Ausgang nicht mehr gefunden hatten. Nach 15 Monaten Kerker war Casanova frei und setzte sich nach Paris ab.

Jacques Mesrine

Er war der «Ennemi public n° 1», der Staatsfeind Nummer eins, in Frankreich und in Kanada: Jacques Mesrine. Der Gewalttäter, der manchmal zwei Banken an einem Tag überfiel, stilisierte sich selbst zum modernen Robin Hood und Kämpfer gegen das Establishment. Doch der selbst ernannte «Superstar der Unterwelt», der sich damit brüstete, «niemals unnötig zu töten», dürfte rund 40 Morde verübt haben. Die Mutter seiner Kinder schlug er blutig und bekannte in seiner Autobiografie: «Als ich meine Pistole hervorholte, blutete Soledad aus dem Mund (…), ich wusste, dass ich sehr nah dran war, sie zu töten.»

Das erste Mal in Haft kam Mesrine 1962 nach einem versuchten Banküberfall. Nach seiner Entlassung im folgenden Jahr setzte er eine kriminelle Karriere fort und floh dann 1968 mit seiner Geliebten vor der Polizei nach Québec. Dort entführten die beiden einen Millardär und flohen danach mit dem Lösegeld in die USA, wo sie verhaftet wurden. In Kanada zu zehn Jahren Haft verurteilt, gelang Mesrine 1972 der Ausbruch aus dem Gefängnis. Es sollte nicht der letzte sein: Nachdem er 1973 in Frankreich wieder gefasst wurde, nahm er im selben Jahr während einer Gerichtsverhandlung den Gerichtspräsidenten als Geisel und entkam. Die Waffe hatte ein Komplize auf der Toilette deponiert. 1978 flüchtete er erneut aus dem Knast; es war der vierte Ausbruch.

FRANCE - NOVEMBER 06: Portraits of the criminal Jacques Mesrine in France on November 06th, 1978. (Photo by Jean-Claude FRANCOLON/Gamma-Rapho via Getty Images)
Mesrine, der «Mann mit den tausend Masken», wechselte ständig Aussehen und Wohnort.Bild: Getty/Gamma-Rapho

Selbst aus dem Hochsicherheitstrakt des Pariser Santé-Gefängnisses gelang ihm die Flucht. Bei einem Treffen mit seiner Anwältin im Sprechzimmer holte er aus einem Lüftungsschacht einen Revolver, dann tauchte plötzlich ein Komplize auf und die beiden raubten den Aufsehern Dienstwaffen und Uniformen. Danach kletterten sie über die Gefängnismauer und verschwanden mit einem gestohlenen Auto. Einmal wettete Mesrine im Gefängnis mit den Polizisten, dass er es schaffen würde, innerhalb der nächsten drei Monate auszubrechen. Sie verloren die Wette.

Wenn er die Staatsgewalt auf diese Weise vorführte, konnte Mesrine in der Zeit der Studentenunruhen und der 68er-Bewegung vor allem bei der linken Presse punkten. Journalisten, die ihn kritisierten, hasste er: Einen Reporter lockte er in einen Hinterhalt, fesselte ihn nackt in einer Grotte und schoss ihm mehrere Kugeln in den Leib. Das Opfer überlebte, doch Mesrines Image als edler Ganove war mit dieser Gewalttat arg beschädigt. Die Polizei setzte nun eine Sondereinheit auf den Verbrecher an, die ihn am 2. November 1979 in Paris stellte und mit 19 Schüssen regelrecht durchsiebte – angeblich aus Notwehr.

Photo taken on November 2, 1979 shows French criminal Jacques Mesrine, nicknamed "Public Enemy n°1", in his BMW at Porte de Clignancourt, on the outskirts of Paris just after police sharpsho ...
Mesrine führte angeblich immer eine Handgranate mit sich. Damit begründete die Polizei den Kugelhagel, der ihn sofort tötete. Bild: getty

Walter Stürm

Mit insgesamt acht erfolgreichen Fluchtversuchen aus Schweizer Gefängnissen ist Walter Stürm hierzulande der unangefochtene «Ausbrecherkönig». Sein grösster Erfolg in dieser Hinsicht, der ihm viele Sympathien eintrug, gelang ihm an Ostern 1981: Er feilte im Gefängnis Regensdorf die Gitterstäbe seiner Zelle durch und seilte sich ganz klassisch mit einem Laken ab. In der Zelle liess er einen Zettel zurück: «Bin beim Ostereier suchen, Stürm.»

Walter Stuerm, Portraits aus verschiedenen Jahren. Stuerm veraenderte mehrfach sein Erscheinungsbild, um sich der Justiz zu entziehen. Gegen Walter Stuerm, bekannt als "Ausbrecherkoenig" wir ...
Stürm veränderte sein Aussehen nach Belieben.Bild: KEYSTONE

Möglicherweise hatte Stürm damals bei seinem berühmtesten Ausbruch Hilfe aus der linken Jugendbewegung – es war die Zeit von Züri brännt. Besonders Stürms langer Kampf gegen die Isolationshaft – 1987 ging er 110 Tage dagegen in den Hungerstreik –, verschaffte ihm in der links-alternativen Szene viel Solidarität. Sympathien genoss er aber über diese Kreise hinaus; lange hielt man ihn für einen Gentleman-Verbrecher, der seine Überfälle angeblich ohne Gewalt durchführte. Doch dies war ein Mythos: Bei einem Banküberfall 1970 in Hinwil ZH wurde der Filialleiter erschossen. Stürm hatte selbst nicht geschossen, aber er war am Überfall beteiligt.

Gegen 500 Personen haben am 16. Mai 1987 in Zuerich an einer Solidaritaetskundgebung fuer den in der Strafanstalt Regensdorf inhaftierten "Ausbrecherkoenig" Walter Stuerm teilgenommen und di ...
Solidarität mit Stürm: Demonstranten fordern 1987 in Zürich die Abschaffung der Einzelhaft. Bild: KEYSTONE

Zudem war Stürm selber gar nicht an Politik interessiert. Sein Motiv war nicht der Kampf gegen die Staatsmacht, sondern das Geld. Geldbedarf stand auch am Anfang seiner kriminellen Karriere: Stürm, der aus einer Unternehmerfamilie in Goldach stammte, machte eine Lehre als Karosseriespengler und entwickelte eine Schwäche für schnelle Wagen, die er sich nicht leisten konnte. «Sicher ist, dass ich der Autos wegen anfing zu delinquieren», erklärte er später. 1964, erst 22-jährig, wurde er erstmals zu einer Haftstrafe verurteilt. Und brach kurz darauf zum ersten Mal aus.

Es folgte die wohl spektakulärste Bankräuber-Karriere, die die Schweiz je gesehen hat. Stürm wurde immer wieder verhaftet; er sass dabei nicht nur in der Schweiz im Gefängnis, sondern auch in Italien, Frankreich und auf der Kanareninsel La Gomera. 1998 wurde er bedingt entlassen, aber bereits im März des nächsten Jahres wieder verhaftet – wegen eines Banküberfalls, den er in Horn TG begangen haben sollte. Die erneute Isolationshaft, die er als «Todesstrafe auf Raten» bezeichnete, war wohl zu viel für ihn: Am 13. September setzte er im Kantonalgefängnis Frauenfeld seinem Leben ein Ende.

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Lothar Luft

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Schwalmstadt in Hessen gehört zu den sichersten Haftanstalten Deutschlands: Sie hat die höchste Sicherheitsstufe und liegt innerhalb einer mittelalterlichen Festungsanlage, die teilweise von einem tiefen Wassergraben umgeben ist. Doch am 4. April 1993 gelang dem 1986 wegen dreifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten Lothar Luft – er war erst 1992 nach mehreren Ausbruchsversuchen aus Sicherheitsgründen hierher verlegt worden – mithilfe eines Komplizen die Flucht. Und dies auf höchst ungewöhnliche Weise.

Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49434177
Besuchereingang der JVA Schwalmstadt zwischen Stadtkirche und ehemaligem Gouverneursflügel des Schlosses Ziegenhain.Bild: Wikimedia/Tkarcher

Der Komplize Hans-Joachim Horn, ein 33-jähriger Maschinenbauingenieur und ehemaliger Mithäftling des 52 Jahre alten Luft, entwendete am Morgen dieses Sonntags auf dem Bundeswehrgelände der Herrenwald-Kaserne in Stadtallendorf einen Radpanzer des Typs Fuchs. Zu diesem Zweck musste er einen Sicherungszaun überklettern und am Panzer ein Vorhängeschloss aufbrechen. Danach startete er das dreiachsige Gefährt mit dem Zündschlüssel seines VW Golf. Der Diebstahl des Panzers blieb zunächst unbemerkt.

Horn durchbrach mit dem etwa 17 Tonnen schweren, fast sieben Meter langen und drei Meter breiten Fuchs ein Seitentor der Kaserne und fuhr dann zur rund 22 Kilometer entfernten JVA Schwalmstadt. Dort durchbrach er mit dem Panzer zuerst das als Feuerwehrzufahrt dienende zweiflüglige Stahltor und dann ein Gittertor. Nach zwei weiteren Toren, die er ebenfalls durchbrach, gelangte der Panzer auf einen Innenhof, auf dem zu dieser Zeit neun Insassen der JVA gerade ihre Freistunde verbrachten. Dort öffnete Horn die Luke und Luft kletterte in den Panzer.

Der ABC-Spuerpanzer "Fuchs"auf einem undatiertem Handout. Mit einem Gummihandschuh am Ende des Fahrzeugs koennen Giftstoffproben ins Innere des Panzers geholt werden. Nach einem Bericht des  ...
Ein Radpanzer des Typs Fuchs. «Der war das ideale Ding für meinen Zweck», sagte Fluchthelfer Horn später vor Gericht.Bild: AP Photo/HO

Die anderen Häftlinge – unter ihnen drei der insgesamt fünf zu diesem Zeitpunkt dort einsitzenden RAF-Terroristen – wichen erschrocken zurück oder wurden vom Wachpersonal abgedrängt. Rund fünf Minuten dauerte die Aktion, dann war der Panzer wieder draussen. Horn und Luft fuhren nun in ein Waldgebiet bei Alsfeld, wo sie auf ein zuvor verstecktes Fluchtauto umstiegen. Fluchthelfer Horn wurde bereits nach einigen Tagen in Frankfurt am Main gefasst und 1994 zu drei Jahren Haft verurteilt. Luft konnte sich hingegen nach Frankreich absetzen. Drei Monate später wurde er im Elsass verhaftet und sass danach in der JVA Kassel ein. Er starb vor einigen Jahren.

El Chapo

Er war ein Bauernsohn, der die Schule bereits nach der zweiten Klasse verlassen hatte. Trotzdem schaffte es Joaquín Archivaldo Guzmán Loera, besser bekannt unter dem Namen El Chapo («der Kleine»), im Jahr 2009 auf Platz 41 der «Forbes»-Liste der reichsten Menschen der Welt. Der nur gerade 1,68 Meter grosse El Chapo gehörte zu den mächtigsten und meistgesuchten Drogenbossen der Welt; zeitweise war für Informationen, die zu seiner Verhaftung führen würden, eine Belohnung von sieben Millionen US-Dollar ausgesetzt.

FILE - In this Jan. 19, 2017, file photo provided by U.S. law enforcement, authorities escort Joaquin "El Chapo" Guzman, center, from a plane to a waiting caravan of SUVs at Long Island MacA ...
2016 wurde El Chapo zum bisher letzten Mal verhaftet und im Januar 2017 an die USA ausgeliefert. Dort sitzt er immer noch ein.Bild: AP

Das erste Mal wurde El Chapo 1993 in Guatemala verhaftet. In Mexiko verurteilte ihn ein Gericht zu mehr als 20 Jahren Gefängnis. Nach acht Jahren Haft gelang ihm 2001 die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande im Bundesstaat Jalisco. Dazu, wie ihm das gelingen konnte, gibt es zwei Versionen: In der ersten bestach er die Wachen, die ihm die Zellentür öffneten und ihn zu einem Wäschewagen führten. Der Kartellboss wurde dann in der schmutzigen Wäsche versteckt zu einem Fahrzeug gebracht und entkam im Kofferraum. Die zweite Version klingt weniger aufregend: Demnach half El Chapo dem klammen mexikanischen Präsidenten Vicente Fox mit 20 Millionen Dollar aus. Danach konnte er quasi aus dem Gefängnis spazieren, wie Zeugen behaupteten.

Danach lebte El Chapo 13 Jahre im Untergrund, bis er 2014 erneut gefasst wurde. Diesmal dauerte es nicht so lange, bis der Drogenboss wieder entwischte: Im Juli 2015 kletterte er im Gefängnis El Altiplano 60 Kilometer westlich der Hauptstadt Mexico City durch ein Loch unter einer Dusche und verschwand durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel. Die mexikanischen Medien sprachen von der «Flucht des Jahrhunderts» («fuga del siglo»).

ALMOLOYA, MEXICO - JULY 16: Inside view of the tunnel inside the house where used by Joaquin 'El Chapo' Guzman to escape from the Maximum Security Prison of El Altiplano last Sunday, in Almo ...
Fluchttunnel der Extraklasse: Mit diesem Motorrad auf Schienen wurde der Aushub wegtransportiert. El Chapo dürfte es zur Flucht benutzt haben.Bild: Getty

Tatsächlich war der Tunnel ein Meisterwerk der Ingenieurskunst: Die Tunnelbauer des Kartells – die über jahrzehntelange Erfahrung im Bau von Tunneln unter der Grenze zu den USA verfügten – hatten ganze Arbeit geleistet. Der 1,70 Meter hohe und 80 Zentimeter breite Fluchttunnel war mit Lampen und einem Belüftungssystem ausgerüstet. Ein Motorrad auf Schienen diente dem Abtransport des Aushubs. Vermutlich knatterte El Chapo darauf in die Freiheit. Diese konnte er indes nicht sehr lange geniessen: Bereits im Januar 2016 wurde er wieder verhaftet und ein Jahr später an die USA ausgeliefert. Seither sitzt er im amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis ADX Florence.

El Chapo – die grosse Flucht

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«El Chapo» – die grosse Flucht
«Ich bin dann mal weg»: Das sind die letzten Bilder der Überwachungskamera in der Zelle von Joaquín Archivaldo Guzmán Loera. Erst zwei Stunden später wird im Hochsicherheitsgefängnis ...
quelle: epa/efe/cns / national commission of security of mexico (cns) / handout
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Nordin Benallal

Nordin Benallal war erst 27 Jahre alt, als er sich bereits den Titel des «Ausbrecherkönigs» von Belgien «erarbeitet» hatte. Der Belgier marokkanischer Abstammung brach insgesamt fünfmal aus Haftanstalten aus – darunter auch aus dem Gefängnis von Ittre, dem angeblich sichersten Knast Belgiens, der erst 2002 in Betrieb genommen wurde. 1998 war der «Aal», wie sein Spitzname lautet, zum ersten Mal verurteilt worden. Er bekam fünf Jahre für Raub, kam aber früher frei – nur, um im September 2000 erneut verhaftet zu werden.

epa01160102 (FILES) Nordin Benallal (C) arrives at the Brussels justice chamber, Thursday 07 October 2004. On Sunday 28 October 2007, Benallal tried to escape from the prison of Ittre, using a helicop ...
Der Aal: Benallal 2004 im Gerichtsgebäude in Brüssel. Bild: EPA

Bereits im Oktober gelang ihm kurzzeitig die Flucht – Ausbruch Nummer eins –, und danach noch einmal im Dezember – Ausbruch Nummer zwei. Dabei zeigte er eine erstaunliche Kreativität: Er gab vor, eine Fussverletzung zu haben und humpelte fünf Tage lang auf Krücken herum. Während der Fahrt zum Gericht löste er seine Handschellen, warf die Krücken weg und entkam aus dem Gefangenentransporter. Er stahl einen Lastwagen und floh nach Marokko. Kurz darauf kehrte er nach Belgien zurück und wurde prompt gefasst. Diesmal – Ausbruch Nummer drei – entkam er, indem er mit seinem jüngeren Bruder Younes, der ihn im Gefängnis besuchte, die Kleider tauschte und mit Perücke und Sonnenbrille aus dem Gefängnis spazierte. Sechs Wochen später war sein Ausflug in die Freiheit wieder vorbei.

Der nächste Ausbruch – Nummer vier – erfolgte 2004, als er mit einem Seil, das von aussen über die Mauer des Gefängnisses von Nivelles geworfen wurde, in die Freiheit kletterte. Das Seil war zwar für einen anderen Gefangenen bestimmt, aber Benallal war schneller. Draussen nahm er auch gleich das dort abgestellte Fluchtauto. Nur eine Woche später konnte er nach einer Verfolgungsjagd, bei der er auf zwei Polizisten schoss, wieder festgenommen werden. Nun dauerte es gut drei Jahre, bis Benallal im Oktober 2007 wieder ausriss. Sein bisher letzter Ausbruch – Nummer fünf – war zugleich der spektakulärste: Dieses Mal war ein Helikopter involviert.

Drei oder vier maskierte und bewaffnete Komplizen Benallals überfielen eine Helikopterfirma und zwangen einen Piloten, einen von ihnen mit einem zweisitzigen Helikopter zum Gefängnis von Ittre zu fliegen. Als aber der Helikopter während des Hofgangs am Sonntag in geringer Höhe über dem Gefängnishof schwebte, hängte sich ein Häftling an die Kufen, was die Maschine zum Absturz brachte. Der Häftling verlor dabei ein Bein. Im nun ausbrechenden Chaos sprang der Komplize aus dem Wrack und warf Benallal eine Waffe zu. Beide nutzten das Durcheinander, während der verletzte Gefangene versorgt wurde – sie nahmen zwei Wächter als Geiseln und verliessen mit ihnen das Gefängnis. Draussen stahlen sie ein Auto, mit dem sie entkamen.

Das Gefängnis von Ittre in Belgien.
Das Gefängnis von Ittre. Hier fand der Befreiungsversuch per Helikopter statt. Bild: imago

Nur einen Tag später wurden die beiden flüchtigen Männer in Den Haag nach einem Raubüberfall auf einen holländischen Motorradhändler geschnappt. Die Niederlande lieferten Benallal 2010 an Belgien aus, wo er bis 2016 im Gefängnis sass. Dann wurde er unter elektronischer Überwachung aus dem Gefängnis entlassen, aber zwei Jahre später erneut wegen des Verdachts festgenommen, an einer Geiselnahme beteiligt gewesen zu sein.

«Pink Panther»-Bande

Die «Pink Panther»-Bande, die weltweit tätig ist, der Organisierten Kriminalität zugerechnet wird und sich auf Juwelenraub spezialisiert hat, geniesst den zweifelhaften Ruf einer professionellen und vor nichts zurückschreckenden Organisation. Das stellte sie im Juli 2013 unter Beweis, als sie mit brachialer Gewalt zwei Gefangene aus dem Waadtländer Gefängnis Orbe befreite. Einer der beiden geflohenen Häftlinge, ein 34-jähriger Serbe, war Mitglied der Bande, der zweite ein 52-jähriger Schweizer Mitinsasse.

Zwei bewaffnete Komplizen des inhaftierten Bandenmitglieds durchbrachen um 19.35 Uhr mit einem gestohlenen Lieferwagen ein Eingangstor der Strafanstalt. Mit dem Lieferwagen und einem Auto fuhren sie aufs Gefängnisgelände, wo sie mit Schnellfeuergewehren des Typs AK-47 – allgemein bekannt unter der Bezeichnung «Kalaschnikow» – das Feuer auf das Sicherheitspersonal eröffneten, um es so in Schach zu halten. Unterdessen ermöglichten sie den beiden Häftlingen mit Leitern die Flucht über den Sicherheitszaun. Danach türmten alle vier Männer mit einem Fluchtauto; den Lieferwagen setzten sie in Brand.

Une vue des Etablissements de la plaine de l'Orbe (EPO) lors d'une presentation a la presse, par le Service penitentiaire vaudois (SPEN), de la nouvelle strategie de reinsertion des personne ...
Schüsse aus Kalaschnikows: Das Gefängnis in Orbe, aus dem die beiden Häftlinge befreit wurden. Bild: KEYSTONE

Verletzt wurde bei der spektakulären Aktion niemand; das geschockte Gefängnispersonal musste jedoch psychologisch betreut werden. Die Regierungsrätin Béatrice Métraux (Grüne) sagte später an einer Medienkonferenz, es habe sich «eher um einen Einmarsch als einen Ausbruch» gehandelt. Dass bei einem Gefängnisausbruch in der Schweiz Schnellfeuergewehre wie in Kriegsgebieten eingesetzt worden seien, habe es noch nie gegeben.

Noch vor Ende August 2013 war der illegale Freigang für die beiden befreiten Häftlinge beendet: Die Walliser Polizei fasste den flüchtigen Schweizer in der Nähe von Siders VS, die Freiburger Kantonspolizei verhaftete den Serben in einem Chalet in Les Paccot bei Châtel-St-Denis FR.

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quelle: charles sykes/invision/ap/invision / charles sykes
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