Im Sommer 2023 machen Ärztinnen und Ärzte des Spezialkrankenhauses für Augenheilkunde «Mass Eye and Ear» in Boston (USA) eine ungewöhnliche Beobachtung: Innerhalb einer Woche kommen drei Personen mit denselben Beschwerden in ihre Praxis. Sie alle verloren von einem Tag auf den anderen auf einem Auge ihr Sehvermögen.
Die Ärztinnen und Ärzte stellen bei ihnen eine sogenannte «nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie» fest, kurz NAION. Dabei handelt es sich um eine Art von Schlaganfall, bei dem es zu einem plötzlichen, schmerzlosen Sehverlust auf einem Auge führt. Die Erkrankung ist äusserst selten. Gemäss Studien bekommen sie nur 10 von 100'000 Menschen.
Die Häufung in ihrer Klinik macht die Ärztinnen und Ärzte deshalb stutzig. Bei genauerem Hinsehen stellen sie fest: Alle drei Patientinnen und Patienten nehmen Semaglutid-Medikamente ein. Der Wirkstoff ist in den Diabetesmedikamenten Ozempic und Wegovy enthalten, die auch zum Abnehmen genutzt werden.
Forschende der Mass General Brigham School und der Harvard Medical School in Boston führen deshalb eine retrospektive Studie durch. Dafür nutzen sie bereits vorhandene medizinische Daten von Patientinnen und Patienten, die keine Vorgeschichte mit NAION hatten, und die im Rahmen einer anderen Studie zwischen 2017 und 2023 bereits gesammelt wurden.
Sie konzentrieren sich auf die Daten der letzten drei Jahre einer Untergruppe: Jene 1700 Personen, die an Diabetes, Übergewicht oder Adipositas litten. Innerhalb dieser Gruppen vergleichen sie jene Personen, die über längere Zeit ein Semaglutid-Medikament einnahmen, mit jenen, die kein solches Medikament verschrieben bekommen haben. Das Ergebnis: 17 der 200 Diabetes-Patienten, die ein Semaglutid-Medikament einnahmen, erkrankten später an NAION. Das ist eine viermal höhere Rate als bei denjenigen, die kein solches Medikament einnahmen.
Weiter stellen die Forschenden fest: Übergewichtige oder fettleibige Personen haben ein mehr als sieben Mal höheres Risiko, auf einem Auge ganz oder teilweise zu erblinden, wenn sie ein Semaglutid-Medikament einnahmen. 20 der 361 übergewichtigen oder adipösen Patientinnen und Patienten erkrankten an NAION. Am häufigsten erkrankten sie innerhalb des ersten Jahres nach Verschreibung von Semaglutid.
Ozempic enthält 1,0 mg und Wegovy 2,4 mg Semaglutid. Der Wirkstoff senkt nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern hemmt auch den Appetit und sorgt dafür, dass sich der Magen langsamer entleert. Die Pillen und Spritzen galten deshalb als Wundermittel für Diabetes- und Adipositas-Erkrankte.
Aber auch die Stars entdeckten Ozempic und Wegovy für sich. So schworen Tesla-Gründer Elon Musk und die US-amerikanische Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey auf die Medikamente. Werden sie nun alle auf einem Auge erblinden? Dazu kann die Studie noch keine klare Aussage machen.
Der dänische Hersteller von Ozempic und Wegovy, Novo Nordisk, schreibt auf Anfrage von CNN, dass die Daten der Studie nicht ausreichen, um einen kausalen Zusammenhang zwischen Semaglutid und NAION zu beweisen. Sie würden den Zusammenhang zwischen der Einnahme von Semaglutid und Effekten auf die Netzhaut in einer Studie untersuchen, die voraussichtlich 2027 abgeschlossen sein sollte. Der Pharmakonzern schreibt:
Auch die Forschenden der Studie betonten, dass weitere Untersuchungen mit einem grösseren Sample gemacht werden müssen. Ihre Ergebnisse legten lediglich einen Zusammenhang zwischen Semaglutid und NAION nahe. Wie genau Semaglutid aber mit den Augen interagiert, ist noch nicht geklärt.
Expertinnen und Experten, die CNN befragt hat, raten Diabetes-Patientinnen und Patienten sowie Übergewichtigen davon ab, ihre Semaglutid-Medikamente aufgrund dieser Studienergebnisse abzusetzen. Selbst mit einem durch Ozempic oder Wegovy erhöhten Risiko, NAION zu entwickeln, bleibt die Erkrankung selten.
Ich schätze es sehr, dass ihr auf die Gefahren und Risiken dieses Medikaments hinweist und darüber verständlich informiert. Ich würde es aber auch sehr begrüssen, wenn ihr Ozempic & Co. nicht pauschal als „Diabetesmedikamente“ bezeichnen würdet, da es nur die Behandlung von Typ 2 Diabetes betrifft.
Leider herrschen bereits so schon sehr viele gefährliche und falsche Vorstellungen über Diabetes (alle Typen) und die fehlende Unterscheidung in solchen Artikeln verschärft diese Problematik noch zusätzlich.
Danke und freundliche Grüsse
Danke!